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Ein Haushalt moderner Sicherheitspolitik sieht anders aus!

Rede von Roland Claus,

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die höchsten Zugewinne im Verlauf der Haushaltsberatungen dieses Jahres teilen sich Frau von der Leyen und Herr de Maizière; das sind wirklich „adelige“ Zugewinne.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das hat ja auch Gründe!)

Ich bin mir sicher, dass nach mir der Kollege Reinhard Brandl das in aller Ausführlichkeit darstellen wird.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Ja! – Michaela Noll [CDU/CSU]: Und erklären!)

Wir nehmen wahr: Die Union setzt im Bundestagswahlkampf offenbar voll auf Sicherheitspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Ist ja nicht verkehrt, oder?)

Das ist zunächst ja auch Ihr gutes Recht. Wir müssen Sie nur darauf hinweisen: Der Bundeshaushalt ist nicht die Wahlkampfkasse der Union. Das muss man hier einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um auch das klarzustellen: Auch für die Linke ist öffentliche Sicherheit in Zeiten wachsender Bedrohungen ein hohes und schützenswertes Gut. Deshalb haben wir im Haushaltsausschuss einer riesengroßen Zahl einzelner Anträge zugestimmt. Der Unterschied ist: Wir setzen auf die Stärkung der staatlichen und der zivilgesellschaftlichen Strukturen, und Sie setzen auf die Einschränkung von Freiheitsrechten und auf staatlichen Druck.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michaela Noll [CDU/CSU]: Kompletter Unsinn!)

Insofern sind wir der Auffassung, dass Sie wirklich nichts gelernt haben nach 9/11, aus dem 11. September 2001 und der Zeit danach. Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheitsbeschränkungen als Mittel der Innenpolitik sind ein Weiter-so in einer geopolitischen Sackgasse. Lassen Sie sich das gesagt sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Viel Geld und viel mehr Stellen für neues Personal sind im Einzelplan des Bundesinnenministeriums vorgesehen. Aber auch sehr viel mehr Geld für eine falsche Sicherheitspolitik ist keine Lösung. Wir hätten uns gewünscht – ich habe das bereits im Zusammenhang mit dem Etat des Justizministeriums angesprochen –, dass dieses gigantische Sicherheitspaket, das in den Haushaltsberatungen ja noch einmal aufgestockt wurde, eine Entsprechung gefunden hätte in einem Rechtssicherheits­paket, das wir im Etat des Justizministeriums hätten verankern können. Leider Fehlanzeige!

Inmitten der Haushaltsberatungen gab es ein bedeutendes Ereignis, über das wir auch gesprochen haben. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde in Magdeburg eine Einrichtung der Bundespolizei von Neonazis überfallen, um einen inhaftierten Kumpanen irgendwie herauszuholen. Darüber haben wir diskutiert. Es gab entsprechende Meldungen. Bis heute kenne ich aber weder Ermittlungsergebnisse noch Urteile. Hier sind, finde ich, Polizei und Justiz wirklich erheblich gefordert. Ich wünschte mir, hierzu bald Erkenntnisse und Ergebnisse zu sehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich entstehen durch den enorm aufgewachsenen Sicherheitsapparat auf der Bundesebene auch Probleme, da er nur schwer mit den Konzepten bei den Ländern zusammenpasst. In der Innenministerkonferenz hat es offenbar wenig bis keine Abstimmung dazu gegeben. Wir freuen uns natürlich über jede Höherbewertung von Stellen in der Bundespolizei; aber wir wissen auch, dass dadurch eine Konkurrenz um Bewerber entsteht, bei der die Länder nicht werden mithalten können. Auch das müssen wir hier ansprechen.

Beim Bundeskriminalamt erleben wir gar einen Aufwuchs um 25 Prozent. Da ist einiges Sinnvolles dabei, was unsere Zustimmung gefunden hat. Sie setzen aber stark auf die sogenannte TKÜ, die Telekommunikationsüberwachung, zu Deutsch: auf Abhören. Das findet unsere Zustimmung natürlich nicht.

Wenig Fürsorge wurde gezeigt für die zivilen Sicherheitsbehörden, für das Technische Hilfswerk und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Hier musste der Haushaltsausschuss korrigierend eingreifen; das hat er dann auch getan.

Viel mehr Geld wird für den Verfassungsschutz und andere Geheimdienste vorgesehen. Als hätten Sie die Rolle des Verfassungsschutzes beim Agieren des Nationalsozialistischen Untergrundes schon vergessen und als hätten Sie vergessen, welches Maß an Versagen beim Verfassungsschutz, auch bei der Aufklärung der Untaten des NSU, zu verzeichnen war – es sei denn, das Versagen war Ihr Plan.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Böse, böse!)

Herr Bundesminister, Sie sollen ja auch Integrationsminister sein. Als ich die Schlagzeile las, dass auf dem Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach Afrika zurückgebracht werden sollen, und nicht gleich die Quelle entdeckt habe, dachte ich zunächst: „Was hat sich der Trump in Amerika da wieder ausgedacht?“, um dann feststellen zu müssen: Es war der Bundesinnenminister. Ich finde das wirklich zynisch und beschämend.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, wir behandeln zum ersten Mal den Haushalt der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die Linke wird diesem Etat zustimmen. Wir wollen der Bundesbeauftragten auch dadurch hilfreich zur Seite stehen, dass wir einen Antrag einbringen, den Dienstsitz doch nicht in Bonn, sondern hier in Berlin, wo in der Bundespolitik die Musik spielt, einzurichten. Wir wissen, dass es gesetzlich so geregelt ist. Aber es ist ja unser Job, unser ureigener Job, schlechte Gesetze dort, wo sie schlecht sind, nachzubessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke steht für mehr und bessere öffentliche Sicherheit. Mit diesem Haushalt bekommt das Bundesinnenministerium viel mehr Geld und Deutschland weniger zukunftsfähige öffentliche Sicherheit. Das ist ein Haushalt von gestern. Ein Haushalt im Sinne moderner Sicherheitspolitik sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)