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Die Menschenrechte in der ASEAN-Staatengemeinschaft stärken

Rede von Michael Leutert,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Kanzlerin wird für ihre Menschenrechtspolitik immer wieder sehr gelobt. Kurz vor dem diesjährigen Tag der Menschenrechte hat sich nun auch der andere Menschenrechtsexperte der CDU zu Wort gemeldet: Innenminister
Schäuble. Ich darf ihn zitieren: Diejenigen, die sagen, Guantánamo ist nicht die richtige Lösung, müssen bereit ein, darüber nachzudenken, was die bessere Lösung ist.

Guantánamo ist für den Innenminister also erst einmal alternativlos. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ich muss sagen: Solange Ihr Innenminister solche Sprüche macht und solange Sie nicht in der Lage sind, den Innenminister auf die Grundlage des Rechtsstaates zurückzuholen, brauchen Sie einen Antrag wie den, den Sie heute einbringen, gar nicht erst vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Koalitionsfraktionen haben heute einen Antrag zur Situation der Menschenrechte in den ASEAN-Staaten vorgelegt; über diesen Antrag werden wir demnächst noch diskutieren. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen mehr oder weniger detaillierten Bericht über die Situation der Menschenrechte in den einzelnen ASEANStaaten. Was passiert hier? Sie versuchen, dafür zu sorgen, dass der Bundestag diesen Staaten wieder einmal mit erhobenem Zeigefinger mitteilt, was sie alles zu tun haben. An der Stelle, an der Sie etwas tun könnten, tun Sie aber wieder einmal nichts.

Ich nenne Ihnen nur einmal als Beispiel die Zahl der Abschiebungen, die in diese Länder im Jahr 2006 stattgefunden haben: Indonesien 3 Abschiebungen, Laos 1, Malaysia 24, Philippinen 41, Singapur 3, Thailand 32 und Vietnam 938. Das sind die Abschiebungen, die aus Deutschland in die Staaten erfolgt sind, die Sie dafür geißeln, dass sie die Menschenrechte so dramatisch verletzen. Die Menschenrechtslage ist dort natürlich dramatisch, aber wir sollten, wenn dem so ist, bei uns anfangen. Reden Sie mit Ihrem Innenminister, damit für diese Länder ein Abschiebestopp durchgesetzt werden kann. Das wäre eine Maßnahme, die im Sinne der Menschenrechte wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Stichwort Glaubwürdigkeit. Es ist richtig, dass wir insbesondere auch China dafür kritisieren, dass dort ein Überwachungssystem, insbesondere was die Internet und Telefonüberwachung betrifft, installiert wird, was eindeutig gegen Menschen- und Bürgerrechte verstößt. Solange wir aber Gesetze wie das Telekommunikationsüberwachungsgesetz beschließen,

(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

nehmen wir uns die moralische Grundlage, um diese Länder zu kritisieren. Wir machen uns mit dieser Politik unglaubwürdig. So eine unglaubwürdige Politik kann meine Fraktion einfach nicht mittragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns einmal prinzipiell darüber unterhalten - zumindest ich habe das Gefühl, dass wir in den letzten zwei Jahren aneinander vorbeigeredet haben -, was wir unter Menschenrechtspolitik verstehen. Verstehen wir darunter, die Welt zu betrachten und den Zeigefinger zu erheben, oder verstehen wir darunter, dass wir in den Bereichen etwas tun, in denen wir etwas tun können?

Der Tag der Menschenrechte wäre Anlass genug, Selbstkritik zu üben. Es gibt im Übrigen in der Menschenrechtserklärung auch den Art. 23. Ich habe ihn schon einmal zitiert, ich tue es gerne wieder. Er behandelt das Recht auf Arbeit. In Abs. 2 steht in diesem Artikel klar und deutlich: Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Heute wurde der Postmindestlohn beschlossen. Dieser Beschluss verstößt eindeutig gegen den zitierten Artikel, weil nämlich ostdeutsche Mitarbeiter der Post in Zukunft 2 Euro an Mindestlohn weniger bekommen werden als westdeutsche. Es ist für uns völlig unklar, warum diese Differenzierung erfolgt. 18 Jahre nach der Wende haben sie es noch nicht geschafft, dafür zu sorgen, dass in Ost und West gleiche Löhne gezahlt werden.

Nun einige Worte zum Antrag der Grünen. Viele Dinge, die darin stehen, sind richtig. Aber auch in diesem Antrag - das habe ich schon einmal gesagt - werden die USA als Kronzeuge für die Menschenrechte herangezogen. Solange die USA, die das Lager in Guantánamo betreiben, als Kronzeuge für Menschenrechte herangezogen werden, so lange können wir diesen Antrag nicht unterstützen. Dadurch wird der Antrag entwertet. Das ist unglaublich und unerträglich, es tut mir leid. Der nächste Punkt: Wenn China oder Russland dafür kritisiert werden, dass sie im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus ethnische Minderheiten unterdrücken, dann ist diese Kritik richtig. Natürlich liegt die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen bei dem Staat, der die Menschenrechtsverletzungen begeht. Aber letztendlich hat doch der Westen die Ideologie zur Legitimation dieser Unterdrückung geliefert. Die Einschränkung der Bürger- und Menschenrechte in Guantánamo wird mit dem Kampf gegen den Terrorismus legitimiert. Der Bruch des Völkerrechts beim Überfall auf den Irak wurde ebenfalls mit dem Kampf gegen den Terrorismus legitimiert.

Deshalb brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn China und Russland die Einladung, die wir damit ausgesprochen haben, annehmen und ihre Maßnahmen mit dieser Ideologie legitimieren. Zuletzt noch ein Wort an die Fraktion der Grünen. Sie sprechen im Zusammenhang mit den Uiguren von Abschiebestopp. Das ist richtig, und das wird von meiner Fraktion unterstützt. Aber meine Frage ist: Warum gab es diesen Abschiebestopp nicht unter Rot-Grün? Warum haben Sie ihn nicht durchgesetzt, als Sie es konnten? Ich denke, das ist ein Antrag zur Vergangenheitsbewältigung der Grünen. Deshalb gehört er nicht in den Bundestag, sondern in die Parteigremien der Grünen. Dort muss die Vergangenheitsbewältigung stattfinden. Danke.

(Beifall bei der LINKEN)