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Das Leistungsschutzrecht ist unnötig, grottenschlecht konzipiert und innovationsfeindlich

Rede von Petra Sitte,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Wir debattieren heute also zu später Stunde über den Sandkastenstreit, wer wem welches Schäufelchen in der Medienwelt aus der Hand schlagen könnte. Da schreien auf der einen Seite die Verleger: „Google verdient Geld mit unseren Inhalten!“ und wollen deshalb Geld von Google. Google kläfft nun seinerseits zurück und sagt: „Die Verlage bekommen von uns ohne Ende Onlinekunden, sollen sie doch froh sein darüber, da nehmen sie ja auch Geld ein.“ Gleichzeitig tun beide Seiten so, als wären sie für Gemeinwohl, für Demokratie und Weltfrieden absolut unverzichtbar. Aber letztlich streiten sich beide Seiten nur um fette Profite.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun könnte man ja sagen, das sei alles kindisches Gehabe und kindisches Gezänk, das könne man eigentlich auch ignorieren. Aber da gibt es eben sehr wohl das ungenierte einseitige Parteinehmen der Bundesregierung für Springer & Co. Und Herr Keese vom Springer-Verlag war es, der das in den letzten Jahren vorangetrieben hat. Deshalb gibt es also kurz vor Weihnachten hier schon einmal eine schöne Bescherung, einerseits für den Springer-Verlag, andererseits für das Parlament in Gestalt des Gesetzentwurfes zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Das ist, ehrlich gesagt, nicht so ganz leicht zu verstehen.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Bemühen Sie sich ein bisschen!)

Warum ist das so schwer zu verstehen? Ganz einfach: Weil es heute – ach, was heißt heute? Schon seit etwa 20 Jahren! – ganz einfache, problemlose, technische Möglichkeiten gibt, mit denen die Verlage ihre Veröf-fentlichungen wirksam vor Suchmaschinen schützen könnten.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Alles oder nichts!)

Vor allem aber – das muss ich sagen, Herr Stadler – ist das Gesetz denkbar schlampig formuliert.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dabei ist es der dritte Versuch!)

Niemand weiß nämlich am Ende, wer von diesem Gesetz begünstigt oder dadurch zu Zahlungen verpflichtet wird. Niemand weiß genau, wie der Schutzgegenstand aussehen soll, was er sozusagen ist. Wir wissen aber, dass dieses Leistungsschutzgeld erfolgreich Innovationen im Netz behindern wird, und zwar immer dann, wenn es um Informationsaufbereitung oder Informationsaggregation geht.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Haben Sie auch eine Position dazu, Frau Sitte?)

Die Linke hat zu den Rechtsunsicherheiten diese Woche auch eine Kleine Anfrage gestellt.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Kraftvoll!)

Ich wette mit Ihnen, diese wird noch weit mehr als die bisher bekannten Mängel des Gesetzes freilegen. Es wird dann natürlich in dieser Anhörung, von der Sie gesprochen haben, spannend, ob sich das erklären und sauber beheben lässt.

Am Ende werden sich, wie ich glaube, die Abmahnanwälte die Hände reiben; das tun sie wahrscheinlich schon heute angesichts des profitablen Geschäfts, das auf sie zukommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun gibt es auch Gerüchte, dass der Gesetzestext absichtlich so schlecht geschrieben worden ist – nicht, weil es den fleißigen Bienchen im Justizministerium an Intellekt gefehlt hätte, nö, nö. Vielleicht wollten oder sollten die sich schlicht und ergreifend keine Mühe geben.

(Lachen des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP])

Immerhin gibt es offensichtlich kaum jemanden in der Behörde –

(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Was kommt denn jetzt?)

bei den Anfragen im Unterausschuss Neue Medien ist das ganz deutlich geworden –, der dieses Gesetz am Ende tatsächlich für sinnvoll hält. Das, meine Damen und Herren, sind natürlich – ich höre es schon – ganz, ganz schlimme Oppositionsspekulationen.
Keine Spekulation ist beispielsweise die Stellungnahme von 16 hochangesehenen Professorinnen und Professoren gegen das geplante Leistungsschutzrecht.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das können Sie doch gar nicht beurteilen!)

– Ich kann das sehr wohl beurteilen, aber Sie können ruhig weiter Ihren Jahrhunderttraum von den fetten Ge-winnen träumen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es handelt sich bei dieser Gruppe um ausgewiesene Urheberrechtsexperten. Diese stellen für das geplante Leis-tungsschutzrecht fest – ich zitiere an dieser Stelle –, dass die „Gefahr, die von ihm ausgeht, unabsehbare negative Folgen“ in sich birgt.

Ebenfalls keine Spekulation ist, dass es selbst in den Reihen der Koalition offensichtlich eine ganze Menge Leute gibt, die das Gesetz ganz und gar nicht so toll finden. Im Gegenteil: Sie haben sich zu Wort gemeldet – schwarze wie gelbe Kritiker, klug und prominent – und in die Diskussion eingemischt.

Daher bleibt mir an dieser Stelle nur, an die Bundesregierung zu appellieren: Hören Sie einfach auf all die schlauen Menschen! Hören Sie auf die Leute, die im Internet zu diesem Thema diskutieren! Überwinden Sie vor der Wahl Ihre Angst vor der BILD-Zeitung und ziehen Sie schlicht und ergreifend dieses Leistungsschutzrecht zurück!

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ist Ihre Welt einfach! Wie früher!)