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Diskriminierenden Ausschluss von Sozialleistungen abschaffen

Rede von Ulla Jelpke,

Rede zu TOP 18 der 84. Sitzung des 17. Deutschen BundestagesAntrag der Fraktion DIE LINKE „Menschenwürdiges Existenzminimum für alle – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen“

DIE LINKE hat dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, mit dem die Fraktion die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes fordert. Der Antrag ist eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der so genannten Hartz IV-Sätze. Das Gericht hat in seinem aufsehenerregenden Urteil unterstrichen, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums universale Gültigkeit besitzt. Damit gilt es auch für Asylbewerber und andere Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, die bislang unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Das Verfassungsgericht hat außerdem die Anforderung aufgestellt, dass dieses Existenzminimum auf Grundlage realitätsnaher, transparenter und nachvollziehbarer Kriterien berechnet werden muss.

Beides trifft auf das Asylbewerberleistungsgesetz nicht zu. Weder wird ein menschenwürdiges Existenzminimum gewahrt, noch liegen den Leistungssätzen nachvollziehbare Kriterien zugrunde. Sie sind schlicht und ergreifend politisch festgelegt worden, ohne Rücksicht auf die realen Bedürfnisse der betroffenen Asylbewerber, geduldeten Ausländer und Flüchtlinge. Die pauschalierte Festlegung der Leistungssätze steht in klarem Widerspruch zum genannten „Hartz IV-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts. Dies musste mittlerweile auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE einräumen.

Mit der Einführung des Asylbewerberleistungsgesetz wurden die Sätze der so genannten Grundleistungen im Gesetz festgelegt und seitdem nicht der Preisentwicklung angepasst. Sie liegen damit mittlerweile über 30 Prozent unter den Hartz IV-Sätzen. Die Bezugsdauer der abgesenkten Sozialleistungen wurde von zunächst einem Jahr schrittweise auf mittlerweile vier Jahre ausgedehnt. Der Bezug dieser so genannten Grundleistungen schließt gleichzeitig den Zugang zum Gesundheitssystem aus, medizinische Leistungen gibt es nur in akuten Notfällen. Die Behandlung chronischer Krankheiten und psychischer Traumatisierungen ist damit nicht möglich. Der Schulbesuch der Kinder ist erschwert, die Wohnsituation in maroden Sammelunterkünften eine zusätzliche und andauernde Belastung. Das geltende Sachleistungsprinzip verschärft den diskriminierenden Charakter noch zusätzlich. Dieses Prinzip bedeutet, dass die Existenzsicherung in Form von Essens- und Kleidungspaketen oder über Gutscheine abgewickelt wird. Wenigstens die Mittel des täglichen Bedarfs selbst einkaufen zu können, bedeutet ein Minimum an Selbstbestimmung und Würde zu bewahren. Selbst diesen Rest von Würde und Anstand nimmt das Asylbewerberleistungsgesetz den Betroffenen.

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wurde ein Existenzminimum zweiter Klasse eingeführt. Unverhohlen wurde und wird von seinen Verteidigern ins Feld geführt, es solle „missbräuchliche Asylantragstellung“ und „Einwanderung in die sozialen Sicherungssystem“ verhindern. Abschreckung als Ziel eines Gesetzes, das nach dem Grundgesetz eine menschenwürdige Existenz sichern soll – dieser Widerspruch ist all zu offensichtlich. Diese beiden Ziele sind absolut unvereinbar. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist die in Gesetzesform gegossene Unterstellung, Flüchtlinge kämen nicht aus Angst vor Verfolgung und Unterdrückung, sondern aus rein ökonomischen Interessen. Von dort aus ist es nicht weit bis zu rechtsextremen Parolen gegen vermeintliche Schmarotzer und Parasiten, die schleunigst außer Landes geschafft werden sollten.

Das Asylbewerberleistungsgesetz ist diskriminierend und trägt zur Stigmatisierung von Asylbewerbern und Flüchtlingen bei. Es ist Ausdruck einer fatalen Abschreckungspolitik, die de facto den Schutzanspruch von Flüchtlingen verneint. Und schließlich ist es gleich in mehrfacher Hinsicht ein Verstoß gegen das Menschenwürdegebot des Grundgesetzes. Es muss abgeschafft werden.

(Die Rede wurde zu Protokoll gegeben)