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Datenschutz in sozialen Netzwerken ist mehr als Selbstverpflichtungen

Rede von Halina Wawzyniak,

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir sprechen heute über einen gelungenen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Datenschutz in sozialen Netzwerken. Dieser Antrag wird unsere Zustimmung finden.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn nun los?)

Er spiegelt in vielen Punkten die Positionen wider, die die Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen und Linken auch in der Projektgruppe "Datenschutz" der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" vertreten haben. Insofern hätten wir uns sogar einen gemeinsamen Antrag vorstellen können; denn wir sind an der Sache orientiert. Der Netzpolitik hätte das sicherlich gutgetan.

(Beifall bei der LINKEN - Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU], an das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gewandt: Oh ja! Macht doch gemeinsame Sache mit den Linken!)

Eine Studie des Branchenverbandes BITKOM belegt, dass sich 48 Prozent der Deutschen in sozialen Netzwerken befinden. 65 Prozent von ihnen fehlen Informationen zum persönlichen Datenschutz. Das heißt, es gibt bei den Bürgerinnen und Bürgern ein Problembewusstsein. Dem müssen wir uns stellen.
Ich nehme noch einmal Bezug auf die Projektgruppe "Datenschutz" der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft". Es hat sich gezeigt - das ist hier schon erwähnt worden -: Die Koalition will dieses Thema nicht angehen. Sie sieht keinen Handlungsbedarf. Das groß angekündigte Rote-Linien-Gesetz ist verschoben worden.

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! - Gerold Reichenbach [SPD]: Auf einem guten Weg!)

Sie berufen sich stattdessen auf halbgare Selbstverpflichtungen. Das Dilemma mit den Selbstverpflichtungen hat Markus Beckedahl vor einiger Zeit auf netzpolitik.org schön zusammengefasst:
Aus Sicht von Facebook und Google sind solche Vereinbarungen praktisch: Die Politik ist auf lange Zeit in der Illusion verfangen, etwas getan zu haben, die Unternehmen müssen sich nicht wirklich bewegen und die Durchsetzbarkeit ist gleich null.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Tatsächlich besteht Handlungsbedarf. Das zeigt dieser Antrag sehr deutlich. Sie können sich auch nicht hinter der Behauptung verstecken, das deutsche Datenschutzrecht sei gar nicht anwendbar. Ich sage Ihnen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das kann auch ein kurzer Weg sein, auf dem man sich nicht verirrt.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Es sei denn, man läuft in die falsche Richtung!)

Trotz der existierenden Datenschutzgesetze ist den Nutzerinnen und Nutzern unklar, was mit ihren Daten passiert, wo sie verarbeitet werden und an welche Firmen sie weitergegeben werden. Die Erstellung von Nutzerprofilen durch die Anbieter von sozialen Netzwerken ist völlig intransparent. Wie solche Personenprofile erstellt werden und wozu sie verwendet werden, ist völlig unklar. Klar ist einzig und allein: Es geht um zielgerichtete Werbung. Ich sage Ihnen: In einem Vertragsverhältnis, in dem die Nutzerinnen und Nutzer zwar nicht mit Geld, aber quasi mit ihren persönlichen Informationen bezahlen, ist es unzumutbar, dass die Nutzerinnen und Nutzer nicht wissen, was mit ihren Daten passiert.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir als Linke - das gilt auch für mich persönlich - möchten die sozialen Netzwerke nicht mehr missen. Wir wollen die Nutzerinnen und Nutzer der sozialen Netzwerke auch überhaupt nicht einschränken. Wir sagen sehr deutlich: Wer möchte, soll Bikini- und Sauffotos bei Facebook hochladen, wie er lustig ist. Aber der Nutzer und die Nutzerin müssen vorher darüber informiert werden, dass beispielsweise Facebook diese Bilder im Zweifel für Werbezwecke verwendet. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen wissen, was in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht, und diese müssen in verständlicher Sprache formuliert sein. Sie müssen auch wissen, dass sie, selbst wenn sie ihren Account löschen, gegebenenfalls gar nicht mehr alles löschen können und ihre Rechte an den Bildern abtreten.

Betrachten wir jetzt einmal Facebook. Die Nutzungsbedingungen von Facebook haben einen Umfang von 4 300 Wörtern. Das sind zwölf Textseiten. Die Datenschutzbestimmungen sind darin noch nicht einmal enthalten. Ich bitte Sie: Wer soll das wirklich vorher lesen?

Ich will kurz einen letzten Punkt ansprechen. Auch im Hinblick auf den Arbeitnehmerdatenschutz ergeben sich erhebliche Probleme. Die Grünen haben es in ihrem Antrag aufgeschrieben: 50 Prozent der Personalverantwortlichen recherchieren in sozialen Netzwerken. 23 Millionen Menschen sind auf Facebook aktiv, 10 Prozent davon mit komplett öffentlichen Profilen; das sind 2,3 Millionen Menschen. Ich sage Ihnen: Arbeitgeber geht es überhaupt nichts an, wie ich ein Fußballergebnis kommentiere, welche Weihnachtsgeschenke ich mir wünsche, mit wem ich befreundet bin und welche Lieblingsserien ich habe. Auch deshalb sind Regelungen nötig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es wird ja keiner gezwungen, auf Facebook zu posten! Bleibt doch einfach draußen! Ist doch ganz einfach!)

Ich empfehle noch einmal den Bericht der Projektgruppe "Datenschutz und Persönlichkeitsrechte" der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" und vor allen Dingen die Sondervoten der drei Fraktionen.

Weil Weihnachten ist, wünsche ich Ihnen einen guten Rutsch, frohe Weihnachten und Frieden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gerold Reichenbach [SPD])