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Chancen und Risiken der Fernerkundung in den Blick nehmen

Rede von Niema Movassat,

Niema Movassat (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über die Anwendungspotenziale der Fernerkundung in Afrika. Das klingt etwas sperrig. Worum geht es? Kurz gesagt geht es um den entwicklungspolitischen Beitrag, den satellitengestützte Systeme aktuell in Afrika leisten, und um die Frage, was diese Systeme potenziell leisten könnten. Hierzu liegt uns eine umfangreiche Studie vor.

In unserer heutigen hochtechnologisierten Zeit sind der Zugang zur Fernaufklärung und die Kontrolle über solche Systeme von großer Bedeutung, auch und gerade für einen durch koloniale und neokoloniale Ausbeutung gebeutelten Kontinent wie Afrika. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, allen voran die unmittelbar entwicklungsrelevanten Aspekte, auf die der Zugang zu gesammelten Daten aus Fernaufklärungssystemen Einfluss hat. Insbesondere in schwer zugänglichen Gegenden liegen die Vorteile auf der Hand: In den Bereichen der Ernährungssicherheit und -souveränität, der Bekämpfung von Wüstenbildung, des Erosionsschutzes, des Klimaschutzes sowie der Stadtentwicklung kann eine richtig eingesetzte Fernaufklärung von unschätzbarem Wert sein.

Ich möchte ein Beispiel nennen, das dies ein wenig veranschaulicht: Die mobile Telekommunikation ist ebenfalls satellitengestützt. Sie hat in Afrika weitgehend das Festnetz überflüssig gemacht bzw. dafür gesorgt, dass es einen Sprung direkt zur mobilen Kommunikation gegeben hat. Der flächendeckende Aufbau der kostenintensiven Festnetztechnologie wurde damit unnötig. Plötzlich sind die abgelegensten Gebiete in das System der weltweiten Kommunikation eingebunden. Das nutzt auch der lokalen Wirtschaft in allen Sektoren.

Hinzu kommt, dass die mitunter ausgefeiltesten Innovationen in diesem Bereich mittlerweile aus den Ländern Afrikas kommen. Am bekanntesten ist hier sicherlich das Bezahlsystem M-Pesa, das in Kenia entwickelt wurde. Es ermöglicht die bargeldlose Zahlung. Das Handy wird damit zum Bankkonto, das Guthaben darauf zum Zahlungsmittel. Die Sicherheit der Menschen wird erhöht, weil sie eben nicht mehr kilometerweite Reisewege zur nächsten Bank auf sich nehmen müssen. Diese Technologie hat sich von Kenia nach Afghanistan, Indien und Südafrika verbreitet und ermöglicht überall wirtschaftliche Entwicklung. Selbst in Europa wird teilweise über die Einführung diskutiert.

Wir wissen jedoch spätestens seit der Entdeckung der Kernspaltung und der Entwicklung der Atombombe: Es gibt keine unschuldige Wissenschaft. Technologie ist eben nicht neutral. Alle Technologiebegeisterung muss ihre Grenzen finden, wenn es um grundlegende moralische, politische und wirtschaftliche Kernfragen geht. So wirft auch die Fernaufklärung Fragen auf, Fragen, die die Entwicklungspolitik benennen und diskutieren muss; denn wir reden bei der Fernaufklärung von einer Technologie, deren Anwendungspraxis zeigt, dass das Recht des Stärkeren gilt.

Das beginnt damit, dass der 1986 international verabschiedete Prinzipienkatalog für die Fernaufklärung massiv staatliche Hoheitsrechte verletzt. Auch ohne vorherige Zustimmung und das Wissen der betroffenen Staaten können Erkundungsaktivitäten ihrer Staatsgebiete aus dem Weltraum vorgenommen werden. Das Urheberrecht bezüglich der gewonnenen Daten liegt ausschließlich beim Satellitenbetreiber. Das gilt zwar für alle gleichermaßen, aber in der Praxis sind davon natürlich vor allem die Länder des Südens betroffen, die nicht über Fernaufklärungssysteme verfügen, um selber die entsprechenden Daten erheben zu können.

(Tobias Zech (CDU/CSU): Sie können doch die Daten bekommen!)

Zynisch wird es, wenn umgekehrt die Industrieländer selbst hoheitsrechtliche Ansprüche auf hochauflösende Daten über ihre Territorien aus Sicherheitsgründen geltend machen.

Meine Damen und Herren, die vorliegende Studie zeigt, dass die Fernaufklärung unschätzbare Entwicklungspotenziale bietet. Derzeit zementiert sie jedoch eher das ohnehin krasse weltweite Gefälle zwischen Nord und Süd. Sie ist natürlich auch militärisch nutzbar. Ohne Fernaufklärung wäre der Einsatz von Drohnen nicht möglich, von Drohnen, die Menschen töten wie in Somalia und damit die Sicherheit gefährden; denn aus dem US-Drohnenkrieg in Pakistan wissen wir, dass auch Zivilisten zu Opfern werden können.

Wir als Linke begrüßen den Großteil der entwicklungspolitischen Handlungsoptionen, die die Studie aufzeigt. Zwei möchte ich herausgreifen, die ich für sehr wichtig halte: Erstens müssen die technologischen Entwicklungen unter politischer Kontrolle durch öffentliche Forschungs- und Technikeinrichtungen erfolgen und dürfen nicht privatisiert werden, und zweitens fordern wir die Bundesregierung und die EU auf, einen freien Zugang zu Fernerkundungsdaten zu gewährleisten. Dies ist in den USA schon lange der Fall. Auch China und Brasilien gehen da den richtigen Weg: Sie stellen den Anwendern in Afrika die Daten ihrer Fernerkundung kostenlos zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang brauchen wir natürlich auch einen Technologietransfer in die Länder Afrikas, also Schulungen, Kompetenzweitergabe und Unterstützung bei der Auswertung dieser Daten.

Wenn wir das gewährleisten, dann kann die Fernaufklärung für die Länder Afrikas, gerade für die abgelegenen Gebiete, eine echte Entwicklungschance bieten.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)