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Die Todesstrafe ist ein Rückschritt in die Barbarei

Rede von Niema Movassat,

Niema Movassat (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Todesstrafe ist das bezeichnende und ewige Merkmal der Barbarei“, schrieb Victor Hugo. Dieser Gedanke wohnt auch dem Grundgesetz inne; denn die Todesstrafe verstößt gegen Art. 1, die Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Darin sind sich alle Fraktionen in diesem Haus einig.

Einig sind sich zumindest SPD, Grüne und Linke in ihren Anträgen auch bei Mumia Abu-Jamal. Der politische Gefangene und Journalist Mumia kämpft in den USA seit 29 Jahren um ein neues Verfahren.

Im November gibt es eine mündliche Anhörung über die Frage der Todesstrafe gegen ihn. Was wir schon im Dezember 2009 hier gefordert haben, bleibt damit aktuell. Die gegen ihn ausgesprochene Todesstrafe muss in eine Haftstrafe umgewandelt und der Fall frei von Rassismus erneut untersucht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach China sind der Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA und der Jemen die Länder mit den meisten Exekutionen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen das wurde schon gesagt erwähnt dies mit keinem Wort.

Mit vier dieser fünf traurigen „Tabellenführer“ unterhält Deutschland umfangreiche Programme zur Polizei- und Militärkooperation, liefert Technologie und Ausrüstung oder tauscht personenbezogene Daten zur sogenannten Terrorbekämpfung aus.

Das ist nicht der Weg, mit dem man seinen Protest gegen eine so krasse Menschenrechtsverletzung wie die der Todesstrafe glaubwürdig vertritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider geht auch niemand von Ihnen in den Anträgen auf extralegale beziehungsweise gezielte Tötungen ein. Das ist eine andere Form der Todesstrafe. Diese Abwandlung der klassischen Todesstrafe hat in den letzten Jahren im Rahmen von Kriegen und Konflikten erschreckende Ausmaße angenommen.

Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verbietet aber nicht nur die Todesstrafe, sondern erlaubt auch keine Abweichungen in Notstandsfällen wie beispielsweise im Krieg. Im Zuge des sogenannten Krieges gegen den Terrorismus ist aber offensichtlich jedes Mittel recht.

Am Montag berichteten zahlreiche Medien von der Hinrichtung mutmaßlicher deutscher Terroristen in Pakistan durch US-Drohnen. Seit 2008 sind schon 1 150 Menschen so hingerichtet worden: kein Prozess, keine Beweisführung, kein rechtsstaatliches Urteil, vielmehr Todesstrafe auf Verdacht und Knopfdruck.

Das ist menschenverachtende Willkür und wird von der Fraktion Die Linke in aller Deutlichkeit verurteilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung betont gerne, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht direkt an extralegalen Tötungen beteiligt ist, sondern lediglich Personen benennt, die gefangen genommen werden sollen.

Aber zum einen weiß auch die Bundesregierung, dass diese Personen schon einmal getötet, statt gefangen genommen werden, zum anderen hat das Bundesverteidigungsministerium im August 2010 mitgeteilt, dass entsprechend dem ISAF-Regelwerk eine Liste mit Zielpersonen geführt wird, bei denen die Möglichkeit besteht ich zitiere „die Anwendung gezielt tödlich wirkender militärischer Gewalt zu empfehlen“. Also leistet die Bundeswehr doch indirekte Unterstützung für gezielte Tötungen durch andere ISAF-Truppen.

Das ist ein unhaltbarer Zustand.

(Beifall bei der LINKEN)

Extralegale und gezielte Tötungen sind im sogenannten Krieg gegen den Terror zu einem Standardmittel der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft geworden. Dabei sind Exekutionen ohne jedes Gerichtsurteil erst recht ein Rückschritt in die Barbarei.

Wer gibt einer kleinen Gruppe von Politikern, Geheimdienstlern und Militärs das Recht, über Leben und Tod von Menschen zu entscheiden? Diese Vorgehensweise widerspricht eindeutig rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Dies sieht übrigens auch Wolfgang Bosbach so, Mitglied der CDU/CSU-Fraktion und Vorsitzender des Innenausschusses. Ich zitiere aus seinem Interview mit dem Deutschlandradio aus dem Jahr 2007:

Die gezielte Tötung halte ich für mehr als problematisch, denn dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage … Und selbst wenn man sagen würde, hier geht es nicht um Strafe, sondern um Gefahrenabwehr, … kann ich mir … keine Rechtsnorm vorstellen, wo wir das vorsätzliche Töten zum Zwecke der Gefahrenabwehr in das Gesetzbuch nehmen …

Es gilt: Auch in einem sogenannten Krieg gegen den Terrorismus dürfen zivilisatorische Werte und menschenrechtliche Errungenschaften nicht über Bord geworfen werden. Wer dies tut, begibt sich auf das Niveau derjenigen, die er vorgibt, bekämpfen zu wollen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Aufzeichung der Rede finden Sie unter: www.youtube.com/watch