Zum Hauptinhalt springen

Die Bundeswehr schützt in Bosnien die Interessen von Investoren

Rede von Inge Höger,

Die ALTHEA-Mission in Bosnien-Herzegovina ist ein Musterbeispiel dafür, dass Militär keinen gerechten Frieden schaffen kann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Seit 15 Jahren ist die Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina präsent. Worum geht es bei diesem Einsatz im armen Vorhof der Europäischen Union? Geht es um Sicherheit und Frieden? Geht es um den Aufbau eines lebensfähigen, demokratischen Rechtsstaates? Die EU-Mission ALTHEA ist ein Musterbeispiel dafür, dass Sicherheit und Frieden mit Militär nicht zu erreichen sind.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: In welchem Film waren Sie denn?)

Die beiden Landesteile sind weiterhin tief gespalten. Die Korruption blüht. 30 Prozent der Menschen leben in extremer Armut. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. Insbesondere junge Menschen sind von Erwerbslosigkeit betroffen. Das Einzige, was ALTHEA in Bosnien-Herzegowina teilweise gelingt, ist die Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Aber das Verkaufen öffentlichen Eigentums ist kein Rezept zur Bekämpfung von Armut, weder in Bosnien noch anderswo.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Jetzt kommen Ihre Rezepte, Frau
Höger! Jetzt wollen wir etwas hören!)

Die neoliberale europäische Agenda

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ah!)

löst die Probleme in Bosnien-Herzegowina nicht, sie verschärft sie noch.

(Beifall bei der LINKEN)

Menschen in wirtschaftlicher Not sind häufig anfälliger für nationalistische Feindbilder und Hetze gegen vermeintlich andere. Das gilt für die Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina ebenso wie für die Menschen hier bei uns in Deutschland. Die Linke distanziert sich von jeder Form des Rassismus und Nationalismus.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Aber nicht von Hetze! – Peter
Beyer [CDU/CSU]: Die Gutmenschen!)

Solange die Armut in Bosnien-Herzegowina nicht nachhaltig bekämpft wird, bleibt eine Abkehr vom Nationalismus eine Illusion. In vielen osteuropäischen EU-Ländern bringt die gepriesene Freiheit des Kapitals mehr soziale Spaltung und mehr Armut hervor, und sie führt leider auch zur Stärkung nationalistischer, rechtsextremistischer Parteien.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das war früher viel besser!)

Das ist der Pfad, auf den die ALTHEA-Mission Bosnien-Herzegowina führen will. Die Linke spricht sich vehement gegen diese gefährliche Entwicklung aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Präsenz der EU-Truppen wird das Land militärisch, politisch und auch wirtschaftlich kontrolliert. Der Balkan ist ein Übungsfeld für die neue EU-Militär- und Interessenpolitik. Es ist nicht zu übersehen, dass hierbei alte Traditionen kolonialer Herrschaft wieder aufleben,

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

und die Bundeswehr ist aktiv daran beteiligt.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ihre Rede ist nicht zu ertragen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das tut körperlich weh, was Sie hier abliefern! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Die geschichtliche Kontinuität wird in Bosnien-Herzegowina besonders deutlich mit Blick auf den größten Truppensteller, auf Österreich. Dieses Land schickt wie Deutschland nicht nur Soldatinnen und Soldaten, sondern auch Investoren. Seit Jahren konkurriert die Telekom Austria mit der serbischen Telekom um Marktanteile in Bosnien. Nicht nur die Menschen in diesem Land fühlen sich dabei an die Zeiten des Habsburger Reichs erinnert.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer hat denn mit Milosevic verhandelt? – Zuruf von der FDP:
Keine Ahnung von Geschichte!)

Einerseits wird Bosnien-Herzegowina durch die EU gezwungen, bei Gesundheit und Sozialem massiv zu sparen. Andererseits wird das Land zu hohen Militärausgaben ermutigt. Um eng mit der NATO kooperieren und irgendwann NATO-Mitglied werden zu können, gibt das Land viel zu viel Geld für Militär aus. 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fließen in Ausbildung und Ausrüstung des Militärs. Das ist im Verhältnis dreimal so viel wie in Deutschland. Mit diesem Geld könnten Arbeitsplätze geschaffen, könnte Armut überwunden werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundeswehr ist in Bosnien-Herzegowina nicht Teil der Lösung; sie ist Teil des Problems.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ungeheuerlich ist
das! Jetzt hören Sie aber auf!)

Die 7,7 Millionen Euro, die dieser Einsatz kostet, wären in sozialen bosnischen Projekten viel besser aufgehoben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke lehnt dieses Mandat ab.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie den Abgang aber
verdient!)


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat die Kollegin Marieluise Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Plötzlich wieder ganz große Koalition!)

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Manchmal möchte man sagen: Denn sie wissen nicht, was sie tun – oder sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP –
Inge Höger [DIE LINKE]: Hauptsache, Sie wissen, was Sie tun!)

Ich habe einen Reisevorschlag für Sie, Frau Höger: Fahren Sie doch einfach einmal nach Bosnien. Sprechen Sie mit den Menschen, und fragen Sie sie einmal, wie ihr Blick auf diesen Einsatz ist.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Wir sprechen auch mit den Menschen!)

[...]

Florian Hahn, CDU/CSU:

Zu Ihnen, Frau Höger: Die Qualität Ihres Beitrages ist selbst mit der vorweihnachtlich gebotenen Milde kaum zu ertragen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es ist schon Advent! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist bald Nikolaus! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Welche Qualität? – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Raten Sie einmal, wie es uns geht, wenn Sie reden!)

Schon letztes Jahr in der Debatte über diese Mandatsverlängerung wurden Sie, die Linken, aufgefordert, sich mit der Geschichte dieser Region, beispielsweise mit dem Überfall auf die Stadt Vukovar und dem Genozid in Srebrenica zu beschäftigen. Nach Ihrer Einlassung heute, die uns einmal mehr fassungslos machen muss, wird deutlich, dass Sie sich weigern, der Geschichte ins Gesicht zu sehen. Wenn ich noch den Blick auf den Tagesspiegel von gestern werfen darf: Gegenüber dieser Zeitung hat sich Ihre Partei nicht einmal davor gescheut, deutsche Soldaten als Mörder zu bezeichnen. Auch das finde ich – ich drücke es milde aus – reichlich unangebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)