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Ein sozial ausgeglichener Haushalt sieht wahrlich anders aus!

Rede von Barbara Höll,

Rede von Dr. Barbara Höll in der Abschlussdebatte zum Haushalt 2011

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher und Besucherinnen auf der Besuchertribüne, insbesondere aus Mecklenburg-Vorpommern!
(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Gruß an die Heimat!)
Selten ist ein so unausgeglichener Haushalt vorgelegt worden wie dieser. 30,3 Milliarden Euro wollen Sie die nächsten Jahre allein im Sozialbereich kürzen aber nicht bei den Reichen und Vermögenden. Sie finden das alles toll und sind stolz darauf, dass Sie bei den Menschen kürzen, die jeden Cent umdrehen müssen. Wir lehnen das ab.
(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Jeder zweite Euro, Frau Kollegin, für Soziales!)
Sie müssen endlich auch die Verursacher der Finanzkrise heranziehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie machen eines: Sie nutzen die krisenhafte Situation schamlos aus, um die Gesellschaft weiter zu spalten. Das ist verantwortungsloses Handeln. Erst verlängern Sie gegen die Mehrheit der Bevölkerung die Laufzeiten der Atomkraftwerke, kürzen unter anderem bei der beruflichen Bildung, schaffen das Elterngeld für ALG-II-Bezieher ab,
(Zuruf von der FDP: Aber Sie wissen doch, warum!)
streichen den Heizkostenzuschuss beim Wohngeld, schaffen den befristeten Zuschlag beim ALG II ab, und obendrein zocken Sie die Menschen im Gesundheitssystem durch Ihre Kopfpauschale und die Praxisgebühr ab. Das sind rosige Zukunftsaussichten zumindest für Ihre finanzstarken Lobbygruppen, Atomindustrie und Pharmaindustrie!
(Beifall bei der LINKEN)
Zappenduster wird es hingegen bei der Bevölkerung, während Ihre Politik im wahrsten Sinne des Wortes strahlt.
Eine Woche Haushaltsdebatte, viele gute Alternativvorschläge auch von uns, der Linken , aber Sie bleiben stur. Selbst die neueste Steuerschätzung bringt Sie nicht dazu, wenigstens einmal nachzudenken und vielleicht einen Teil der Sozialkürzungen zurückzunehmen; denn das würde das sagte schon mein Vorredner Steffen Bockhahn zu weiteren Belastungen in der Zukunft führen. Nein, das geht nicht. Aber beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz für das Hotel- und Gaststättengewerbe waren Sie ganz schnell. Da sind Sie stur und halten daran fest, obwohl angeblich kein Geld da ist. Hier tut sich Ihr Mantra auf: Wir haben kein Geld und müssen sparen. Dabei beschneiden Sie zugunsten von Einzelinteressen die Lebensqualität und die Lebensperspektiven von Millionen Menschen. Auch die Kommunen lassen Sie am ausgestreckten Arm verhungern. Aber genau dort spielt sich das Leben der meisten Menschen ab.
(Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Da kommen die nie hin!)
Statt über eine gerechte Steuer- und Ausgabenpolitik nachzudenken, bedienen Sie eben nur die Interessen von starken Lobbygruppen und führen dann noch eine Steuerdiskussion, die völlig sinnlos ist. Aber nutzt dies der Mehrzahl der Menschen? Nein, insbesondere denen nicht, die auch aufgrund Ihrer Politik zu Minilöhnen arbeiten und trotz Arbeit zum Amt gehen müssen, um ihre Löhne aufzustocken.
Die Linke fordert einen Mindestlohn. In 20 von 27 EU-Ländern existiert dieser, ohne dass es zum Verlust von Arbeitsplätzen kam.
(Beifall bei der LINKEN)
Viele Probleme könnten gelöst sein. Ein Mindestlohn hätte auch positive finanzielle Auswirkungen. Allein 2009 wurden 11 Milliarden Euro Steuergelder verbraten, um Löhne aufzustocken. Sie laden die Unternehmen förmlich dazu ein, Hungerlöhne zu zahlen. Für uns ist es vor allem eine Frage der Würde, Mindestlöhne zu zahlen, damit die Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können. Aber Ihnen ist das völlig egal.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit treiben Sie die Spaltung der Gesellschaft immer weiter voran.
