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Das angekündigte Sanktionsmoratorium ist eine Mogelpackung

Rede von Jessica Tatti,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich in der Tat, wer hier im Raum das Gesetz überhaupt gelesen hat. Sie brechen mit diesem Gesetz Ihren Koalitionsvertrag.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)

Sie haben ein einjähriges Sanktionsmoratorium im Bereich Hartz IV versprochen. Vor allem die Grünen und die Jusos haben sich dafür abfeiern lassen. Jetzt entpuppt sich das Ganze als Mogelpackung.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier im Plenum sagte zum Beispiel am 13. Januar mein geschätzter Kollege Frank Bsirske von den Grünen – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

"Des Weiteren wird im Rahmen eines einjährigen Moratoriums auf die bisherigen Sanktionen verzichtet. Etwas anderes ist vom Koalitionsvertrag nicht gedeckt …"

Auf der Homepage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist bis heute zu lesen: „Bis zu ihrer gesetzlichen Neuregelung setzen wir die Sanktionen aus …“.

Und was steht jetzt kurze Zeit nach diesen vollmundigen Ankündigungen im Gesetz? Rund drei Viertel aller Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger bleiben in Kraft,

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich! – Christian Görke [DIE LINKE]: So sind sie!)

nämlich alle Sanktionen für verpasste Termine und Meldeversäumnisse. Ausgesetzt werden lediglich Sanktionen bei Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II, also wenn jemand zum Beispiel zu wenige Bewerbungen schreibt. Diese sollen auch nicht für ein Jahr ausgesetzt werden, sondern nur für sieben Monate. Das Schlimme daran ist: Sogar diese ausgesetzten Sanktionen können ab Januar des kommenden Jahres nachgeholt werden; so steht es im Gesetz.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Nein! Das stimmt nicht!)

Damit es auch wirklich der Letzte hier noch kapiert: Es gibt überhaupt kein Sanktionsmoratorium,

(Beifall des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

sondern nur eine zeitliche Verzögerung, ein Aufschieben bei einem mickrigen Teil der Sanktionen. Im Januar kommt dann eine Sanktionswelle auf die Betroffenen zu.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Nein!)

Da fragt man sich schon: Was soll denn dieser Mist?

(Beifall bei der LINKEN)

Zumindest haben Sie den Titel des Gesetzes geändert. Es heißt nicht mehr „Sanktionsmoratorium“, sondern ganz neutral „Elftes Änderungsgesetz“. Einen kleinen letzten Rest Scham scheinen Sie ja noch im Leib zu haben.

Wenn Sie die Sanktionen nicht wirklich für ein Jahr stoppen wollen, warum haben Sie das dann eigentlich in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben? Dieses Gesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. Der passende Name wäre „Pinocchio-Gesetz“.

(Beifall bei der LINKEN)

Falls Sie wirklich einhalten wollten, was Sie den Betroffenen und auch Ihren Wählern versprochen haben, dann streichen Sie doch einfach die Sanktionen aus diesem Gesetz!

(Beifall bei der LINKEN)

Sorgen Sie doch lieber mal dafür, dass Menschen aus Hartz IV in Arbeit kommen,

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Die CDU findet das alles richtig, was Sie hier sagen! – Gegenruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU]: Aus anderen Gründen!)

dass sie ihr Leben für sich und für ihre Familien mit guter Arbeit verbessern können, statt sie in Minijobs, in Leiharbeit, in Befristungen und Niedriglöhne zu drängen, nur damit sie dann wieder schnell in Hartz IV landen!

(Beifall der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Setzen Sie auf den sozialen Arbeitsmarkt, anstatt ihn kaputtzusparen,

(Beifall bei der LINKEN)

auf Weiterbildungen auch für Erwerbslose! Das würde Arbeitslosen zur Abwechslung mal helfen. So schaffen Sie nachhaltige Perspektiven, statt erwachsenen Menschen zu sagen: Seid brav, oder geht halt hungrig ins Bett!

Dieses Gesetz ist eine Farce.

(Beifall bei der LINKEN)