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Die kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte an die Industrie ist und bleibt eine Katastrophe

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels > Drucksache 17/5296 <

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vieles von dem, über das wir heute beraten, ist bereits 2008 auf europäischer Ebene entschieden worden. Auf die Emissionshandelsrichtlinie der EU hatte Deutschland großen Einfluss. Doch hier ist offensichtlich einiges schiefgelaufen - jedenfalls aus Sicht des Klimaschutzes.
Nachdem die Politik seit 2005 die Stromkonzerne fett gemacht hat, indem die Konzerne die wertvollen Emissionsrechte vom Staat geschenkt bekommen haben und diese aber unbegründet eingepreist haben, sollen die Zertifikate ab 2013 wenigstens im Stromsektor versteigert werden. Dies könnte auch im Kraftwerksbereich tatsächlich Lenkungswirkung entfalten, allerdings nur dann, wenn nicht zu viele Emissionsrechte auf den Markt geworfen werden.
Doch genau hier liegt das Problem; denn überschüssige Rechte können von dieser Handelsperiode 2012 in die nächste Handelsperiode ab 2013 übertragen werden. Zurzeit liegen Rechte für 100 bis 160 Millionen Tonnen CO2 sozusagen auf Halde.
Bedingt durch die Wirtschaftskrise wurden sie nicht gebraucht. Es besteht daher die Gefahr, dass der Markt mit Emissionsrechten überschwemmt wird und es daher keine Anreize für Klimaschutzmaßnahmen gibt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umweltminister Röttgen will das Minderungsziel der EU von minus 20 auf minus 30 Prozent gegenüber 1990 verschärfen. Ich sage noch einmal: Wir unterstützen dieses Ziel.
Es ist aber nur unter der Voraussetzung zu erreichen, dass im Emissionshandelssektor entsprechend gekürzt wird. Die EU-Kommission hatte dazu auch einen klugen Vorschlag gemacht, nämlich im Jahr 2013 rund 1,4 Milliarden Zertifikate stillzulegen.
Sie würden also von jenen Emissionsrechten abgezogen, die bislang zur Versteigerung vorgesehen sind.
Wir haben die Bundesregierung schriftlich gefragt, was sie davon hält. Sie hat ganz frech geantwortet, einen solchen Vorschlag der Kommission gebe es überhaupt nicht.
Dabei steht er in der Kommissionsmitteilung zur Analyse eines verschärften Minderungsziels schwarz auf weiß. Ich vermute Folgendes: Entweder nimmt die Bundesregierung die Kommission und ihre Mitteilungen nicht ernst oder aber das Fragerecht des deutschen Parlaments - vielleicht auch beides.
(Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie liest die Mitteilungen der Kommission einfach nicht!)

Inzwischen hat Klimakommissarin Conni Hedegaard diesen Vorschlag mehrfach wiederholt. Ich kann ankündigen, dass wir, die Linke, die Kleine Anfrage noch einmal stellen und die Antwort der Bundesregierung an Frau Hedegaard schicken. Wir sind gespannt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die eigentliche Katastrophe in der EU-Emissionshandelsrichtlinie ist aber die weitgehend kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte an die Industrie. Die in jeder Hinsicht einfachste und wirksamste Methode einer Versteigerung wurde unter deutschem Druck verworfen. Ich sage nicht, dass eine Versteigerung keine Probleme mit sich bringen würde; denn ich kenne ja Herrn Obermeier. Er wird dazu sicher etwas sagen. Aber man hätte es differenzierter ausgestalten können. Wir haben in diesem Zusammenhang im Ausschuss über Kriterien diskutiert. Diesen Weg wollten Sie nicht beschreiten.
Die Folge ist erneut ein bürokratisches Monstrum mit einem Wirrwarr von Zuteilungsregeln. Das zeigt sich auch bei der , um die es heute geht. Durch das Hickhack zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium ist das Ding zudem fast unlesbar geworden. Die Lobbyarbeit der einzelnen Wirtschaftszweige und die Empfänglichkeit von Herrn Brüderle dafür liegen wie Mehltau über der Rechtspflege.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Torsten Staffeldt (FDP): Keine Unterstellungen!)

Dabei stehen die kompliziertesten Geschichten noch gar nicht im Gesetz: Über den Verordnungsweg sollen noch 52 EU-weit gültige Benchmarks eingeführt werden. Was sind Benchmarks? Das sind Vergleichszahlen für branchentypische Emissionen. Sie sind nötig, um die Zuteilung an die Industrie im Detail zu regeln. Einzelne Anlagen lassen sich dabei noch in fiktive Teilanlagen zerlegen. Sie sehen, wie kompliziert das Ganze ist. Die Folge ist: Es gibt Schlupflöcher ohne Ende; eine Kontrolle durch die Zivilgesellschaft ist quasi ausgeschlossen. Dass hier unter dem Strich viele Firmen vom zusätzlichen Klimaschutz befreit werden, pfeifen die Spatzen vom Dach.

Ab nächstes Jahr wird der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen. Auch hier gilt: Die Messen wurden bereits auf EU-Ebene gesungen. Das ist allerdings wenig ermutigend; denn die zugeteilte Gesamtmenge wird im Jahr 2020 95 Prozent des Durchschnitts der Jahre 2004 bis 2006 betragen. Ambitionierter Klimaschutz sieht anders aus.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zudem sollen gerade einmal 15 Prozent der Rechte versteigert werden. Ferner das halte ich für schlimm ignoriert das System die indirekten Effekte des Flugverkehrs wie NOx und Wasserdampf, die die Treibhauswirkung je Tonne ausgestoßenes CO2 um den Faktor zwei bis vier erhöhen. Das heißt, in Flughöhe ist CO2 wesentlich klimawirksamer als am Boden, beispielsweise bei einem Auto. Dann müsste man das entsprechend der Wirksamkeit auch so einpreisen. Das wird jedoch nicht gemacht.
Insgesamt setzen wir mit dem TEHG nur ein halbherziges Klimapaket der EU um. Das sollte heute, bevor es in den Ausschüssen um Details geht, noch einmal gesagt worden sein.
Zum Schluss vielleicht noch Folgendes: Für besonders schäbig halte ich es, dass Sie von der Koalition die Kompensation für Flugreisen schon im Vorfeld gestrichen haben.
Das finde ich grob unanständig.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)