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DIE LINKE. fordert Einrichtung eines Ethikkomitees des Bundestages

Rede von Monika Knoche,

Monika Knoche (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute für 46 Abgeordnete der Fraktion Die Linke zu Ihnen sprechen, die es für notwendig halten, dass der Deutsche Bundestag ein Ethikkomitee einrichtet.

Diese Idee fußt auf der Erfahrung, dass die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages nicht nur herausragende Leistungen erbracht haben, die es dem Parlament ermöglicht haben, fundierte Entscheidungen zu treffen, die jedoch nicht immer den Empfehlungen der Enquete-Kommissionen entsprachen, sondern dass sie darüber hinaus auch etwas geleistet haben, was wir als Parlamentarier und als Politiker würdigen sollten:

Die Bevölkerung fühlte sich im deutschen Parlament vertreten. Sie hat sich mit ihren Sorgen, Anliegen, Erwartungen und Hoffnungen, die mit den modernen bio-medizinischen Fragen und mit dem Recht und der Ethik in der modernen Medizin und Forschung verbunden sind, bei ihren Parlamentarierinnen und Parlamentariern aufgehoben gefühlt. Das partizipative Verfahren war außerordentlich ausgeprägt. Behindertenverbände haben sich zusammengefunden und an den Debatten beteiligt. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, auf diese hervorragende Art von parlamentarischen Gremien zu verzichten.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ethik geht alle an. Die Debatte über ethische Fragen kann an niemanden und an kein Gremium delegiert werden. Wir wissen, dass wir als Abgeordnete in der Pflicht sind, diese hohen und anspruchsvollen Aufgaben zu erfüllen und selbst Expertinnen und Experten in diesen Fragen zu werden. Ich muss wirklich sagen, dass ich den Diskussionsprozess zur Herausbildung dieses Gesetzentwurfs mit Erstaunen beobachtet habe. Ich fand das eigentümlich paternalistische Verständnis der Ministerin Schavan gegenüber dem Parlament sehr erstaunlich.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!)

Das Parlament braucht kein Beratungsgremium, das ihm nahe bringt, um welche Dimension und Entscheidungstiefe es sich handelt.
Schauen wir uns doch die Tradition hier im Deutschen Bundestag an. Seit dem Veto gegen das so genannte Hirntodkonzept hat der Deutsche Bundestag hoch qualifizierte und interdisziplinäre parlamentarisch-partizipative Debatten geführt,

(Ulla Burchardt [SPD]: Ja!)

durch die der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wurde, sich hier wiederzufinden. Es haben Veranstaltungen stattgefunden: Kirchen, Behinderten- und Frauenverbände haben Veranstaltungen von hoher Qualität durchgeführt, um weit reichende Fragen wie die der Weiterentwicklung und der Ausgestaltung der Grundrechtsprinzipien, der Menschenwürde und des Schutzes des Lebens in eine neue Gestalt und in eine Gesetzesform zu bringen.

Was haben wir als Abgeordnete erlebt? Wir haben erlebt, dass die Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Wissenschaft - ob es Human- oder Geisteswissenschaftler oder auch andere waren - die Erfordernisse des Gesetzgebers gar nicht so genau kennen.

Wir als Abgeordnete sind und bleiben die letzte Instanz, wenn es darum geht, die Fragen zu entscheiden, die uns als Gesetzgeber aufgegeben sind.
Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir eine grundrechtsdogmatische Entscheidung zu treffen haben.
Wir müssen herausfinden: Wie kann die Forschung weiterentwickelt und gleichzeitig die Menschenwürde gewahrt werden?

Das sind die Herausforderungen, vor denen das Parlament in all diesen Fragen steht.
Schauen wir uns einmal an, wie weit reichend, gut und tragfähig die bisherigen Entscheidungen waren. Ich betone: Nicht alle Empfehlungen der Enquete-Kommission wurden Gesetzesrealität. Aber die Vorschläge, die sie als Ergebnis ihrer Arbeit vorgelegt hat, waren qualitativ um Welten besser als das, was zuvor Realität war; das gilt sowohl für das Organtransplantationsgesetz als auch für das Stammzellforschungsgesetz. Das wird auch dann der Fall sein, wenn es um den Umgang mit genetischen Daten und ähnliche Themen geht. Warum also sollte das deutsche Parlament hinter einer solchen Erfolgsgeschichte zurücktreten?

Wir haben uns auf internationaler Ebene ein sehr gutes Renommee erarbeitet, vor allem aufgrund der Art und Weise, wie wir dieses Thema in diesem Hohen Hause, dem deutschen Parlament, behandelt haben. Ich habe, ebenso wie die vielen Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unseres Antrags, nichts dagegen, dass die Regierung ein Expertengremium einsetzt. Das ist ihr gutes Recht. Das ist auch richtig und wichtig. Aber das Parlament ist der Souverän. Das Parlament selbst muss über die Kompetenz verfügen, darüber zu entscheiden, wie diese hoch interessanten Fragen beraten werden sollen.

(Jörg Tauss [SPD]: Richtig! Das kann es auch immer tun! Mit und ohne Gesetz!)

Ich denke, wir würden gut daran tun, uns an die Erfolge vorangegangener Enquete-Kommissionen zu halten und uns für ein Gremium zu entscheiden, dessen Einrichtung uns die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ermöglicht. Wir sind frei zu entscheiden, wie wir die Geschäftsordnung des Bundestages ausgestalten.

Ich bitte Sie, im Rahmen unseres Diskussionsprozesses zurückzufinden zu der Ehre, die wir gespürt haben, und dem Stolz, den wir empfunden haben, als es uns gelungen ist, die als „Sternstunden des Parlaments“ bezeichneten Entscheidungen zu treffen. Führen wir diese Tradition fort! Die Linke unterstützt dieses Ziel mit ihrem vorliegenden Antrag.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)