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Das Gesetz zur Beitreibungsrichtlinie ist ein verstecktes Jahressteuergesetz

Rede von Barbara Höll,

Rede von Dr. Barbara Höll zum Gesetzentwurf zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie Änderung steuerlicher Vorschriften (Drucksache 17/6362) am 27.10.11.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mit dem uns vorliegenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll die EU-Richtlinie 2010/24/EU vom 16. März 2010 bis spätestens Ende 2012 in nationales Recht umgesetzt werden und das EG-Beitreibungsgesetz vom 13.12.2007 ablösen. Allerdings ist das nur ein Teil der Wahrheit, denn ein weiterer und nicht unwesentlicher Teil dieses Gesetzes beinhaltet zahlreiche Änderungen in vielen anderen Bereichen, wie im Einkommensteuergesetz, im Körperschaftsteuergesetz, im Bewertungsgesetz und auch im Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetz. Damit packen Sie der Umsetzung der EU-Richtlinie einfach ein kleines Jahressteuergesetz bei und das kritisieren wir. Zwar begrüßen wir grundsätzlich den vorliegenden Gesetzentwurf, aber eine Vermischung einer EU-Richtlinie und einem Jahressteuergesetz führt zu erhöhter Intransparenz für die Bürgerinnen und Bürger, wie auch für diejenigen, die am Ende die Änderungen umzusetzen haben, nämlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern.

Neben zahlreichen Änderungen, die wir begrüßen, bleiben leider einige Kritikpunkte zurück, daher wird sich DIE LINKE bei diesem Gesetzentwurf enthalten.

Ein zentraler Kritikpunkt ist: Die vorhandene Personalausstattung in der Finanzverwaltung reicht schon jetzt nicht aus, um die Flut der bereits vorhandenen Regelungen vernünftig umzusetzen. Und dieser Gesetzentwurf, der zu einer neuen Flut von Informationen führen wird, sieht leider keine Stellenaufstockung in der Finanzverwaltung vor. Dabei legen auch seit Jahren die Rechnungshöfe in Bund und Ländern in ihren zahlreichen Stellungnahmen dar, das nicht genügend Personal in der Finanzverwaltung vorhanden ist, um die Aufgaben gut zu erledigen. Nach Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft fehlen bundesweit rund 10.000 Beschäftigte in der Finanzverwaltung. Wird hier nicht endlich nachgebessert, können wichtige und sinnvolle Maßnahmen, auch die aus dem Gesetzentwurf, nur mangelhaft umgesetzt werden. Und das geht dann zu Lasten aller, der Bürgerinnen und Bürger, wie auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Finanzverwaltung.

Wir haben doch heute schon genügend Probleme in der Umsetzung bestehender Regelungen? Die Finanzverwaltung hat bereits heute schon Schwierigkeiten, die aus der EU-Zinsrichtlinie zufließenden automatischen Informationen zeitnah weiterzuleiten oder denken wir an die Verzögerungen bei der Einführung des vollelektronischen Lohnsteuerverfahrens. Das wird beispielsweise bei der Intensivierung bei den Elektronischen Lohnsteuermerkmalen nicht besser werden, im Gegenteil. Das sind alles Warnsignale, die Sie ernstnehmen sollten. Und meine Damen und Herren, durch das Beitreibungsgesetz wird die Informationsflut noch zunehmen. Erklären Sie doch mal den Menschen in der Finanzverwaltung, wie sie ihre Aufgaben noch vernünftig erledigen sollen.

Meine Damen und Herren, klar ist: Hier muss was passieren, denn ohne eine Personalaufstockung der Finanzverwaltung wird eine vernünftige Umsetzung der in diesem Gesetzentwurf geplanten Regelungen kaum erfolgen können, erst recht nicht, wenn noch Ansprüche wie Datenschutz und Auskunftsrechte der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden müssen.

Ein weiterer Kritikpunkt, das Thema Abgeltungsteuer, eine never-endig-story. Ursprünglich mal als Maßnahme zur Reduzierung der Bürokratie verkauft, hat sie sich in das Gegenteil verkehrt. Denn auch jetzt müssen Sie wieder im Rahmen von Änderungen bei der Kirchensteuer Anpassungen bei der Abgeltungsteuer vornehmen. Wahr ist, die Abgeltungsteuer ist ein Fremdkörper im deutschen Steuerrecht, sie verkompliziert und obendrein bevorzugt sie Kapitaleinkommen gegenüber Arbeitseinkommen. Also genügend Gründe, um sie abzuschaffen - das wäre dann eine wirkliche Steuervereinfachungsmaßnahme.

Ebenso bei der Sanierungsklausel, die wir nicht generell ablehnen, kritisiert hatten wir lediglich die Ausgestaltung. Nun soll sie angesichts des laufenden Verfahrens der EU-Kommission suspendiert, sozusagen beurlaubt, werden, da Sie gegen die Entscheidung der EU-Kommission klagen. Damit bleibt die Streitanfälligkeit erhalten.

Als letzten Punkt möchte ich die jüngsten Urteilen des Bundesfinanzhofes zur Absetzbarkeit von Ausbildungskosten ansprechen. Nach den Urteilen haben sich wohl viele Studentinnen und Studenten gefreut. Aber wohl zu früh, denn die jetzige Regelung, wonach nur die Höchstgrenze für den Sonderausgabenabzug von 4.000 auf 6.000 Euro angehoben werden soll, wird der großen Mehrheit nichts nützen. Davon wären nach dem Bundesfinanzministerium nicht einmal 10.000 Fälle betroffen, die den Höchstwert von derzeit 4.000 Euro ausnutzen. Angesichts von derzeit rund 2,2 Millionen immatrikulierten Studentinnen und Studenten ist diese Lösung also kein großer Wurf. Die geplante Lösung wird ungefähr 8 Millionen Euro kosten, eine Lösung wie vom Bundesfinanzhof gefordert, würde hingegen rund 1,1 Milliarden Euro kosten. Aber meine Damen und Herren, eine Klärung des Sachverhalts vollziehen Sie damit nicht. Notwendig wäre vielmehr, Studiengebühren abzuschaffen und das Bafög zu erhöhen. Außerdem sollte grundsätzlich dafür gesorgt werden, dass der Zugang zu Ausbildung und Studium kostenfrei ist.

Abschließend hier noch einmal die dringende Empfehlung, in unser aller Interesse: hängen Sie nicht eine Vielzahl von eher steuertechnischen Änderungen an ein Gesetz dran, das damit nichts zu tun hat. Sondern verabschieden Sie, wie früher, jährlich ein Jahressteuergesetz. Das ist transparenter und erleichtert den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Finanzverwaltung ihre Arbeit.

Vielen Dank.