Zum Hauptinhalt springen
Foto: Rico Prauss

Dietmar Bartsch: Massenentlassung bei profitablen Unternehmen verbieten

Rede von Dietmar Bartsch,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Gesetzentwurf heute aufgesetzt, weil es aktuelle Anlässe gibt. Wir sehen ganz deutlich: Konzerne brauchen keine handlungsfähige Regierung. Was kurz vor Weihnachten passiert, ist wirklich unfassbar: nach dem Desaster von Air Berlin mit den verheerenden Folgen für viele Beschäftigte nun die sogenannten Umstrukturierungen bei Siemens. Diese Umstrukturierungen sind hammerharter Stellenabbau und Betriebsschließungen in Görlitz, in Leipzig, in Offenbach, in Berlin, in Erfurt, in Mülheim. Weltweit sollen 7 000 Entlassungen vorgenommen werden.

Der Skandal ist, dass gleichzeitig die Dividende der Siemens-Aktionäre erhöht werden soll. Für einige gibt es zu Weihnachten Dividendengeschenke und für andere Existenzängste. Das ist rücksichtslos und unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Umsatz von Siemens ist von 79 Milliarden Euro auf 83 Milliarden Euro gestiegen. Der Gewinn 2017 ist auf 7,2 Milliarden Euro gestiegen, nach 5,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Ich will einmal Siemens-Chef Kaeser zitieren. Er sagte:

"Ich würde mir wünschen, dass die Beschäftigten in Zeiten, in denen das Unternehmen hohe Gewinne erwirtschaftet, selbst auch stärker davon partizipieren."

Offensichtlich ist das ein schlechter Scherz gewesen. Es ist unfassbar, was da geschieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was kann, was soll die Politik machen? Ich will daran erinnern, dass Siemens erhebliche Profite mit öffentlichen Aufträgen macht. Die „Wirtschaftswoche“ hat vor Jahren sogar getitelt: „Siemens will Staatsdiener Nummer Eins werden“. Die Bundesregierung rollt diesem Unternehmen rote Teppiche aus. In jeder Wirtschaftsdelegation ist Siemens vertreten. Frau Merkel, sagen Sie bei der nächsten Wirtschaftsdelegation in Ihrem Flieger Herrn Kaeser doch mal Bescheid! Wir haben die Bundesregierung gefragt: In den letzten 20 Jahren erhielt der Siemens-Konzern für mehr als 1,5 Milliarden Euro Fördermittel aus dem Bundeshaushalt und Aufträge des Bundes. Frau Merkel, reden Sie mal mit Herrn Kaeser Klartext, wenn Sie ihn zum Plätzchenessen ins Kanzleramt einladen!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Hier stehen die Konzernführung wie die Bundesregierung in der Verantwortung, und zwar den Mitarbeitern sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber.

Was kann, was muss die Politik tun? Wir haben an Beispielen doch gesehen, dass es mit dem Einfluss geht. Wir haben das bei Tengelmann gesehen. Da hat der damalige Wirtschaftsminister, auch mit unserer Unterstützung, dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze gerettet worden sind. Das ist doch vernünftig. Warum denn nicht hier? Weil das im Osten ist? Ist das vielleicht die Begründung? Streichungspläne ausgerechnet in strukturschwachen Regionen?

Man nehme ein Beispiel: Görlitz. Da ist nicht nur Siemens betroffen; das hat weitgehende Folgen. Auch die Beschäftigten von Bombardier stehen unter Druck. Auch hier drohen Kündigungen. Die Förder- und Ansiedlungspolitik der Bundesregierung hat hier vollständig versagt. Ganze Regionen drohen abgehängt zu werden. Die Deindustrialisierung geht in diesen Regionen weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Verlierer von Görlitz, der Ex-Kollege von der CDU, wird morgen Ministerpräsident in Sachsen. Er wird bestätigen, dass die Situation dort auch mit der verfehlten Wirtschaftspolitik der Union zu tun hat.

(Zuruf der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Siemens muss zum Handeln gebracht werden, und zwar auch von der Bundesregierung. Ich hätte erwartet, dass gestern, als Frau Zypries mit Länderministern und Vertretern von Siemens geredet hat, der Herr Kaeser wenigstens da gewesen wäre und bei so einer relevanten Entscheidung nicht nur der Pförtner gekommen wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will ihn noch mal zitieren. Er sagt:

"Mich treibt nicht das Geld. Mir ist wichtig, was die Menschen einmal über meine Amtszeit sagen."

Ich kann Ihnen sagen: Die werden über Sie nichts Gutes sagen, Herr Kaeser.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir als Linke unterstützen den Kampf der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer gegen den Arbeitsplatzabbau an allen Standorten, meine Damen und Herren. Die Unternehmensführung hat jahrelang den Anschluss an den gesellschaftlichen Wandel in zentralen Bereichen verpasst. Das soll jetzt nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Deshalb legen wir hier einen Gesetzentwurf vor, der Massenentlassungen in profitablen Unternehmen verbietet, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der LINKEN)

der die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei Kündigungen oder Betriebsänderungen verbessert und der die Rechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften stärkt. Wir lassen die Beschäftigten nicht allein. Es geht auch um die Frage der Demokratie.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)