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Die Kärrnerarbeit nicht den Ländern überlassen!

Rede von Rosemarie Hein,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, ich war vom diesjährigen Gutachten zu Forschung und Innovation enttäuscht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Noch im Gutachten des Jahres 2011 war zu lesen, dass Innovation nicht nur eine angemessene Forschungsförderung braucht, sondern auch Menschen, die gut gebildet sind, und ihre Potenziale entfalten können. Nach Ansicht der Expertenkommission - ich zitiere -

hat der Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung Folgen, die dem Aufbau eines leistungsfähigen Bildungssystems abträglich sind.

Darum empfahl man damals - ich zitiere wieder -

die Rücknahme des Kooperationsverbots

zwischen Bund und Ländern.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun ist seit Anfang des Jahres Artikel 91 b des Grundgesetzes bezüglich der Zusammenarbeit im Hochschulbereich - aber auch nur dort - gelockert. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist in diesem Bereich wieder möglich. Das wertet die Kommission als großen Erfolg der Wissenschaftspolitik.

In der übrigen Bildungspolitik ist eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern aber nach wie vor nicht möglich. Darum kann ich ehrlich gesagt die Zufriedenheit der Kommission nicht verstehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sollen denn die Berufsschulen ausgerüstet werden, die Fachkräfte für die Fertigung in der Industrie 4.0 ausbilden? Die technische Ausstattung solcher Schulen ist immens aufwändig und kostet unglaublich viel Geld. Für die Ausstattung der berufsbildenden Schulen sind die Kommunen zuständig. Diese Aufgabe werden sie nicht stemmen können, auch die Länder nicht. Baden-Württemberg fördert jetzt acht solcher Schulen. Wir haben aber knapp 300 berufsbildende Teilzeitschulen. Das ist ein Maßstab, den man den Ländern nicht mehr alleine zumuten kann, zumal das nicht die einzige Aufgabe ist, die im Bildungsbereich zu stemmen ist. Es geht vielmehr auch um Digitalisierung, um Inklusion, um Integration, um Schulsozialarbeit, nur um über soziale Innovation zu sprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch da darf der Bund nicht mitfinanzieren, auch bei den Berufsschulen nicht. Selbst hinsichtlich der Realisierung der Eliteschulen IT/Digital von der Wunschliste des Koalitionsvertrages können Sie nur Appelle an die Länder richten, tätig zu werden. Ich finde, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch bleiben wir bei der erreichten Grundgesetzänderung, die sich auf die Hochschulen bezieht. Die Expertenkommission erhofft sich davon neue Gestaltungsmöglichkeiten. Was wir bisher allerdings erleben, ist vor allem die Anwendung der alten Instrumente. Dafür hätte man die Grundgesetzänderung nicht gebraucht.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Richtig!)

Vor allem scheint es Ihnen um die Exzellenzinitiative zu gehen; da sind Sie sich ja mit den Ländern auch schon einig geworden.

(Dr. Simone Raatz (SPD): Nein, noch nicht!)

Doch damit verlässlich Spitzenleistungen entstehen, bedarf es einer breiten soliden Basis.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum die Frage: Was ist denn mit der Verstetigung des Hochschulpaktes? Was ist mit dem Hochschulbau? Was ist mit dem Bau von Wohnheimen für Studierende? Was ist mit der Grundfinanzierung der Hochschulen, was mit der Lehrerbildung, was mit der Stärkung der Fachhochschulen, was mit der geforderten Aufstockung der Programmpauschalen? Dort setzen Sie entweder weiterhin auf befristete Programme, oder Sie gehen das Problem überhaupt nicht an. Aber da gäbe es Gestaltungsmöglichkeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich denke, es ist falsch, wenn man sich vonseiten des Bundes vor allem auf die Sahnehäubchen konzentriert und die Kärrnerarbeit den Ländern überlässt. Da reicht auch nicht der ständige Verweis auf die Erhöhung der BAföG-Mittel. Da reicht es auch nicht aus, dass man ständig nur die guten Zahlen vor sich herträgt. Sicher, der Hochschulpakt ist kein Sahnehäubchen; das will ich nicht behaupten. Aber er soll eben nicht verstetigt werden, und aufgestockt werden soll er auch nicht, ansonsten hätten Sie unseren Anträgen zugestimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, es ist an der Zeit, die Wirkungen von Artikel 91 b des Grundgesetzes in einem Fachgespräch mit den Hochschulen im Ausschuss zu überprüfen, aber da möchte die Koalition bislang nicht ran. Vielleicht ändert sich das ja, wenn wir im Januar einen Antrag vorlegen, in dem wir wieder die Aufhebung des Kooperationsverbotes fordern, und die Debatte kommt neu in Gang. Vielleicht sind Sie dann bereit, darüber zu reden, was hier bewirkt wurde. Ich glaube, dass die Hochschulen etwas anderes erwartet haben und dass sie inzwischen langsam enttäuscht sind. Wenn nicht, gut, dann müssen wir uns belehren lassen, wenn aber doch, dann sollten Sie überlegen, wie es besser geht.

Herr Röspel, ich muss Ihnen schon sagen: Es ist erstaunlich, wie man, wenn man in Regierungsfunktion ist, bei der Äußerung von Kritik, die Sie früher immer hatten, plötzlich so abgeschliffen wird. Ich kenne das schon. Ich glaube, Ihre Schimpftirade vorhin war lediglich ein Ausdruck Ihres eigenen Unbehagens.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Er macht eigentlich einen fröhlichen Eindruck!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)