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Ein Haushalt ohne tragfähiges Bildungskonzept

Rede von Michael Leutert,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Bildungspolitik ist ja eines der Herzstücke Ihrer Politik. Sie rühmen sich immer, dass trotz Krise und trotz Schuldenbremse bei Bildung nicht gespart werde. Man muss deutlich sagen: Das stimmt so nicht. Sie machen der Öffentlichkeit etwas vor. Es ist ein reines Luftschloss, was hier aufgebaut wird. Das möchte ich auch gerne aufzeigen, und zwar an den drei Beispielen: dass Ihr Ministerium ohne Konzepte arbeitet, dass, wenn agiert wird, ein heilloses Durcheinander herrscht und dass es sich, wenn Sie sich an irgendetwas festbeißen, um die falschen Projekte handelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Erster Punkt: Konzeptionslosigkeit. Sie haben im Koalitionsvertrag die sogenannten lokalen Bildungsbündnisse festgeschrieben. Kindern zwischen fünf und zehn Jahren, die potenziell von Bildungsarmut betroffen sind, sollte geholfen werden, unseres Erachtens mit fragwürdigen Methoden, mit sogenannten Bildungsschecks, aber immerhin! Mit großem Pomp wurde das angekündigt und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 1,67 Milliarden Euro in den letzten Haushalt eingebracht. Wir haben schon damals ein Konzept dafür verlangt. Selbst im Sommer dieses Jahres hat es noch nicht vorgelegen. Es gab nur die Auskunft: Es wird am Konzept gearbeitet. - Das war selbst der Koalition zu viel, und 1,55 Milliarden Euro wurden gesperrt. Das gilt bis heute.

(Ulrike Flach (FDP): Wir sind eben ehrlich!)

So sieht die Realität aus. Im neuen Haushalt findet sich der Begriff „lokale Bildungsbündnisse“ überhaupt nicht mehr, obwohl es als zentrales Projekt im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden ist.
Zweiter Punkt: Zukunftskonten. Dieses Bildungssparen, wie es auch genannt wurde, war groß angekündigt. Auch hierfür wurde ein Konzept eingefordert. Nicht einmal eine DIN-A4-Seite haben wir bekommen. Es hieß nur, es solle analog zum Bausparvertrag bei einem Immobilienerwerb behandelt werden. Im Haushalt 2010 waren 5 Millionen Euro zur Erarbeitung eines Konzeptes vorgesehen. Diese Zukunftskonten finden sich im neuen Haushaltsentwurf nicht mehr. Das begrüßen wir Linken natürlich, weil wir das eh von Anfang an für ein falsches Projekt gehalten haben.
Dritter Punkt: Weiterbildungsallianzen. Gleiches Thema, gleiches Problem. Angekündigt, kein Konzept, gestrichen.
Mit diesem Arbeitsstil, Frau Ministerin das muss man Ihnen lassen , wären Sie eine hervorragende Finanzministerin. Allerdings spricht dagegen das Chaos, was bei einigen Projekten herrscht.

