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Deutsche Außenpolitik muss zivile Außenpolitik sein!

Rede von Michael Leutert,

Michael Leutert (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, von meiner Seite recht herzlichen Dank an Sie und an die Berichterstatter für die Informationen und die fairen Verhandlungen. Ich möchte am Anfang ein Lob aussprechen: Es gibt jedes Jahr zu jedem Ministerium eine Bemerkung des Bundesrechnungshofes. Ihr Ministerium sticht durchaus positiv hervor: Wenn es Probleme gibt, werden sie schnell beseitigt.
Ich muss Ihnen allerdings sagen: Das war es dann auch schon mit Lob. Denn wenn man sich die Zahlen einmal anschaut, muss man feststellen: In Ihrem Bereich herrschen einigermaßen chaotische Zustände. Ich möchte das gerne darstellen. Es gibt bei Ihnen ein Auf und Ab: Im letzten Jahr sind die Mittel des AA um 90 Millionen Euro gekürzt worden, 2012 gehen die Mittel wieder um 203 Millionen Euro nach oben, in der mittelfristigen Finanzplanung sehen wir, dass es wieder um 208 Millionen Euro nach unten gehen soll. Das zeigt sich natürlich auch bei den einzelnen Haushaltstiteln, die uns sehr wichtig sind, zum Beispiel bei den Mitteln für humanitäre Hilfe und Krisenprävention: Letztes Jahr sind die Mittel um 96 Millionen Euro gekürzt worden, jetzt steigen sie um 82 Millionen Euro an. Bezüglich der mittelfristigen Finanzplanung haben wir eine Vermutung; ich komme gleich darauf zurück.
Ich möchte zunächst einmal auf eine neue Entwicklung eingehen. Am 17. Oktober hatten wir unser Berichterstattergespräch. Am 8. November hatten wir die Bereinigungssitzung. Zwei Tage später, am 10. November, bekamen wir ein Papier auf den Tisch: eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem BMZ und dem Auswärtigen Amt. Nun weiß ich nicht, was Ihr Ziel ist; vielleicht sind es die ersten Schritte zur Auflösung des BMZ, die Sie einmal angekündigt hatten. Fest steht: Sie haben in diesem Papier auch angekündigt, dass von den Mitteln für die zivile Krisenprävention wiederum 15 Millionen Euro weggenommen werden sollen. Da tauchen bei mir natürlich einige Fragen auf. Die erste Frage ist: Warum führen wir dann überhaupt noch Berichterstattergespräche? Die zweite Frage ist: Welche Projekte sollen denn überhaupt zum BMZ überführt werden? Wir hatten seinerzeit eigentlich einen Aufwuchs der Mittel im Haushalt für diesen Bereich geplant. Da stellt sich für mich die dritte Frage: War das eigentlich eine Irreführung von uns Haushältern? Die Kürzung der Mittel für die Projekte, die zum BMZ überführt werden sollen, war nämlich schon eingeplant.
Es sieht aber nicht nur im Haushalt so aus, sondern auch bei einigen Programmen. Ich möchte hier beispielhaft das Aussteigerprogramm für die Taliban nennen. Vor knapp zwei Jahren, letztes Jahr im Januar, wurde hier groß angekündigt: Es gibt einen Kurswechsel; wir haben sozusagen ein Wundermittel für Afghanistan gefunden; 50 Millionen Euro sollen für das sogenannte Taliban-Aussteigerprogramm bereitgestellt werden. - Jetzt, nach zwei Jahren, ist es so: Wir haben nicht wirklich genaue Erkenntnisse darüber, welche Ergebnisse vorliegen. Wir können so viel sagen: Es gibt ungefähr 30 000 Aufständische. Von denen sind angeblich 2 000 integrationswillig. Das Ergebnis ist jetzt, dass in den knapp zwei Jahren 170 ehemalige Aufständische in Lohn und Brot gebracht worden sind, im Übrigen im Bereich der Minenräumung. Selbst der ehemalige Innenminister von Afghanistan hat kürzlich der Welt erklärt, er sehe den Friedensprozess als gescheitert an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke schlägt vor, etwas mehr Ordnung in diesen Bereich hineinzubringen. Ich möchte Ihnen vorschlagen: Schließen Sie doch bitte demnächst eine Kooperationsvereinbarung mit dem Verteidigungsministerium ab. Dabei geht es um Folgendes: Wir schlagen vor - dazu liegen auch Anträge der Linken vor -, dass der Haushalt des Auswärtigen Ausschusses ein klar ziviler Haushalt ist. Alles Militärische hat aus diesem Haushalt zu verschwinden.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit meinen wir die über 47 Millionen Euro, die für den NATO-Zivilhaushalt oder die Erweiterung des NATO-Hauptquartiers vorgesehen sind. Außerdem schlage ich vor, noch einmal in Betracht zu ziehen - darüber haben wir schon vor zwei Jahren gesprochen -, die Rückerstattungen der UN in Bezug auf Militärauslandseinsätze, die im Verteidigungsetat landen, an das Auswärtige Amt zurückzubuchen; denn die Beiträge an die UN werden ebenfalls aus dem Etat des Auswärtigen Amtes gezahlt.
Wir schlagen außerdem vor, dass Sie die Kürzungen beim Titel „Maßnahmen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit“ zurücknehmen. Das ist eine Sache, die uns extrem wichtig ist. Seit Ihrem Amtsantritt wurde dieser Titel von 64 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro heruntergefahren. Wenn wir die derzeitige Situation betrachten, können wir Folgendes feststellen: In Libyen tauchen G 36-Gewehre aus deutscher Produktion auf, die eigentlich für Ägypten bestimmt waren. Der Spiegel meldete am 13. November: Maschinenpistolen von Heckler & Koch aus deutscher Produktion wurden in Indien an Polizeieinheiten ausgegeben, die in Menschenrechtsverletzungen verstrickt sind. Es werden Leopard-Panzer deutscher Produktion nach Saudi-Arabien geliefert. Mittlerweile ist es so, dass die ehemalige Kanzlermaschine im Iran herumfliegt, wahrscheinlich mit Ahmadinedschad.
Wenn ich diese Entwicklung betrachte, dann muss ich sagen: Wir brauchen diese Gelder in Zukunft für Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie diesen Vorschlägen der Linken folgen könnten, dann könnten wir eventuell diesem Haushalt zustimmen. Ich vermute allerdings, Sie werden auf Ihren Pfaden weiterwandeln. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Wir müssen den Haushalt ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)