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Die Bundesregierung tut nichts, um die Schere zwischen arm und reich zu verkleinern

Rede von Barbara Höll,

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, ich würde Ihnen glatt meine vier Minuten Redezeit geben,

 

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

 

wenn Sie uns erklären, wie man 1 Milliarde Euro einfach so ansparen kann. Wenn ausgerechnet jemand von Ihrer Partei ‑ von der Mövenpick-Partei ‑

 

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

 

über anständige Politik redet, finde ich das schon sehr fragwürdig ‑ das einmal nebenbei gesagt.

 

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Wenn Sie hier lautstark ausführen, was die Menschen Ihrer Meinung nach glauben, sage ich Ihnen: Die Bürgerinnen und Bürger haben im täglichen Leben eine Erfahrung gemacht: Wer es nötig hat, so herumzubrüllen, der hat meistens Unrecht. ‑ Das ist einfach so.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

 

Ihr Angebot an die Wählerinnen und Wähler ist ja eindeutig: Sie wollen Ihre Politik fortsetzen, das heißt: Schulden machen. Das heißt auch: Die Reichen werden immer reicher.

 

(Dr. Birgit Reinemund (FDP): Wer hat denn konsolidiert, Frau Dr. Höll?)

 

Schauen wir uns die konkreten Zahlen einmal an: Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Millionäre in Deutschland zum ersten Mal über einer Million. Die Realität Ihrer Politik ist aber auch: Immer mehr Menschen kommen in Armut und müssen auf Hartz-IV-Niveau verharren.

 

(Holger Krestel (FDP): Sozialismus ist, wenn alle nichts haben!)

 

Wir wissen, dass es Altersarmut schon gibt und dass die Altersarmut um Größenordnungen anwachsen wird.

 

(Dr. Birgit Reinemund (FDP): Schauen Sie sich die Zahlen einfach einmal an!)

 

Wo ist Ihr vielbeschworener Mittelstand, den Sie gehegt und gepflegt haben wollen? Er ist in den letzten vier Jahren geschrumpft. Das ist Ihre Politik.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Carsten Sieling (SPD): Mittelstandsvernichtungsprogramm!)

 

Mit Ihrer Politik ‑ wie Sie die Bankenrettung gemacht haben; wie Sie auf die weltweite Krise und auf die Euro-Krise zu reagieren versucht haben ‑ haben Sie die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vielfältigen Risiken ausgesetzt. Als Ergebnis der Rettung von Zockerei stehen wir mit Milliarden belastet da. Die Gewinne dieser Zockerei sind aber in privaten Taschen gelandet ‑ so kommt man zu Millionen, aber nicht durch Arbeit als Krankenschwester oder durch Arbeit in Teilzeit und auch nicht durch Arbeit als Facharbeiter bei Daimler.

 

(Beifall bei der LINKEN)

 

Es ist mehr als notwendig, dass wir hier heute ‑ wieder ‑ über die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen diskutieren. Wir müssen über Mindestlöhne reden. Wir müssen über eine anständige Tarifpolitik reden. Wir müssen aber auch über die Vermögensbesteuerung reden. Dazu gibt es verschiedene Vorschläge. Bündnis 90/Die Grünen schlagen zur Bewältigung der Folgen der Euro-Krise eine Vermögensabgabe vor. Ich finde, dieser Vorschlag geht auf alle Fälle in die richtige Richtung. Wir werden uns bei der konkreten Abstimmung heute trotzdem enthalten, weil ich glaube, dass die Ausgestaltung der Vermögensabgabe zu viel Gestaltungspotenzial birgt, sie zu umgehen.

 

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Ihr wollt ja 5 Prozent haben ‑ pro Jahr!)

 

Was uns als Linke wirklich stört, ist, dass sich der Gesetzentwurf nur auf die Vermögensabgabe bezieht. Ich denke, wir brauchen tatsächlich beides: eine Vermögensabgabe und eine Vermögensteuer. Über die Ausgestaltung können wir uns ja noch unterhalten. Denn mit einer Vermögensteuer ‑ die wird ja einfach nicht mehr erhoben; aber wir könnten sie sofort wieder erheben; das hätten wir schon lange wieder tun können ‑ könnten wir endlich auch die Bundesländer wieder ordentlich finanziell ausstatten.

 

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Sagen Sie doch mal, wie viel Prozent Sie möchten!)

 

Schauen Sie sich die Infrastruktur doch mal an! Was ist denn mit der Bildung? Ich hatte am Dienstagabend Elternabend. Meine Tochter kommt jetzt aufs Gymnasium.

 

(Dr. Volker Wissing (FDP): Gymnasium?)

 

Und was kriege ich da zu hören? ‑ In Sachsen gibt es zwar jetzt Lernmittelfreiheit. Die Umsetzung ist allerdings noch nicht umfassend; Rechner und andere Dinge zählen nicht dazu. Deshalb kann sich das Gymnasium kein neues Kartenmaterial leisten. Jetzt können Sie natürlich sagen: Andere Schulen haben gar keine Karten mehr, die haben schon modernere Technik. ‑ Diese Schule arbeitet aber eben noch mit Karten. Doch selbst dafür reicht das Geld nicht mehr. Deshalb unterstützen wir diese Diskussion.

 

Ich freue mich auch, dass Bündnis 90/Die Grünen einen Vorschlag zur Welteinkommensbesteuerung gemacht hat. Wir haben das in einem Antrag in 2006 schon einmal gefordert. Natürlich müssen wir eine Änderung bei den Doppelbesteuerungsabkommen erreichen. Aber wenn man das gezielt macht, peu à peu, dann braucht man doch keine 20 Jahre dafür. Das geht doch auch wesentlich schneller, wenn der politische Wille da ist. Was die USA können, das sollten wir schon lange können.

 

Ich danke Ihnen.

 

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)