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Die Monopolkontrolle macht Ferien

Rede von Herbert Schui,

Rede von Herbert Schui zum Bundeshaushalt 2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ist für das Bundeskartellamt und damit für die politische Kontrolle der Monopolisierung und deren Auswirkungen verantwortlich. Das erfordert mehr Personal.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Ihr wollt wohl ein Staatsmonopol!)
Zwar sind immerhin sechs neue Stellen geplant; das reicht allerdings nicht aus.
Die Linke fordert, den Etat des Amtes von derzeit 17 Millionen Euro auf knapp 23 Millionen Euro aufzustocken. Die Gegenfinanzierung soll aus den Mitteln für die Sicherheitsforschung bei kerntechnischen Anlagen erfolgen, die der Entwicklung neuer Atomtechnik dient.
(Beifall bei der LINKEN)
Um ein Beispiel zum Stand der Konzentration zu geben: Im Lebensmitteleinzelhandel haben die zehn größten Anbietergruppen in Deutschland einen Marktanteil von 80 Prozent. Noch sind die Preise im internationalen Vergleich - vor allem gegenüber Großbritannien - niedrig. Noch wird der Markt - nicht nur mit Preiskämpfen - neu aufgeteilt. Unbegrenzte Ladenöffnungszeiten tragen viel zur Marktbereinigung bei. Das ist eine kostengünstige Strategie für die großen Einzelhändler ohne Preissenkungen und Gewinnverzicht.
Ein noch leistungsfähigeres Kartellamt ist nicht zuletzt wichtig für die Missbrauchsaufsicht. Konzentration und wirtschaftliche Macht führen dazu, dass die Preise auf dem Absatzmarkt weit über dem Wettbewerbspreis liegen; auf dem Beschaffungsmarkt dagegen liegen sie weit darunter. Das wirkt sich nicht nur auf die Endverbraucher aus. Diese Marktmacht sorgt auch dafür, dass mögliche Gewinne von kleineren Unternehmen, die Zulieferer oder Abnehmer der großen Unternehmen sind, als eine Art Tributzahlung an die Großwirtschaft fallen.
Eine verstärkte Missbrauchsaufsicht muss verhindern, dass die Großwirtschaft die Verbraucher von Strom und Gas schröpft. Sie muss auch verhindern, dass eine große Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen durch eine machtbestimmte Verteilung des gesamtwirtschaftlichen Gewinnes in Bedrängnis kommt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sollten also nicht über zu hohe Arbeitskosten reden, wenn es um die wirtschaftliche Lage von kleinen und mittleren Unternehmen geht. Stattdessen sollten wir uns den harten Preisdruck durch Großunternehmen als Zulieferer oder Abnehmer klar machen.
(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)
Ein Absenken der Sozialbeiträge der Unternehmen oder eine Subventionierung der Löhne durch Kombilohn oder Aufstocken im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung sind keine Lösung; denn die großen Unternehmen werden rasch zuschlagen, wenn sie erkennen, dass bei den kleinen wieder etwas zu holen ist.
Auch wer restlos von dem Unsinn überzeugt ist, dass niedrige Arbeitskosten zu mehr Beschäftigung und Wachstum führen, muss zugestehen, dass Lohnsubventionen in diesem Rahmen völlig zwecklos sind.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Kontext geht es nicht um geringere Arbeitskosten durch öffentliche Subventionierung, sondern um die politische Kontrolle von Kartell- und Monopolpreisen. Das kann das Kartellamt leisten. Der Ertrag steht in einem sehr vorteilhaften Verhältnis zum Aufwand und erspart, wie gesagt, Lohnsubventionen, weil bei hinreichender Kontrolle die kleinen Unternehmen in den Stand versetzt werden, die Löhne aus eigenen Erlösen zu zahlen.
Doch nicht nur über das Bundeskartellamt ist zu reden; die Bundesnetzagentur ist ebenfalls zu berücksichtigen. Hierbei geht es weniger um das Budget, sondern um die gesetzlichen Beschränkungen der Wirkungsmöglichkeiten der Agentur. Die Regulierungsferien für die Telekom - die Koalition bereitet zurzeit ein entsprechendes Gesetz vor - sind ein schlagendes Beispiel. Die Telekom ist zu weiteren, flächendeckenden Netzinvestitionen bei der Breitbandverkabelung nur dann bereit, wenn sie freie Hand bei den Gebühren für die neuen Netze hat. Wäre die Telekom noch im Eigentum des Bundes bzw. der früheren Bundespost, dann hätte das damalige Bundespostministerium unmittelbar politisch darüber entscheiden können. Der Preis für die Endleistung hätte sich dann an den Kosten statt an dem Gewinn ausgerichtet, den ein privates Unternehmen als Anreiz zur Investition einfordert.
