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Cornelia Möhring: Es sind Morde an Frauen, weil sie Frauen sind - und das heißt: Femizid!

Rede von Cornelia Möhring,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte schon damit gerechnet, dass die Regierungskoalition ein bisschen arg Selbstlob betreiben wird. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde das, ehrlich gestanden, nicht angemessen. Schon vor vier Jahren, eigentlich sogar schon vor acht Jahren waren dieselben Probleme wie heute ungelöst: Gibt es mehr Frauenhausplätze? Nein. Gibt es eine Neuregelung der Finanzierung? Nein. Gibt es eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter/-innen im Hilfesystem? Nein. Gibt es eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention? Nein. Gibt es mehr Täterarbeit und andere gezielte Präventionsmaßnahmen? Nein. Gibt es Daten zu digitaler Gewalt? Nein. Gibt es weniger Femizide? Nein. Gibt es einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt? Nein. Der Runde Tisch hat jetzt die bekannten Missstände noch einmal bestätigt. Gibt es konkrete Maßnahmen? Nein; sie sind verschoben in die nächste Wahlperiode.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Zuruf der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])

Die Bundesregierung kommt einfach nicht aus dem Knick – und das, obwohl es eine deutliche Zunahme der Gewalt gegen Frauen gibt – in der Covidpandemie ist das besonders offenbar geworden –: 20 Prozent mehr Anfragen in Fällen häuslicher Gewalt beim Hilfetelefon in 2020, ein Zuwachs der Beratungsgespräche. Bis zum 6. Juni, also in den ersten 156 Tagen des laufenden Jahres, wurden mindestens 71 Frauen und 16 Kinder getötet. Die Täter: sogenannte Partner oder Ex-Partner. Ich frage Sie: Was soll denn eigentlich noch passieren, damit das Thema ernster genommen wird? Diese Gewalt gegen Frauen hängt nicht vom sozialen Status oder ihrer Herkunft ab, es gibt sie im digitalen, es gibt sie im analogen Leben, und sie endet jeden dritten Tag tödlich, jeden dritten Tag, alle 72 Stunden – die Uhr tickt!

Diese Gewalt als eskalierten Beziehungsstreit oder als Privatangelegenheit abzutun, verkennt das strukturelle Problem. Es sind Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, und das heißt: Femizid.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es macht mich, ehrlich gestanden, zunehmend wütend, dass die Bundesregierung sich stoisch weigert, diesen Begriff anzuerkennen. Frau Pantel, das ist keine Reduzierung – es ist das genaue Gegenteil. Es ist wichtig, zu sagen: „Das sind Femizide“, weil man damit offiziell feststellt: Es handelt sich um Taten, die auf der gesellschaftlichen Abwertung von Frauen beruhen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt damit eine gesellschaftliche Verantwortung, und darauf müssen doch die Lösungen ausgerichtet sein! Auch die Prävention und der Schutz werden doch in einer ganz anderen Dringlichkeit sichtbar. Das hätte andere Maßnahmen zur Folge. Denn es reicht einfach nicht aus, dort anzusetzen, wo patriarchale Gewalt schon körperlich geworden ist – dieser Gewalt muss die Grundlage entzogen werden: durch Präventionsarbeit, durch Programme gegen Sexismus und durch die sofortige Bereitstellung von mehr Schutzräumen und qualifizierte Unterstützung der Betroffenen.

Die Bilanz der GroKo ist wirklich nicht gut. Es geht aber an dieser Stelle um das Leben von Frauen – von vielen Frauen! Deswegen fordere ich Sie auf: Handeln Sie endlich konkret und setzen Sie die Istanbul-Konvention um!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)