Sie wissen, dass im Jahre 2008 jeder sechste Haushalt ein Drittel dieser Gruppe sind Alleinerziehende von Armut bedroht war und dass derzeit 1,4 Millionen Menschen 1,4 Millionen! ihre Löhne aufstocken müssen, da diese zum Leben nicht reichen. Sie wissen auch, dass gleichzeitig die Anzahl der Vermögensmillionäre wieder rasant nach oben geschnellt ist, und zwar von 809 700 im Jahr 2008 auf 861 500 im Jahr 2009 . All das wissen Sie. Aber Sie handeln nicht. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie wollen es einfach nicht. Geld ist genug da. Sie müssten genau hinschauen und handeln.
(Beifall bei der LINKEN)
Während Sie den Verursachern der Krise flugs einen Rettungsschirm von 480 Milliarden Euro aufgespannt haben und schon wieder dicke Boni wie eh und je gezahlt werden, Spekulanten so weitermachen wie zuvor, lassen Sie nur die Bürgerinnen und Bürger blechen. Wir würden uns wünschen, dass Sie einmal willens wären, innerhalb einer Woche Milliarden auch für Kitaplätze, für Kommunen und für Programme zur sozialen Stadtentwicklung zur Verfügung zu stellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Durch die Bankenabgabe, als Krisenvorsorge gedacht, wollen Sie nur 1,2 Milliarden Euro jährlich einnehmen. Danach darf die nächste Krise erst in 70 bis 150 Jahren kommen. Nein, sie wird eher kommen. Dann werden wieder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Bürgerinnen und Bürger blechen müssen. Es muss Schluss sein mit Ihrer Politik „Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren“.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen endlich ein tragfähiges Steuerkonzept. Wer einen zukunftsfähigen Haushalt aufstellen will, muss sich der weiteren Spaltung der Gesellschaft entgegenstellen. Das verlangt Umverteilung auch in der Einnahmepolitik. Es kann nicht angehen, dass Sie weiterhin die Auffassung vertreten: „Wir holen uns das Geld von der Masse der Bevölkerung“ Rentnerinnen und Rentnern, Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, Arbeitslosen, Familien, Alleinerziehenden , um dann wenige mit Gold zu füttern. Ich zeige Ihnen nochmals alternative Finanzierungsquellen auf. Allein die Finanztransaktionsteuer, die dazu dient, die Finanzmärkte zu regulieren, würde 27 Milliarden Euro einbringen. Eine große Summe! Erheben Sie endlich wieder eine Vermögensteuer! Über die Größenordnung können wir uns gerne streiten. Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch: 1 Millionen Euro als Freibetrag und dann eine ordentliche Besteuerung in Höhe von 5 Prozent.
(Beifall bei der LINKEN)
Zur Atomkraft. Wir sind strikt gegen die Verlängerung der Laufzeiten. Wir fordern von Ihnen: Schöpfen Sie endlich die Extragewinne der Energiekonzerne ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Erheben Sie eine Steuer auf die Sondergewinne aus dem Emissionshandel. Allein das bringt Einnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro. Eine Sondersteuer für Atomkraftwerke ergibt 2,2 Milliarden Euro, eine Steuer auf die Sondergewinne aus dem Emissionshandel für fossile Kraftwerke 1,4 Milliarden Euro. Die Möglichkeiten sind vorhanden. Sie könnten tätig werden.
Wir haben Ihnen darüber hinaus eine sozial gerechte Einkommensteuerreform vorgeschlagen, und zwar eine finanzierbare Einkommensteuerreform, die tatsächlich diejenigen entlastet, die es verdient haben, nämlich die Personen mit einem zu versteuernden Einkommen bis 70 245 Euro. Die werden nach unserem Konzept entlastet. Natürlich werden die Personen mit einem Einkommen oberhalb dieser Grenze belastet. Das ist klar; denn die Reform muss bezahlt werden. Aber sie ist möglich.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch ein letzter Gedanke. Es ist wahrlich ein Skandal, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Steuervollzug nicht ordentlich kontrolliert wird. Dadurch gehen jährlich bis zu 30 Milliarden Euro verloren. Ein einziger Betriebsprüfer erwirtschaftete im Jahr 2009 im Schnitt 1,4 Millionen Euro an Steuernachzahlungen. Werden Sie endlich gemeinsam mit den Ländern aktiv.
Allein diese Vorschläge würden über 50 Milliarden Euro einbringen. Werden Sie endlich aktiv, wenn Sie den sozialen Frieden nicht gefährden wollen. Ändern Sie Ihre Politik grundlegend. Schauen Sie nach Stuttgart, schauen Sie ins Wendland. Die Bevölkerung ist Ihre Politik leid. Korrigieren Sie Ihre Fehlentscheidungen des Herbstes, damit es in diesem Land tatsächlich vorwärts geht.
(Beifall bei der LINKEN)