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DIE LINKE kann Infrastrukturhaushalt keineswegs zustimmen

Rede von Roland Claus,

Roland Claus, Mitglied des Haushaltsausschusses und Ost-Koordinator der Fraktion DIE LINKE, in der Schlussrunde der Haushaltsdebatte am 23.11.2012

Roland Claus (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Dank gebe ich selbstverständlich gern zurück, und zwar auch deshalb, damit das nicht einseitig an mir hängen bleibt; denn das ist nicht nur karrierefördernd.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU))

Meine Damen und Herren, es geht hier um den Infrastrukturetat des Bundes. Es geht um unser aller Wohnen, um Mobilität, um Bauen, um das urbane Miteinander schlechthin, ja mehr noch, um das Gemeinwohl in Städten und Gemeinden. Frei übersetzt: um den segensreichen Etat urbi et orbi.

(Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD)

- Kleiner geht es nicht.

Es geht um sehr viel Geld für unsere Infrastruktur.

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Claus, ich hoffe, dass Sie in Ihrem Manuskript die Quelle korrekt angeben.

(Heiterkeit)

Roland Claus (DIE LINKE):

Ich bin der Leistung der Stenografen kundig, Herr Präsident. Die schaffen das schon.

Es müsste eigentlich eitle Freude sein an diesem Morgen. Stattdessen Ärger, wo man hinschaut: Murks am Bahnhof - Stuttgart 21, Ausbaustrecke Ulm-Wendlingen; eine Blamage am Flughafen - wir haben uns sozusagen global zum Gespött gemacht ‑ Kollege Kalb hat völlig recht, wenn er das „tragisch“ nennt ‑; eine verkorkste Reform der Wasserstraßenverwaltung; Pfusch am Haushalt und eine oberste Baubehörde, bei der jeder Bau länger dauert und mehr kostet. Kurzum: Dieser Etat beweist erneut: Diese Bundesregierung und dieses Bundesministerium können nicht mit Geld umgehen, schon gar nicht mit viel Geld.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sagt Ihnen jemand, der weiß, dass Mangel schwieriger zu verwalten ist als Überfluss.

Eine der ersten Nachrichten in dieser Haushaltswoche war: Der Bund verkauft über 11500 Wohnungen an einen Finanzinvestor, 11500 Wohnungen, die bisher der Treuhand Liegenschaftsgesellschaft gehörten. Nun denkt man, es gibt in diesem Land einen Wohnungsminister. Was macht der? Er schweigt. Ihre Partei, Herr Ramsauer, heißt aber „Christlich-Soziale Union“. Die Mieterinnen und Mieter dieser Wohnungen hätten an dieser Stelle erwartet, dass Sie sich für ihr Wohl einsetzen und einem solchen Verkauf widersprechen. Das wäre an dieser Stelle Ihre Pflicht gewesen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, die Linke steht für eine Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik, die stets von sozialer Verantwortung und demokratischer Teilhabe aller an den öffentlichen Gütern ausgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Was alle brauchen, muss öffentlich zugänglich und bezahlbar sein.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir bekanntlich viele Veränderungsvorschläge eingebracht. Auf einige will ich eingehen.

Wie im vergangenen Jahr ist dem Bauminister im Zuge der Haushaltsberatungen erneut ein Geschenk zugeflossen: 750 Millionen Euro mehr für Verkehrsinfrastruktur. Das ist nicht zu bemängeln. Sie wollen 600 Millionen Euro davon allein dem Bereich Straße zur Verfügung stellen. Das ist nicht ausgewogen, Herr Minister. Das ist wohl etwas wie eine Wiedergutmachung gegenüber dem ADAC, nachdem Sie mehrfach öffentlich über Maut nachgedacht haben. Ich sage Ihnen: Die BILD-Zeitung kann Sie nicht für jede Ihrer Kapriolen immer wieder raushauen, Herr Minister.

(Beifall bei der LINKEN)

Inzwischen redet keiner mehr über den Börsengang der Bahn. Das ist eigentlich gut so. Im Einzelplan 60, also im Einzelplan der allgemeinen Finanzverwaltung des Bundes, steht aber nach wie vor die Veräußerung des Bahnvermögens als eine anzustrebende Aufgabe. Deshalb hätten wir schon erwartet, Herr Bundesminister ‑ wohl wissend, dass Sie gegen den Börsengang der Bahn sind und sich die Spitze der DB AG im Grunde schon von diesem Gedanken verabschiedet hat ‑, dass Sie hier Klarheit schaffen und sagen: Schluss mit dieser unsäglichen Privatisierung! Kein Börsengang der DB AG!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen auch darauf aufmerksam machen, dass erneut das elend lange Mautschiedsverfahren um die entgangenen Einnahmen hier nicht thematisiert wird. Es geht hier um 3, 4 oder gar 5 Milliarden Euro, die dem Bund entgangen sind. Jeder Staatssekretär im Ministerium erklärt mir das Gleiche ‑ ich höre es schon seit drei Jahren ‑, und nichts bewegt sich. Die staatsnahen Monopolisten, die dem Bund das Ganze eingebrockt haben, werden von Ihnen geschont und nicht zur Kasse gebeten. Das werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Erneut haben Sie die Mittel für die Städtebauförderung zurückgefahren; das können Sie hoch- und runterrechnen, wie Sie wollen. Ein so erfolgreiches Programm wie „Altersgerecht Umbauen“, derzeit noch im Bestand, trägt bei Ihnen leider den Titel „Abwicklung“.

(Dr. Claudia Winterstein (FDP): Die Städtebauförderung ist gleich geblieben!)

Dieses Programm haben wir erst vor wenigen Jahren gemeinsam installiert. Es ist eines der am besten funktionierenden Programme, und Sie stellen es auf Abwicklung, bloß weil Ihnen die FDP das einredet. Das ist doch purer Unsinn, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn (SPD) und des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schließlich muss ich Sie daran erinnern, dass Sie nach wie vor ein in Berlin und Bonn zweigeteiltes Ministerium haben. Sie wollen jetzt noch eine Zentralbehörde für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Bonn konstruieren. Das kann niemand mehr im Lande verstehen, im Übrigen auch nicht in Bayern, Herr Minister.

(Jens Ackermann (FDP): Daran ist Herr Ulbricht schuld, nicht Herr Ramsauer!)

Zum guten Schluss. Als Fraktion der konstruktiven, kreativen und lustvollen Oppositionsarbeit

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

würden wir herzlich gern einmal einem Infrastrukturhaushalt zustimmen. Nur: Hier, heute und für diesen Etat geht das nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)