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Die Einhaltung von Menschenrechten muss integraler Bestandteil deutscher Außenpolitik werden

Rede von Annette Groth,

Zur Debatte über den "Neunten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen" antwortete die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth:

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wie kann ich eine Regierung ernst nehmen, die behauptet, der Schutz der Menschenrechte sei eine alles staatliche Handeln umfassende Querschnittsaufgabe, die aber tatsächlich eine Politik macht, in der sie häufig eigene Interessen auf Kosten der Menschenrechte anderer verfolgt?


Ziel der westlichen Politik in der arabischen Welt ist zum Beispiel nach wie vor die Sicherung wirtschaftlicher und politischer Einflusszonen. Samir Amin, einer der bedeutendsten arabischen Intellektuellen, schreibt dazu:


Die Vereinigten Staaten und Europa wollen in der arabischen Welt wiederholen, was in Mali, auf den Philippinen und in Indonesien passiert ist: Alles verändern, um nichts zu ändern. Nachdem die Volksbewegungen in diesen Ländern ihre Diktatoren gestürzt hatten, haben die imperialistischen Mächte alles daran gesetzt, dass ihre grundlegenden
Interessen im Bereich des Neoliberalismus und der Außenpolitik durch die eingesetzten Regierungen geschützt werden.


Nehmen wir nur das Beispiel der Lieferungen von Waffen und  Überwachungstechnologien. Im Jahr 2010 wurden mehr Waffen als je zuvor von Deutschland exportiert.


Das ist ein Skandal. Darum fordern wir ein umfassendes Exportverbot von Waffen.


(Beifall bei der LINKEN)


„Mit Waffen ‚Made in the West‘ bringen Sie uns um! Bitte macht das öffentlich!“ Dieser Hilferuf einer jungen ägyptischen Aktivistin, der uns kürzlich erreichte, unterstreicht unsere Forderung. Am 28. November 2011 haben sich Hafenarbeiter in Suez geweigert, eine Ladung mit 7,5 Tonnen Tränengas aus den USA zu löschen. Insgesamt hat Ägypten in dieser Woche 21 Tonnen Tränengas erwartet.


Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, reden häufig über die Unterstützung der Protestbewegung und liefern trotzdem gleichzeitig Panzer nachSaudi-Arabien, die dann bei der nächsten gewaltsamenNiederschlagung von Protesten eingesetzt werden. Soeine Politik ist nur scheinheilig.

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die US-Firma Blue Coat in Syrien im Einsatz ist. Mit den Geräten von Blue Coat hat das Assad-Regime das Internet zensiert und überwacht, um gegen die Opposition vorzugehen.


Eine Schande!


Wie Frau Graf möchte auch ich einige Worte zu den Menschenrechtsverteidigern sagen. Noch immer gibt es keine verbindlichen Vorgaben und Mechanismen, nach denen unsere Botschaften vor Ort zum Schutz von Menschenrechtlern beitragen müssen. Noch immer hängt es von den persönlichen Neigungen der Botschafter und Botschafterinnen ab, ob sie die EU-Leitlinien wirklich umsetzen. Daher fordert die Linke eine effiziente Koordinierung, Anleitung und Evaluierung durch das Auswärtige Amt sowie eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung der Vertretungen vor Ort.


(Beifall bei der LINKEN)


In ihrem Bericht betont die Bundesregierung, dass ihr die Verhinderung der Straflosigkeit für schwere Völkerrechtsverbrechen ein wichtiges Anliegen sei. Bislang müssen sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof jedoch fast nur afrikanische Machthaber  Verantworten. Wo sind die Anklagen wegen Kriegsverbrechen in Afghanistan, im Irak oder in Gaza? Wo ist die Bundesregierung, wenn es darum geht, die Empfehlungen des Goldstone-Berichts an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg zur Rechenschaft zu ziehen? Der Internationale Strafgerichtshof kann nur dann ein glaubwürdiger Ort der Gerechtigkeit werden, wenn der Kampf gegen Straflosigkeit nicht ein selektives Machtinstrument
des Westens bleibt.


Menschenrechtliche Standards und soziale Absicherungsstrukturen werden in vielen Ländern durch Freihandelsabkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern
untergraben. Was ich in Ihrem Bericht vermisse, ist eine selbstkritische Bestandsaufnahme der deutschen Handelspolitik und ihre fatalen Auswirkungen auf die
Rechte der Menschen in den Staaten des Südens.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutsche und europäische Unternehmen waren und sind noch stets an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, zum Beispiel ThyssenKrupp in Brasilien, Triumph in Bangladesch oder Daimler in Südafrika, um nur einige zu nennen. Auch diese Problematik blendet der Bericht völlig aus. Im nächsten Menschenrechtsbericht muss die
Bundesregierung zu den Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen im Ausland Stellung nehmen und begründen, mit welchen Mitteln und Instrumenten sie diese an die Einhaltung menschenrechtlicher Standards binden will.


(Beifall bei der LINKEN)


Solange Sie Doppelstandards anwenden und lediglich eigene Interessen verfolgen, kann ich die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung nicht wirklich ernstnehmen. Erst wenn uns das Schicksal der Kinder in Bahrain, in Ägypten, in Ostafrika – Sie haben es gerade angesprochen – und überall auf der Welt so am Herzenliegt, als wären es unsere eigenen Kinder, machen wireine echte und glaubwürdige Menschenrechtspolitik.

Setzen wir uns dafür alle ein!
Danke.


(Beifall bei der LINKEN)