Das Herzstück Ihrer Bildungsankündigungen ist ja das 12-Milliarden-Euro-Programm: Es sollen 6 Milliarden Euro zu gleichen Teilen in Bildung und Forschung über mehrere Jahre verteilt investiert werden. Der Vergleichsmaßstab ist der erste Regierungsentwurf für den Haushalt 2010, noch von der Großen Koalition aufgestellt. Wir haben in den diesjährigen Haushaltsverhandlungen einen Bericht mit titelscharfer Darstellung angefordert. Diesen haben wir dann auch zur Bereinigungssitzung bekommen. Leider waren keine Vergleichszahlen enthalten.
Wenn man sich aber einmal stichprobenartig die Vergleichszahlen zum Titel „Weiterbildung und Lebenslanges Lernen“ heraussucht, stellt man fest, dass im Regierungsentwurf 2010 37 Millionen Euro standen. Sie haben angekündigt, dass für das Jahr 2010 zusätzlich, also on top, 12,5 Millionen Euro und für das Jahr 2011 zusätzlich 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass im Haushaltsentwurf 2011 40 Millionen Euro veranschlagt sein müssen. In den Haushalt 2010 hätten 50 Millionen Euro eingestellt sein müssen. Im Haushalt 2010 waren aber nur 44 Millionen Euro veranschlagt, und im Haushaltsentwurf 2011 sind lediglich 35 Millionen Euro eingeplant. Das sind sage und schreibe 3,5 Millionen Euro weniger, als 2009 abgeflossen sind. So sieht es mit dem 12-Milliarden-Euro-Programm aus, wenn man in die Tiefe geht: Letztendlich werden nicht mehr, sondern weniger Mittel zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt sind die falschen Prioritäten. Ich spreche hier ein bestimmtes Programm an, das eben schon erwähnt worden ist; es ist Gott sei Dank fast beerdigt. Statt das BAföG zu erhöhen und den Studierenden, die aus einkommensschwachen Schichten kommen, so zu ermöglichen, zu studieren, wollten Sie das nationale Stipendienprogramm installieren,

(Patrick Meinhardt (FDP): Wir haben es installiert!)

das ebenfalls zur Hälfte von Wirtschaft und Staat getragen werden sollte. Zielgröße sind 160 000 Studierende. Für sie sind 240 Millionen Euro, ebenfalls als Verpflichtungsermächtigung, vorgesehen. Eingestellt davon sind lediglich 10 Millionen Euro. Wie bereits angesprochen wurde, könnten mit diesem Geld maximal 6000 Studierende gefördert werden.

(Ulrike Flach (FDP): 10 000 Studierende!)

Man bräuchte also 15 Jahre oder länger, um die Zielgröße von 160 000 Studierenden zu erreichen.
Fast alle Experten haben gesagt: Das ist hinausgeworfenes Geld, schon aus dem Grunde, weil dadurch diejenigen Studierenden gefördert werden, die auf dieses Geld im Zweifelsfall überhaupt nicht angewiesen sind. Deshalb haben wir es abgelehnt. Mittlerweile ist die Lage so schlimm, dass Sie von den im Haushalt veranschlagten 10 Millionen Euro Geld abzweigen müssen, um die Unis und die Fachhochschulen darin zu schulen, wie sie Spenden eintreiben können.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist ein Skandal!)

Selbst dort hält sich der Andrang in Grenzen, wie man der Zeitung entnehmen kann.

(Patrick Meinhardt (FDP): Das werden wir sehen! - Uwe Schummer (CDU/CSU): Wartet erst mal ab!)

Frau Schavan, liebe Kollegen von der Koalition, ich kann Sie nur auffordern: Beerdigen Sie dieses Programm ebenfalls! Ich meine, ob ein angekündigtes Programm mehr oder weniger beerdigt wird, darauf kommt es hier nicht mehr an.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich schlage Ihnen vor: Kümmern Sie sich um die wirklich wichtigen Sachen; sie sind heute hier schon angesprochen worden. Dazu gehört die Knappheit an Studienplätzen. Wir haben das Problem, dass durch die Aussetzung der Wehrpflicht mehr Menschen an die Universitäten und an die anderen Hochschulen gehen werden. Wir haben das Problem der Masterstudiengänge. Es gibt mittlerweile Menschen, die sich in Masterstudiengänge einklagen, und zwar erfolgreich, was ich hervorragend finde.

(Beifall der Abg. Nicole Gohlke (DIE LINKE))

Kümmern Sie sich um diese Dinge! Wenn das geschehen ist und Sie realitätstaugliche Konzepte vorgelegt haben, dann kann man darüber sprechen, ob man so einem Haushalt eventuell zustimmt. Solange aber keine realisierbaren Konzepte vorgelegt werden, können wir den Haushalt nur ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)