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Ein Haushalt, der mit der Realität nichts zu tun hat

Rede von Michael Leutert,

Rede zum Etat 2015 des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister!

 Es ist das nach dem Einzelplan des Auswärtigen Amts und dem Einzelplan des Verteidigungsministeriums der dritte Einzelplan mit internationalem Bezug, den wir heute hier besprechen. Ich weiß jetzt nicht genau, wer sich die Reihenfolge ausgedacht hat; ich weiß auch nicht genau, ob das etwas mit der Wertigkeit, mit der Wichtigkeit der Ministerien zu tun hat. Ich weiß allerdings, dass wir bei der Verteilung der Gelder genau umgekehrt verfahren sollten: Wir sollten zuerst so viel Geld zur Verfügung stellen, bis wir 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit erreicht haben, und dann das, was übrig bleibt, an die anderen Ministerien verteilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur dieses Verfahren garantiert, dass endlich unser Versprechen auf internationaler Ebene, mehr für die Ärmsten auf der Welt zu tun, eingelöst werden kann. Immerhin schaffen es fünf europäische Länder, ihre Verpflichtung einzuhalten: Schweden, Norwegen und Luxemburg - diese drei liegen im Übrigen mit 1 Prozent weit über der festgelegten Zahl von 0,7 Prozent - sowie Dänemark und Großbritannien. Da ist die Frage im Raum, warum wir das nicht schaffen.

 Unabhängig von diesen zentralen Problemen muss ich Ihnen zugestehen, Herr Minister: Sie machen es einem als Oppositionspolitiker nicht ganz einfach. Sie sprechen die richtigen Probleme an: Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren, eine Welt ohne Hunger. Sie haben dazu Sonderinitiativen initiiert. Sie setzen auch die richtigen Akzente, nämlich dass wir uns ändern müssen, hier in Europa, in Deutschland, um so auch helfen zu können. Ich erinnere da an den Vorschlag zum Textilsiegel. Das ist ganz im Sinne von „global denken, lokal handeln“.

Sie verbinden das auch mit Methoden, die bei der Linken Zuspruch finden, indem zum Beispiel bei der Erarbeitung der Zukunftscharta, die diese Woche vorgestellt wurde, die Zivilgesellschaft mit eingebunden wurde. In der Zukunftscharta wird der zentrale Kritikpunkt ebenfalls angesprochen. Ich zitiere:

„Diese nur langfristig zu verwirklichenden Ziele erfordern Geduld und den Einsatz von deutlich mehr Ressourcen.“

Wir haben hier also einen Minister, der die richtigen Dinge anspricht, die richtigen Akzente setzt, die richtigen Methoden wählt und auch noch Dokumente produziert, in denen mehr Geld verlangt wird. Entsprechend unseren internationalen Verpflichtungen müssten wir circa 10 Milliarden Euro mehr für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Aber all dies nutzt nichts. Hier soll ein Haushalt verabschiedet werden, der mit der Realität nichts zu tun hat, ein Haushalt eben, der nicht mehr Ressourcen zur Verfügung stellt, obwohl allen klar ist, dass dies falsch ist.

 Lassen Sie mich das bitte an einem ganz konkreten Beispiel verdeutlichen. Das Auswärtige Amt hat in einem Brief an uns Haushälter mit alarmierenden Worten auf die Flüchtlingsproblematik hingewiesen. Ich habe ihn heute schon bei der Beratung des Einzelplans des Auswärtigen Amtes zitiert. Aber er ist so gut, dass man ihn noch einmal zitieren kann. Es haben das ja noch nicht alle gehört.

(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Wir haben alle zugehört!)

- Er ist so gut, dass man ihn zweimal zitieren kann. Ich zitiere:

„Wir sind Zeugen der schlimmsten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. … Momentan kann auch Menschen in existenzieller Not nicht ausreichend geholfen werden! … Deutschland fällt hinter andere Geberländer zurück. … Bereits 2014 befinden wir uns in einem Feld mit Geberländern, die erheblich kleinere Bevölkerungen und Volkswirtschaften haben als wir (z.B. Norwegen, Schweden, Schweiz, Kanada).“

Mit diesen Brief konnte der Außenminister Steinmeier in letzter Sekunde die Kürzung der Mittel für humanitäre Hilfe verhindern. Er hat nun   wie im Jahr 2014 auch   wiederum 400 Millionen Euro zur Verfügung.

Nun ist das Auswärtige Amt aber nur für die sogenannte erste Hilfe zuständig, also  um es etwas salopp auszudrücken für Decken, Zelte und die warme Mahlzeit. Danach sind Sie als Minister des BMZ dran. Es geht also um die mittelfristige Unterstützung und Hilfe. Es geht um medizinische Versorgung. Es geht um Bildung. Ja, es geht auch um die Müllentsorgung. Die Flüchtlingslager sind ja mittlerweile zu Städten angewachsen. Dafür stehen beim BMZ allerdings nur 139 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist unlogisch. Wenn man mit 400 Millionen Euro für Zehntausende Flüchtlinge humanitäre Hilfe leistet, dann muss sich das doch auch in Ihrem Haushalt an entsprechender Stelle widerspiegeln;

 (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 denn die Flüchtlinge sind ja nach der Erstversorgung immer noch da.

Diese Diskrepanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ausgleichen. Wir haben keine andere Wahl. Die Realität wird uns dazu zwingen. Wenn wir es heute nicht machen, werden wir in den nächsten Monaten zusammensitzen und überplanmäßige Ausgaben beschließen.

 Wir bzw. Sie alle haben allerdings am Freitag dieser Woche noch einmal die Chance, den Änderungsanträgen der Linken zuzustimmen. Gemessen an den Aufgaben und Forderungen, die im Raum stehen, sind es moderate Änderungsvorschläge. Wir wollen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit von 6,5 auf 8 Milliarden Euro anheben. Wir wollen explizit mehr Mittel für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Wir wollen mit diesen Anträgen aber auch dem Ziel, 0,7 Prozent unseres Bruttoinationaleinkommen für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, endlich einen Schritt näherkommen. Wir laden Sie gern ein, dabei mitzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)