(Jörg van Essen [FDP]: Also alles verstaatlichen!)
So gesehen lassen sich die Regulierungsferien als Ergebnis einer Erpressung verstehen, der sich die Bundesregierung trotz ihres hohen Anteils an der Telekom nicht erfolgreich widersetzt hat.
(Beifall bei der LINKEN)

Wahrscheinlicher ist aber ein anderer Grund. Für die Zeit der Regulierungsferien steigen die Gewinne der Telekom. Die Verbraucher zahlen eine höhere Dividende an die Aktionäre. Das steigert den Kurs der Telekom-Aktie. Was noch in Bundeseigentum ist, kann dann teurer verkauft werden. Ist das der eigentliche Grund für die Regulierungsferien?
Informelle Regulierungsferien deuten sich auch auf dem Strommarkt an. Herr Minister Glos, Sie schwanken hier zwischen verbalem Aktionismus und Kapitulation. Gerade noch sagen Sie den Stromkonzernen den Kampf an. Dann heißt es, es bleibe abzuwarten, ob die Netzentgelte wieder sinken; denn sichere Netze hätten - so Ihr Argument - ihren Preis. Das ist die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass ein hoher Monopolpreis eben noch keine sicheren Netze garantieren kann. Das zeigen die eingeknickten Strommasten im Münsterland im vergangenen Jahr und der Stromausfall vor wenigen Wochen. Müssen wir uns in diesem Fall mit den Erklärungen von Eon zufrieden geben?
Allemal gibt das Energiewirtschaftsgesetz der Bundesnetzagentur weit reichende Kompetenzen. Die Betreiber von Energienetzen sind zu einem sicheren Netzbetrieb verpflichtet. Die Behörden sind berechtigt, Geschäftsräume der Energieanlagen zu betreten und geschäftliche Unterlagen einzusehen. Kommt ein Unternehmen seinen Verpflichtungen nicht nach, kann die Regulierungsbehörde Maßnahmen zur Einhaltung anordnen oder die Ausübung der Tätigkeit untersagen. Das alles könnten Sie anordnen, Herr Minister Glos. Lassen Sie die Erklärungen von Eon zum Stromausfall überprüfen!
(Beifall bei der LINKEN)
Denn schließlich: Wenn jemand mit dem Auto einen Blechschaden verursacht, weil die Reifen abgefahren sind, gibt sich die Polizei auch nicht mit den Erklärungen des Fahrzeughalters zufrieden; sie schaut selbst nach.
Oder sind Ihre Sympathien für Großanbieter wie Eon so groß, dass Sie nicht nachschauen lassen? Einiges spricht dafür.
(Beifall bei der LINKEN)
Den Kauf der spanischen Endesa durch Eon unterstützen Sie politisch ebenso wie Frau Merkel. Sie sagen, wir bräuchten große Energieversorger, die sich dem europäischen Wettbewerb stellen könnten und als starke internationale Kooperationspartner zur Verfügung stünden. Mit zunehmender - auch europäischer - Konzentration aber wird die Preisregulierung durch Ihre Behörde schwieriger. Der Gegner dieser Aufsicht hat nun an Macht zugelegt. Was werden Sie unternehmen, wenn die deutschen Stromerzeuger die Elektrizität zunächst an eines ihrer Tochterunternehmen in der EU verkaufen, um dann alles wieder zu erhöhten Preisen zurückzukaufen? Wenn Sie internationale Konzentration und Marktmacht fördern, werden die deutschen Regulierungsbehörden neutralisiert. Die europäische Preisaufsicht ist ebenso wie die Fusionskontrolle bei weitem unzureichend.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Bundeskanzlerin, kommt diese Frage auf die Tagesordnung, wenn Deutschland im nächsten Jahr den Ratsvorsitz in der EU hat?
Eines aber ist schon jetzt sicher: Mit dem Einsetzen eines Verbraucheranwaltes bei der Bundesnetzagentur - das ist Ihre neueste Idee - bekommt man die Auswirkungen der internationalen Konzentration nicht in den Griff. Da existieren offensichtlich Kontrollbehörden - das Bundeskartellamt, die Bundesnetzagentur -, die aber dann durch unzureichende Mittelausstattung oder einschränkende Gesetze neutralisiert werden. Leisten die Behörden schließlich zu wenig, wird die Parole „ineffiziente Bürokratie“ ausgegeben und ein Normenkontrollrat - im Klartext: ein Honoratiorenklub - dekorativ bestellt.
