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Die Bundesregierung muss Probleme in der Landwirtschaft anpacken

Rede von Kirsten Tackmann,

Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der Landwirtschaft wird ja eine Menge verlangt. Sie soll sicherstellen, dass wir mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln versorgt werden, sie soll die Energiewende mitgestalten, die Natur schonen und zu lebendigen Dörfern beitragen. All das ist richtig. Bei aller notwendigen Kritik, finde ich, sollten wir auch nie vergessen: Sie schafft unsere Lebensgrundlage, und wir brauchen sie als Verbündete für alle Veränderungen, die wir herbeiführen wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber gerade deshalb muss es uns doch alarmieren, wenn ausgerechnet die Landwirte nicht von ihrer Arbeit leben können. Hier wäre entschlossenes Handeln der Bundesregierung wirklich notwendig. Aber irgendwie schiebt sie die Verantwortung immer ab: an die Länder, an die Wirtschaft oder an wen auch immer. Ich nennen einmal ein paar Beispiele.

Beispiel Milchviehhalterinnen und -halter. Sie bleiben aufgrund der niedrigen Milchpreise seit anderthalb Jahren und länger auf mindestens der Hälfte der Produktionskosten sitzen. Sie haben schlicht keine Chance gegen die erpresserische Marktübermacht von Handel und Molkereien. Seit Jahren weist die Linke auf diese Fehlkonstruktion des Marktes hin. Aber statt diese zu beseitigen, werden millionenschwere sogenannte Hilfspakete in Brüssel und Berlin geschnürt. Nur, das Geld kommt gar nicht oder viel zu spät in den Betrieben an. Aus Sicht der Linken ist es deshalb vor allen Dingen wichtig, die Macht der Handels- und Molkereikonzerne zu brechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie dürfen nicht weiter auf Kosten der Milchviehbetriebe leben; denn das ist Ausbeutung von Mensch und Tier und gehört beendet, und zwar sofort.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispiel Herdenschutz. Auch hier entzieht sich der Bund seiner Mitverantwortung. Hier trifft es die Weidetierhaltung. Sie hat zwar die höchste gesellschaftliche Akzeptanz und wird für die Pflege der Deiche und der Kulturlandschaft dringend gebraucht. Trotzdem sind hier die Einkommen die niedrigsten in der gesamten Landwirtschaft. Hier ist Überlebenskampf Alltag. Gerade deshalb brauchen diese Landwirte Unterstützung beim Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf. Die Länder allein sind damit klar überfordert – finanziell, aber auch inhaltlich. Hier muss der Bund in die Verantwortung,

(Beifall bei der LINKEN)

weil eine bundeseinheitliche Strategie gebraucht wird, weil bundeseinheitliche Standards gebraucht werden und weil Kenntnislücken geschlossen werden müssen, zum Beispiel: Was schützt die Herden? Was ist unsicher? Auch müssen Haftungsfragen geklärt werden. Deshalb fordert die Linke seit 2011 alljährlich ein Herden- und Wolfsschutzkompetenzzentrum – leider auch dieses Jahr wieder vergeblich.

Das Umweltministerium hat übrigens unterdessen ein Informations- und Dokumentationszentrum – aber nur für den Wolf. Beim BMEL gibt es nicht einmal ein einziges Forschungsprojekt. Das hat mir die Bundesregierung gerade auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet. Ich finde, das grenzt an unterlassene Hilfeleistung und muss sich ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Beispiel drei. Agrarkonzerne sind eine Existenzbedrohung für die ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe. Die Linke sagt das seit Jahren, unterdessen sagt das auch die Bundesregierung. Nur hält sie sich auch hier wieder nicht für zuständig. Dabei geht es aber doch um länderübergreifende Agrarkonzerne. Was soll denn da ein Flickenteppich von Landesregelungen ausrichten? Schlimmer noch: Die Anteilskäufe bei Agrarbetrieben sind auch noch Steuerschlupflöcher. Jährlich geht ein siebenstelliger Betrag verloren. Das muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])

Übrigens könnte man mit dem Geld das Herdenschutzkompetenzzentrum finanzieren.

Beispiel vier. Das bislang vom Bund und von den Ländern finanzierte Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Erfurt ist akut gefährdet. Es passt nicht in die Vorstellung von „Exzellenz“ der Leibniz-Gemeinschaft. Es wird aber – darin sind sich Thüringen und der Bund sogar einig – dringend gebraucht. Aber der Bund fühlt sich wieder nicht zuständig. Er will zwar das Geld zur Verfügung stellen, Verantwortung soll aber allein Thüringen übernehmen. Als Linke fordern wir dagegen eine Beibehaltung der Bund-Länder-Zuständigkeit. Und das geht auch, wenn man will.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Bund darf weder die Beschäftigten in Erfurt im Stich lassen noch die Gartenbaubetriebe, die auf diese wissenschaftliche Expertise dringend angewiesen sind.

Als Linke machen wir uns auch grundsätzlich Sorgen um die Agrarforschung. Mein Fraktionskollege Ralph Lenkert hat heute Vormittag schon darauf hingewiesen. Sie wird im elitären Wissenschaftsbetrieb unterbewertet und droht unterzugehen. Ich denke, wir brauchen eine eigene Struktur. Meinetwegen können wir diese auch Akademie der Landwirtschaftswissenschaften nennen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)