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Diether Dehm: Für CETA selbstgefällig wie die Großjunker

Rede von Diether Dehm,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lämmel und Herr Westphal, hören Sie auf mit der Panikmache,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wer macht hier Panik?)

dass, wenn es zu CETA nicht käme, die Welt und die Wirtschaft zusammenbrächen. Seit 2005 – führen Sie sich das einmal zu Gemüte – sind die Importe – Quelle ist die EU-Kommission – um 64 Prozent und die Exporte nach Kanada um 50 Prozent gestiegen. Sie sind ohne CETA seit 2005 bis heute kontinuierlich gestiegen. Sie meinen vielleicht, mit CETA hätten wir 100 Prozent. Was träumen Sie nachts?

Der Brexit hat die Krise der EU weiter verschärft. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sieht den Euro gescheitert. Auch unter den Deutschen hat die EU kein sonderlich großes Vertrauen.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Panikmache!)

Und so ziemlich die Einzigen, die sich – neben der Deutschen Bank und RWE – bei Ihnen für dieses Geschäftsmodell EU bedanken können, sind AfD und Le Pen.

Die Linke hat stets vor den Mängeln an Demokratie, an sozialstaatlicher Bodenhaftung im EU-Recht und vor Konzernradikalismus und Verarmung gewarnt. Sie aber sind selbstgefällig wie die Großjunker darüber hinweggetrampelt. Wir lehnen diese EU ab, weil wir um die Friedensidee Europa ringen, damit Erwerbstätige wie Erwerbslose, Handwerker und Landwirte Europa als Heimat ihrer sozialen Sicherheit erfahren.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum hat unsere Fraktion damals auch den Lissabon-Vertrag in Karlsruhe überprüfen lassen. Beim Bundesverfassungsgericht müssen Sie immer auf 100 Prozent klagen; denn Sie wissen, dass man am Ende nur 60 oder 70 Prozent erreicht. Da sitzen ja auch Leute, die nicht ganz unabhängig von Parteien da reingekommen sind. Immerhin haben wir damals bei der Klage um den Lissabon-Vertrag erreicht, dass die Mitwirkungsrechte des Parlaments ausgeweitet wurden und dass – ich zitiere jetzt einmal aus § 1 EUZBBG – die Bundesregierung den Bundestag „umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten“ hat. Die Rechte des Bundestags sind hier vom Bundesverfassungsgericht klar definiert worden. „Umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt!“

Bundesregierung und Presse haben weithin versäumt, auf die strikten Auflagen, die Sie auch wieder beiseitewischen, Herr Westphal, des Verfassungsgerichts vom 13. Oktober aufmerksam zu machen – Klaus Ernst hat das alles schon erwähnt –: dass sich erstens Regelungen nur auf EU-Kompetenzen beziehen dürfen, dass zweitens die gemischten Ausschüsse nicht selbstständig Änderungen vornehmen dürfen und dass drittens die vorläufige Anwendbarkeit sofort beendet werden muss, wenn es zu Zweideutigkeiten kommt.

Aber was tut die Bundesregierung? Sie übermittelt für den Rat der Handelsminister am 18. Oktober 2016 dem Bundestag lediglich einen undatierten Vorbericht. Dann folgt ein neuer Vermerk, wieder undatiert, nicht gezeichnet, juristisch hoch verschlüsselt und in englischer Sprache. Am gestrigen Abend gab es schließlich einen längeren Text, wieder nur in englischer Sprache und wieder, ohne direkt auf die Einwände des Gerichtsurteils einzugehen. Das Handelsblatt wusste hingegen schon vor dem Bundestag, dass der Rat „diesen Ergänzungen zugestimmt hatte“, und degradierte das Ganze zu einem – ich zitiere wieder – Absegnenlassen. Diese Ergänzungen waren dem Bundestag also nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt bekannt. In der liederlichen Form und der Zeitknappheit eine Zumutung für das deutsche Parlament, Herr Gabriel!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kauder ließ zwar alle europäischen Demokraten zusammenzucken, als er triumphierte, in Europa würde endlich wieder deutsch gesprochen. Aber gegenüber der deutschen Öffentlichkeit sprechen Sie englisch und in Rätseln.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ob in diesem Konvolut auch nur irgendetwas den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird, kann seriös so gar nicht geprüft werden, zumal völlig unklar ist, welche rechtliche Bedeutung diese Zettelsammlung für den CETA-Vertrag wirklich hat, besonders für Arbeitnehmerrechte und beim Investitionsschutz für Konzerne. Angesichts dieser Situation – Klaus Ernst hat das schon gesagt – wird es kaum einen anderen Weg geben, als beim Bundesverfassungsgericht erneut eine einstweilige Anordnung zu beantragen.

(Beifall bei der LINKEN – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Das gibt es doch gar nicht!)

Was Glyphosat für die Gesundheit ist, sind CETA und TTIP für die europäische Idee: Reines Gift! Darum danke ich den Wallonen. Bleibt stark und standhaft!

(Beifall bei der LINKEN)

Darum danke ich vor allen Dingen den vielen Hunderttausend Demonstranten gegen TTIP und CETA: Wir schaffen das!

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU – Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Wovon träumen Sie nachts? Von der Weltherrschaft?)