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Den deutschen Vorsitz in der OSZE im Jahr 2016 für Frieden und Abrüstung nutzen

Rede von Katrin Kunert,

136. Sitzung des Deutschen Bundestages am Donnerstag, dem 12. November 2015, TOP 6

Katrin Kunert (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz vor Toresschluss kommen die Koalitionsfraktionen gerade noch auf der Zielgeraden an mit einem Antrag zum deutschen Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Linke hat dazu bereits vor der Sommerpause einen Antrag vorgelegt. Manches von dem, was Sie nun vorschlagen, findet sich in unserem Antrag wieder. Bis zum Ukraine-Konflikt hat die OSZE im Bundestag kaum eine Rolle gespielt. Es ist gut, dass wir heute darüber diskutieren; denn aus den Anträgen geht hervor, dass wir uns zumindest in einem Punkt wirklich einig sind: Die OSZE soll künftig wieder eine größere Rolle für Frieden und Sicherheit in Europa spielen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vorgängerin der OSZE war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki vor 40 Jahren war ein Meilenstein für den Frieden. Ich möchte an dieser Stelle an Egon Bahr erinnern. Er hat sich unermüdlich dafür eingesetzt, dass aus einstigen Gegnern Partner werden. Er wollte auch, dass in der aktuellen Ukraine-Krise der Gesprächsfaden nach Russland niemals abreißt. Dafür gilt ihm unser Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer ehrlichen Bilanz gehört: Viele der Erwartungen, die in die Gründung der OSZE und in die Charta von Paris gesetzt waren, sind enttäuscht worden. Die Hoffnung, dass es mit dem Ende des Warschauer Paktes auch die NATO nicht mehr geben würde, hat sich nicht erfüllt. Die OSZE hätte als ein System kollektiver Sicherheit die NATO ersetzen können. Diese Chance ist vertan worden.

(Beifall bei der LINKEN)

Heute stellen wir fest: Die NATO ist bis an die Staatsgrenzen Russlands vorgerückt. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 erleben wir eine verschärfte Aufrüstung im Namen des „Kriegs gegen den Terror“. Und das Vertragswerk zur Abrüstung der konventionellen Waffensysteme ist ein Trümmerhaufen. Daran haben alle ihren Anteil. Die USA und andere NATO-Staaten haben sich jahrelang geweigert, den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa anzupassen. Daraufhin hat Russland Anfang dieses Jahres den Vertrag aufgekündigt. Der Vergleichs- und Schiedsgerichtshof der OSZE konnte bis heute seine Arbeit nicht aufnehmen, weil er nicht von allen Mitgliedstaaten anerkannt ist.

Trotzdem leistet die OSZE eine wichtige Arbeit: Langzeitmissionen zur Verhütung und zivilen Lösung von Konflikten, Wahlbeobachtungen, Einsatz für Menschenrechte und Dialogforum zwischen den Parlamentariern. Das sind alles wichtige Dinge, die geleistet werden. Tatsache ist, dass seit Anfang September der Waffenstillstand in der Ukraine weitgehend hält. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn sich die trilaterale Kontaktgruppe nicht um Vermittlung bemüht hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sehen die Herausforderungen der Zukunft aus?

Die OSZE muss sich wieder stärker den großen Fragen zuwenden. Wir brauchen dringend einen Sicherheitsvertrag von Vancouver bis Wladiwostok, so wie ihn der damalige russische Präsident Medwedew vorgeschlagen hat. Verhandlungen für einen neuen KSE-Vertrag müssen oberste Priorität haben.

Die Linke schlägt weiter vor, die Kompetenzen des OSZE-Konfliktverhütungszentrums zu erweitern und das OSZE-Forum für Sicherheitskooperation zu einer Abrüstungsbehörde weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit soll der Bereich der politisch-militärischen Sicherheit gestärkt werden, ohne die anderen Sicherheitsbereiche zu vernachlässigen. Dafür fehlt allerdings der Koalition bisher der Mut.

Wir fordern von der Bundesregierung einseitige Abrüstungsschritte, notfalls gegen den Widerstand der USA. Alle US-Atomwaffen sind unverzüglich von deutschem Boden abzuziehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die OSZE muss sich auch den wirtschaftlichen und ökologischen Fragen stärker widmen und sich auch gerade den aktuellen Herausforderungen stellen. Das gilt für die Sicherheit von Atomkraftwerken, die sichere Endlagerung von Atommüll, neue Risikotechnologien wie Fracking sowie die Konversion der wehrtechnischen Produktion. Es erstaunt schon, dass die Grünen als ökologische Partei dazu nicht wirklich etwas vorbringen.

Die humanitäre Sicherheit und der Schutz der Menschenrechte gehören weiter auf die Agenda. Dabei muss allerdings genauer und auch selbstkritischer hingeschaut werden. Menschenrechtsprobleme gibt es nicht nur in Russland oder in Aserbaidschan; Menschenrechtsprobleme gibt es auch in Armenien, in den USA, in der EU und selbst bei uns. Was ist mit Ungarn unter Orban, oder was ist mit der Türkei unter Erdogan?
(Max Straubinger (CDU/CSU): Was ist mit den Menschenrechten in Russland?)

Und brennende Flüchtlingsheime, Rassismus, Obdachlosigkeit und Kinderarmut sind in Deutschland leider Realität.

Die Linke fordert: Nutzen Sie den deutschen OSZE-Vorsitz für eine Initiative, um die Todesstrafe in den USA und Belarus abzuschaffen,

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Folter und andere unmenschliche Behandlung zu ächten sowie alle unrechtmäßig inhaftierten Personen in den OSZE-Staaten freizulassen.

Es gibt für den deutschen OSZE-Vorsitz viel zu tun. Unsere Vorschläge, die wir in unserem Antrag formuliert haben, sind konsequenter und weitreichender. Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung und Zustimmung. Bei den anderen Anträgen werden wir uns enthalten.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)