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Doris Achelwilm: Eine geschlechtergerechte Krisen- und Zukunftspolitik ist nötig

Rede von Doris Achelwilm,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer/-innen! Für Frauen kommt in dieser Krise einiges zusammen. Es hat sich gezeigt, dass alles Mögliche zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt ist und dass sich diese Ungleichheiten rapide verschärfen. Aufgrund der Kita- und Schulschließungen wurden Aufgaben zu Hause umverteilt, ausgerechnet an die Mütter. Männer holen als Erziehende zwar auf, trotzdem nahm der Stundenaufwand bei Frauen viel mehr zu, ob aus Gewohnheit oder eben einkommenspragmatisch. Diese Schieflage ist nicht länger hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dass eine Abwägung in der Familie, wer jetzt für das Homeschooling und dergleichen mehr beruflich zurücksteckt, oft zulasten von Frauen getroffen wurde, hat unter anderem mit dem Ehegattensplitting zu tun. Ich finde hier die Frage ganz interessant, ob Sie, liebe Kollegen von der Union, sich persönlich auf diesen Deal einlassen würden, als Beitrag zum Haushaltseinkommen schlechtere eigene Einkommen und Renten zu akzeptieren. Wenn nicht, sollten Sie endlich schärfer darüber nachdenken, ob Ihr Ehegattensplitting noch aufrechtzuerhalten ist. Wir sagen als Linke: Diese Fallstricke für Frauen müssen abgeräumt werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass das auf so vielen Ebenen nicht längst passiert ist, rächt sich gerade in Krisen. Der Gender Pay Gap, also die Einkommenslücke, die mit viel Mühe und Not langsam kleiner wurde, wird aktuell wieder größer, der Gender Care Gap, die Lücke beim Aufwand für Pflege, sowieso. Dagegen müssen Sie doch Signale für echte Lohngerechtigkeit setzen statt auf ein wirkungsloses Entgelttransparenzgesetz. Wir brauchen einen höheren Mindestlohn, verbesserte Tarifbindung und ein Kurzarbeitergeld, das steuerklassenbedingte Nachteile erst mal ausgleicht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie tun es nicht trotz aller Mahnungen. Das muss im Vorfeld des Frauentages am 8. März hier deutlich thematisiert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht in dieser Debatte auch um Grundlegendes, zum Beispiel darum, was bei der Gesundheitsversorgung schiefläuft, eben weil Wachstum und Profite massiv davon abhängen, dass Pflege und andere Dienste am Menschen so wenig wie möglich kosten. Wenn systemrelevant ist, dass die Arbeiten und Notwendigkeiten, die Frauen zugedacht sind, nämlich das Kümmern um Menschen, möglichst billig zur Verfügung stehen sollen, dann hat dieses System ein Problem.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen die Pflege aufwerten. Wir brauchen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Daran geht überhaupt kein Weg vorbei. Wir müssen darauf hören, was diese Krise uns für die Zukunft sagt, nämlich dass wir alle abhängig sind, dass das ganze Leben und Wirtschaften auf dem Prüfstand steht und dass wir die menschliche Sorge darum viel höher bewerten müssen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Berichts- und Forschungslage ist, was diese – ich zitiere – „Krise der Frauen“ und die „Bühne des Patriarchats“ anbelangt, seit Monaten glasklar. Die Härten der Covid-19-Krise treffen Frauen auf zahllosen Ebenen heftiger. Es reicht nicht, Geschlechterfragen in der Krisenpolitik nur symbolisch als Bonus mitzudenken. Machen Sie Frauen und ihre Lebenslagen endlich zum Subjekt der Politik.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Um es ganz klar zu sagen: Alle, die es brauchen, verdienen in dieser Situation konkrete Aufmerksamkeit und Hilfe, Frauen und ihre Lebenslagen besonders, weil sie durch das Raster fallen, immer wieder zweitrangig vorkommen und je nach Besitz, Einkommen und Bildungs- oder Migrationsstatus noch weiter zurückgestuft werden. Die nachteiligen Folgen treffen auch Kinder, Familien, die ganze Gesellschaft, und das ist nicht länger akzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung kennt diese Zusammenhänge. Es gibt umfassende Berichte, Veranstaltungen zum Thema; es ist alles da. Sie muss aber den Willen zeigen, ressortübergreifend gegen diese Situation anzugehen. Es braucht eine wirklich umfassende Strategie, die richtig was kann. Vorschläge haben wir im Antrag deutlich gemacht: geschlechtergerecht aufgestellte Etats, Hilfs- und Konjunkturpakete, Lohnstrukturen, Maßnahmen zur paritätischen Verteilung von Sorgearbeit, Pläne gegen die ganzen Gerechtigkeitslücken und für eine Zukunft, die besser ist als diese Normalität. Der Zeitpunkt dafür ist bei allen Baustellen jetzt.

(Beifall bei der LINKEN)