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Eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht durchsetzen!

Rede von Frank Tempel,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Vom Tod des Polizeibeamten habe ich während der Arbeit an der Rede zu diesem Thema erfahren. Wir reden hier über die Polizei. Da ich selbst Polizeibeamter bin, möchte ich den Angehörigen und Kollegen des Beamten mein Beileid auszusprechen. Was ihm passiert ist, ist etwas, was mich selbst immer sehr betroffen macht.

Bei der Polizei arbeiten Menschen, Menschen, die den Querschnitt unserer Gesellschaft mit all ihren unterschiedlichen Aspekten repräsentieren. Nach 16 Jahren im Polizeidienst weiß ich, wovon ich spreche. In einer Demokratie sollte eine an den Bürgerrechten ausgerichtete Polizei doch eigentlich normal sein. Ich will betonen, dass das dem Selbstverständnis der Polizei entspricht. Was meint man aber damit? Genau an dieser Stelle scheiden sich die Geister.


(Jan Korte (DIE LINKE): Genau!)


Wir sprechen im Parlament ob im Hinblick auf den Haushalt oder die Studie zur Berufszufriedenheit der Polizei intensiv über die sozialen und strukturellen Probleme der Polizei. Wir reden auch darüber, dass Polizisten häufig Opfer von Fehlverhalten werden; auch das wird hier angesprochen. Wir müssen uns aber auch fragen, wie die Polizei mit Bürgerrechten umgeht. Deswegen ist die Anfrage der Grünen wichtig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), zu Abg. Günter Baumann (CDU/CSU) gewandt: Er weiß Bescheid! Anders als Sie! Der Mann ist vom Fach!)


Fakt ist, dass es Fehlverhalten bei Polizisten gibt. Das kann hier keiner leugnen. Wer das thematisiert, dem wird schnell unterstellt, er richte den Generalverdacht gegen alle Polizisten; so hat das zum Beispiel der Kollege Baumann gerade zum Ausdruck gebracht. Das ist falsch. Es gibt eine Vielzahl von Bildern, die Fehlverhalten von Polizisten dokumentieren. Laut Antwort der Bundesregierung sollen diese Bilder ausreichend dazu beitragen, Fehlverhalten von Polizisten zu identifizieren. Das reicht aber nicht aus.

(Günter Baumann (CDU/CSU): Aber keine Vielzahl!)

Doch eine Vielzahl. Wer die Medien verfolgt, weiß, dass es allein aus Stuttgart etliche solcher Bilder gibt.
Trägt ein Polizist im Einsatz einen Helm oder das gibt es auch zusätzlich eine Sturmhaube, dann helfen Fotos allerdings nicht viel. Was Sie dabei völlig außer Acht lassen, ist: Es gibt Fehlverhalten von Polizeibeamten nicht nur in den großen Einsätzen, welche auch im Fernsehen zu sehen sind, sondern auch bei kleinen Einsätzen, im Streifeneinzeldienst, von denen keine Fotos und Videos vorhanden sind.
Die Polizei, das muss uns bewusst sein, handelt im Rahmen einer besonderen Verantwortung. Wenn es Fehlverhalten gibt, müssen Politik und Polizei gemeinsam überlegen, wie dem vorzubeugen ist. Wir müssen garantieren, dass transparent und offen mit diesem Thema umgegangen wird.
Lassen Sie mich den einen Vorschlag, der bereits diskutiert wurde die Kennzeichnungspflicht, aufgreifen. Sie wollen kein Namensschild, weil Sie dadurch die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und das Sicherheitsbedürfnis der Beamten gefährdet sehen.

(Günter Baumann (CDU/CSU): Ja! - Bernhard Kaster (CDU/CSU): Wir haben eine Verantwortung den Polizisten gegenüber!)

Das sind Argumente, die ich akzeptiere und die zumindest in der Diskussion eine Rolle spielen sollten. Allerdings: Eine Alternative wäre die individuelle und anonyme Kennzeichnung. Bei der Landespolizei in Thüringen zum Beispiel, wo vielleicht auch ich irgendwann wieder Dienst tue, könnte meine Kennzeichnung so aussehen: „TH“ für Thüringen, „G“ für die Direktion Gera und „1234“ als individuelles Element. Das wäre einfach, klar erkennbar und ist in Europa absolut normal. Ein solches Modell ließe sich auch für die Bundespolizei finden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Vergleich zu Namensschildern wie „Schmidt“ oder „Müller“ bietet das bei Bedarf eine eindeutige Identifizierung ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Polizeibeamten. Klarnamen kann man übrigens auch unter Richtervorbehalt stellen. Das heißt für diejenigen, die den Begriff „Richtervorbehalt“ nicht kennen , sie werden freigegeben, wenn ein Richter feststellt, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Hinweis auf eine Straftat vorliegt. Insofern ist auch das Argument, das auf den Generalverdacht abstellt, ausgehebelt. In Europa ist die individuelle Kennzeichnung völlig normal.
Sie haben angesprochen, dass ein Polizeibeamter seinen Namen, seine Amtsbezeichnung und seine Dienststelle benennen muss. Genau das funktioniert in der Praxis oft nicht. Gerade wenn ein Fehlverhalten vorliegt, ist die Situation oft unübersichtlich; es kommt auch vor, dass die Nennung des Namens einfach verweigert wird. Wenn dem Bürger die Möglichkeit genommen wird, genau zu sagen, welchen Beamten der Vorwurf trifft, dann kommen viele Anzeigen gar nicht erst zustande. Das ist die Praxis, und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Hinzu kommt: Viele Bürgerinnen und Bürger haben ein ungutes Gefühl, wenn sie sich bei der Polizei über die Polizei zu beschweren. Deswegen ist es auch richtig, über die Schaffung einer Beschwerdestelle oder über eine ähnliche Struktur zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Bernhard Kaster (CDU/CSU): Das ist doch Unsinn! - Günter Baumann (CDU/CSU): Das schafft nur Parallelstrukturen!)


„Diskutieren“ heißt, wir müssen darüber reden, und wir müssen gemeinsam bereit sein, Lösungen zu finden. Wenn wir dazu gemeinsam bereit sind, müssen alle an einen Tisch: die Politik, die Bürgerrechtsbewegungen und vor allen Dingen die Polizeigewerkschaften. Dann muss man Lösungen finden. Aber dazu muss man, wie gesagt, bereit sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jan Korte (DIE LINKE): Das war Sachkenntnis!)