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Ein grundlegender Politikwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik ist vonnöten

Rede von Paul Schäfer,

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE.):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Erforderlich wäre ein Weißbuch gewesen, das nicht dekretiert, sondern eine offenere sicherheitspolitische Debatte ermöglicht und das einen neuen Denkansatz zu den sicherheitspolitischen Entwicklungen enthält, also ein Weißbuch, das innovativ ist und mit der Politik des „Weiter so“ Schluss macht. Aber Sie halten an der ungerechten Wehrpflicht, der nuklearen Teilhabe, die niemand mehr braucht, und an einem Mehr an Auslandseinsätzen fest, deren Ende nicht mehr absehbar ist. Auch die Entgrenzung des Militärischen nach innen ist keine neue Idee. Das ist seit jeher falsch.

Offensichtlich ist ein grundlegender Politikwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik vonnöten. Aber das geht mit dem vorgelegten Weißbuch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Weißbuch steht: Der internationale Terrorismus ist die zentrale Herausforderung. Vor kurzem wurde nach fünf Jahren Antiterrorkrieg Bilanz in der Weltöffentlichkeit gezogen. Der Tenor ist einheitlich: Die Welt ist durch den Antiterrorkrieg nicht sicherer, sondern unsicherer geworden. Es gibt nicht weniger Gewalt, sondern mehr Gewalt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist Fakt. Das bezieht sich in sehr starkem Maße auf den Irakkrieg, dessen Auswirkungen auf Afghanistan, den Iran und die ganze Region Sie noch immer systematisch verdrängen. Sie sagen die einen sagen das überzeugter als die anderen : Wir haben nicht mitgemacht. Aber das stimmt nicht. Deutschland war eine wichtige Drehscheibe, als es darum ging, diesen Krieg zu führen. Wir haben Kompensationsleistungen erbracht, um die USA zu entlasten, damit sie diesen Krieg führen können.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Unser Ausgangspunkt für eine Neubestimmung der deutschen Sicherheitspolitik ist daher: Keine Beteiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, weder unmittelbar noch mittelbar!

(Beifall bei der LINKEN)

Unser Schluss aus dem einheitlichen Tenor ist, dass wir aus dem militärisch geführten „war on terrorism“ endlich aussteigen müssen, uns davon abkoppeln müssen. Wenn ich an die KSK-Einsätze denke, dann komme ich zu dem Schluss, dass wir darin offenkundig mehr verstrickt waren als bislang bekannt. Nun droht in Afghanistan eine weitere Verstrickung. Es ist deshalb an der Zeit, die deutsche Beteiligung an „Enduring Freedom“ und „Active Endeavour“ aufzukündigen, wenn wir mehr für unsere Sicherheit tun wollen. Wir müssen uns endlich darauf konzentrieren, den Nährboden des Terrorismus trocken zu legen. Erst dann reden wir beispielsweise über Armutsbekämpfung und eine friedliche Lösung des Palästinakonflikts.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt des Weißbuchs ist: Die NATO ist der stärkste Anker der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, also NATO first.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Genau!)

Reden wir doch nicht darum herum: Mag es auch Vorstöße wie den von der Kanzlerin in München geben, die NATO bleibt primär ein militärisches Bündnis, das von den USA dominiert wird. Sicherlich kann man der Auffassung sein, dass sie als Verteidigungsgemeinschaft gebraucht wird. Dann hätte sie erhebliches Abrüstungspotenzial. Aber als Weltpolizist wird sie nicht gebraucht. Für uns gilt: UNO first!

(Beifall bei der LINKEN)

Die UNO ist für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zuständig und muss vor allem internationale Entwicklungszusammenarbeit leisten. Wir wollen sie daher stärken.
Mit der wachsenden terroristischen Bedrohung wird begründet, warum die Bundeswehr neue Aufgaben im Innern übernehmen soll. Aber statt fatalistisch von einer wachsenden Bedrohung zu reden, muss sich die Außen- und Sicherheitspolitik daran orientieren, die Gefahren und Risiken dort zu minimieren, wo sie entstehen. Darauf haben Sie in Ihrer Rede ebenfalls hingewiesen, Herr Minister Jung. Aber Ihr nächster Satz lautete ich bitte, das nachzulesen : Deswegen sind die Militäreinsätze so wichtig. Das ist doch genau das Denken, das in die falsche Richtung führt. Wir sagen: Wir brauchen ein Umdenken. Hier muss über verstärkte Entwicklungszusammenarbeit geredet werden, über eine gerechtere Ressourcenverteilung und über den Stopp von Rüstungsexporten, weil auch der diese Konflikte anheizt. Das wäre sinnvoller.
Was das Luftsicherheitsgesetz und die Änderung des Grundgesetzes angeht, die Sie in Aussicht nehmen, gilt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Leben-gegen-Leben-Abwägung ist nicht statthaft. Es bleibt in der Verantwortung des Einzelnen, der in der Notwehrsituation ist, zu handeln. Die kann ihm niemand abnehmen. Deshalb werden wir diese Änderung nicht mittragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Punkt zu Terror- und Massenvernichtungswaffen. Eine Expertengruppe unter dem renommierten Diplomaten Hans Blix hat von Weapons of Terror, Terrorwaffen, gesprochen. Atombomben sind Terrorwaffen. Wenn man also den Terrorismus bekämpfen will, dann muss man endlich alles tun, um die Terrorwaffen loszuwerden. Was macht die Bundesregierung? Sie hält an der nuklearen Teilhabe fest. Es wäre an der Zeit, dass Sie die USA zum raschen Abzug dieser Atombomben aus der Bundesrepublik Deutschland drängen, dass Sie sich für eine atomwaffenfreie Zone in Europa stark machen und dass Sie die Tornadostaffel, die diese Atomwaffen transportieren soll, endlich auflösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzter Gedanke: Sie sagen, die erweiterte Sicherheit, die Sie proklamieren, sei eine Form der Entmilitarisierung. Wenn man das Weißbuch liest, dann stellt man fest, dass es eine Generalklausel geworden ist, um umfassende Gestaltungsansprüche mithilfe von Streitkräften durchsetzen zu können. Deshalb sagen Sie auch an erster Stelle: Streitkräfte sind zur Sicherung unserer außenpolitischen Handlungsfähigkeit nötig. Das steht da so. Wir haben an der Stelle ein ganz anderes Konzept. Wir wollen eine friedlich ausgerichtete Außenpolitik, die tatsächlich auf Entmilitarisierung und Zivilisierung der internationalen Beziehungen setzt.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)