Überhaupt geht die Rechnung, deutsche Unternehmen zu stärken und zu internationalen Kooperationspartnern zu machen, gleichzeitig aber Fusionen zu kontrollieren und die Preise zu regulieren, nicht auf.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn je stärker die Unternehmen, deren Preise beaufsichtigt werden sollen, und so geringer die tatsächliche Preisaufsicht, umso höher die Chance auf anhaltende Regulierungsferien. Dafür, dass die Unternehmen stärker werden, tut die Politik recht viel. Was es mit der Fusionskontrolle in Europa auf sich hat, lässt sich im letzten Hauptgutachten der Monopolkommission nachlesen. Fusionswillige Unternehmen würden aus einem „Drang zu einer weniger stringenten Kontrolle“ um Verweisung nach Brüssel ersuchen. Wahrscheinlich ist aber, so die Monopolkommission, dass Unternehmen die Fusionsprüfung bei der nationalstaatlichen Behörde wählen in der „Hoffnung, das Wettbewerbsrecht werde durch eine nationale Industriepolitik überlagert“. Also, welche Ordnungspolitik?
Um die Analyse des Standes der Konzentration ist es schlecht bestellt. Zu Recht bemerkt die Monopolkommission in ihrem 16. Hauptgutachten, dass einer rationalen Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik allgemein der Realitätsbezug fehlen würde, wenn die zunehmend internationalen Verflechtungen der Unternehmen und Märkte nicht berücksichtigt würden. Sie stellt diesbezüglich ein weit reichendes Informationsdefizit fest und verweist auf erhebliche Einschränkungen in der Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt. Es wird höchste Zeit, dass Minister Glos gemeinsam mit dem Innenminister als Chef des Statistischen Bundesamtes dafür sorgt, dass der von seiner Monopolkommission festgestellte fehlende Realitätsbezug wiederhergestellt wird, damit es zu einer schlüssigen Analyse der Monopolisierung und ihrer Wirkungen kommen kann und somit die Politik eine vernünftige Grundlage hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch nochmals zurück zu der Hoffnung vieler Unternehmen, sich lieber national regulieren zu lassen, weil die Industriepolitik hilfreich für sie sein könnte. Die Regierung Schröder hat Veräußerungsgewinne zunächst steuerlich völlig freigestellt. Jetzt werden sie faktisch mit 1,25 Prozent versteuert. Hinzu kommt die steuerliche Absetzbarkeit von Kreditzinsen, wenn für den Kauf des Unternehmens Kredite aufgenommen worden sind. Offensichtlich restrukturieren sich die Unternehmen gegenwärtig, indem sie nicht mehr wahllos zukaufen - also weg vom Gemischtwarenladen -, sondern sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Steuerpolitik ist bei diesem Vorhaben, starke internationale Kooperationspartner zu schaffen, sehr hilfreich.
Aber eines darf nicht vergessen werden: Im Rahmen der internationalen Konzentration hat ein Wettlauf eingesetzt: Welches Land bringt die international stärksten Konzerne hervor? Dieser Wettlauf ist die zwingende Folge des freien internationalen Kapitalverkehrs, für den sich bis jetzt alle Regierungen stark gemacht haben. Diesen Wettlauf haben die deutschen Konzerne einstweilen nicht gewonnen. Wie man im Weltinvestitionsbericht der WTO nachlesen kann, betragen die kumulierten deutschen Verkäufe bei Fusionen und Übernahmen von 1996 bis 2005 rund 5 500 Milliarden US-Dollar, die deutschen Käufe dagegen nur 4 200 Milliarden US-Dollar. Mit der internationalen Weltgeltung der deutschen Konzerne steht es wohl noch nicht zum Besten! Deswegen soll offensichtlich durch eine entsprechende Steuerpolitik mehr Geld an diese Unternehmen fließen, damit sie international an Bedeutung und Größe zulegen können.
Wie wird schließlich die neue Weltordnung aussehen, wenn dieser Wettlauf ausgetragen ist? In welchem Verhältnis werden die internationalen Konzerne und die nationalen Regierungen zueinander stehen? Wie immer das auch ausgeht, viel Demokratie und wirksamer Parlamentarismus werden dabei nicht herauskommen, auch nicht mehr Sozialstaat und ein höherer Lebensstandard für die Bevölkerung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)