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Die Realwirtschaft braucht keinen Hochfrequenzhandel

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll der Hochfrequenzhandel an den Börsen und anderen Handelssystemen reguliert werden.

Beim Hochfrequenzhandel geht es um Schnelligkeit. Schnelligkeit vermisse ich jedoch beim Regierungshandeln.

Herr Flosbach, Sie sagten im Mai, dass wir mit der Regulierung des Hochfrequenzhandels nicht warten sollten, bis entsprechende Regelungen auf europäischer Ebene verhandelt sind und dass das noch lange dauern könne.
Erst heute, also am 30. November, findet die 1. Lesung des Gesetzentwurfs statt. Für den 16. Januar ist eine Anhörung im Bundestag vorgesehen. Am 1. März 2013 soll das Gesetz verabschiedet werden. Also werden dann insgesamt rund 9 Monate vergangen sein. So eilig ist es dann offenbar doch nicht, aber für den Wahlkampf kommt es gerade noch rechtzeitig. Da kann die Regierung behaupten, dass sie gehandelt habe und angeblich die Finanzmärkte zähmt.

Ich höre schon Ihren Einwand, hier ginge Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Aber ich frage mich wirklich, warum Sie sich auf die vorgebliche Gründlichkeit immer dann berufen, wenn es darum geht gegen die Spekulation vorzugehen.
Als es darum ging den Fiskalpakt zu beschließen, der tatsächlich gründlich zu hinterfragen wäre, da galt Ihr Motto "Gründlichkeit vor Schnelligkeit" nicht.
Ich meine, die schwarz-gelbe Koalition ist auch bei diesem Gesetz nicht gründlich, aber dazu komme ich noch.

Was zeichnet den Hochfrequenzhandel aus?

1. extrem kurze Haltefristen teilweise von Nanosekunden, das heißt, kaum hat man ein Wertpapier gekauft, wird es sofort wieder verkauft.
2. Merkmal: eine sehr hohe Anzahl von Kauf- bzw. Verkaufsaufträgen.

Beides lässt sich nur mit superschnellen Computern und mit mathematischen Handelsprogrammen umsetzen. Computer, die so programmiert sind, dass sie in Sekundenbruchteilen automatisch Wertpapiere kaufen und gleich wieder verkaufen. Menschen werden nicht mehr eingeschaltet. Alles läuft automatisch ab. Trotzdem ist dieses Geschäft sehr lukrativ. Zwar sind die Kursgewinne minimal, aber die Menge macht’s.

Dass damit große Risiken für den Markt, aber auch die Wertpapierhändler verbunden sind, ist offensichtlich.
Es hat sich in der Praxis auch öfters gezeigt - zum Beispiel bei dem Einbruch des US-amerikanischen Aktienmarktes an der New Yorker Börse am 6. Mai 2010, bei dem die Börsenkurse innerhalb von Minuten kräftig fielen und sich genauso schnell wieder erholten, bekannt geworden unter dem Namen „Flash Crash“.

Darüber hinaus können Börsencomputerprogramme auf Marktereignisse überreagieren, sodass die Schwankungen der Kurse sich gegenseitig verstärken.

Aber es geht bei dem Hochfrequenzhandel nicht nur um die Risiken aus Computerfehlern, automatisch ausgelösten Reaktionen auf Marktbewegungen und die Ausnutzung minimaler Kursdifferenzen. Es geht auch um Manipulation der Wertpapierkurse und damit um betrügerisches Handeln.

Was ist das für ein Geschäftsmodell? Das hat doch mit Realwirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun. Einen volkswirtschaftlichen Nutzen dafür,
sehe ich nicht. Stattdessen sehe ich vielerlei schädliche Praktiken: Hochfrequenzhändler spähen Gebote von beispielsweise Versicherungen aus, decken sich mit den entsprechenden Wertpapieren ein, treiben damit die Preise in die Höhe und schlagen die gekauften Papiere zum höheren Preis wieder los. Viele Aufträge von Hochfrequenzhändlern werden nur mit der Absicht gesetzt, die Preise zu manipulieren - vor ihrer Ausführung werden sie wieder storniert.

Mit diesen Praktiken destabilisieren Hochfrequenzhändler die Märkte, manipulieren Preise und erwirtschaften daraus ihren Gewinne zu Lasten anderer, zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, die ihre Einnahmen am Kapitalmarkt anlegen müssen.

Das ist doch eine Fehlentwicklung. Diese extrem kurzfristigen Zockereien verteuern realwirtschaftliche Transaktionen und dienen als Spielball von Spekulanten. Das muss doch beendet werden.

Das vorliegende Gesetz wurde bereits im Mai eingebracht. Nicht nur wir, sondern auch die Fachwelt hatte sich darüber gewundert, denn auf europäischer Ebene werden Richtlinien ebenfalls überarbeitet, um den Frequenzhandel zu regulieren.

Und jetzt komme ich zu der gerühmten "Gründlichkeit".
Ihr Gesetzentwurf enthält doch nichts Neues oder gar Überraschendes. Es soll in Deutschland im Wesentlichen das gesetzlich festgeschrieben werden, was bereits an den Börsen praktiziert wird.

Warum dann überhaupt noch ein Gesetzentwurf für Deutschland und im Vorgriff auf eine schon in Diskussion befindliche EU-Regelung? Sie stehen unter Druck der Öffentlichkeit, die Maßnahmen gegen Spekulation verlangt, aber schrecken vor einer echten Regulierung zurück.

Was meine ich damit?

Uns fehlt beispielsweise eine Mindesthaltedauer. Das heißt, wenn ein Händler ein Angebot abgibt, soll er für eine bestimmten Zeit daran gebunden sein. Wir denken hier an mindestens eine halbe Minute. Es darf nicht sein, dass Angebote unterbreitet werden, die die Kurse beeinflussen und Marktreaktionen auslösen. Die Angebote werden aber sofort wieder storniert, noch bevor ein Kunde eine realistische Möglichkeit hat, das Angebot anzunehmen.

Das hat sogar der CSU-Finanzexperte und Berichterstatter im Europäischen Parlament Markus Ferber gemerkt, der genau diese Mindesthaltedauer fordert. Wenn Sie schon unsere Meinung nicht ernst nehmen wollen, dann hören Sie doch auf ihren CSU-Kollegen im Europaparlament.

Die Risiken aus dem Hochfrequenzhandel würden sich schließlich reduzieren, sobald endlich die Finanztransaktionssteuer eingeführt würde. Mit dieser und der eben genannten Mindesthaltedauer wird der Hochfrequenzhandel schlicht nicht mehr attraktiv sein.

Damit würden die Spekulanten ausgebremst und wir hätten nicht nur ein Tempolimit beim Hochfrequenzhandel, so wie Sie es wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.