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Chance verpasst! Regierung ignoriert soziale Absicherung, Mitbestimmungsrechte und Verdrängungseffekte in Jugendfreiwilligendiensten

Rede von Elke Reinke,

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste,

wir beraten heute abschließend das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten. Wir alle wissen, wie wichtig diese für die jungen Menschen sind. Sie aber haben die Chance vertan, diese Dienste sozial gerechter auszubauen.

Selbst bei der Regelung der Umsatzsteuer, die wesentlicher Anlass des Gesetzentwurfes war, bieten Sie keine klare Lösung an.

Erfreulich ist, dass wenigstens ein paar Anregungen aus der Anhörung noch Eingang in den Gesetzentwurf gefunden haben.

So war es richtig, die bewährte Bezeichnung „Freiwilliges Soziales Jahr“ und „Freiwilliges Ökologisches Jahr“ beizubehalten und beide Dienste in einem gemeinsamen Gesetz zu verankern. Zweckmäßig wäre es, auch kommende Freiwilligendienste besser zu koordinieren und in einem einheitlichen Regelwerk zusammenzuführen.

Kurz zum geplanten Einsatzfeld Zivil- und Katastrophenschutz (im Rahmen des FSJ):
Weil zum Beispiel auch beim Technischen Hilfswerk der Nachwuchs knapp wird, befürchtet DIE LINKE, dass diese Lücke nun mit jungen Freiwilligen gefüllt wird. So wollen wir die Freiwilligendienste nicht verstanden wissen!

Jugendliche brauchen neben Ehrenamt betriebliche Ausbildungsplätze und gebührenfreie Studienplätze!

Wichtig ist uns jedoch, dass die Regeldauer 12 Monate betragen soll und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen verkürzt oder verlängert werden kann. Dass aber sogar 24 Monate möglich sein sollen, halte ich für keine gute Idee. Bei solch langen Dienstzeiten wächst die Gefahr, dass Freiwillige als billige Arbeitskräfte zum Einsatz kommen.

Völlig überflüssig finde ich, dass in Paragraf 1 eingefügt wurde: „Jugendfreiwilligendienste fördern die Bildungsfähigkeit der Jugendlichen […].“
Waren die bisherigen Absolventinnen und Absolventen etwa bildungsunfähig?
Die Jugendfreiwilligendienste sollen bilden, nicht nur bildungsfähig machen.

Selbst wenn der vorliegende Gesetzentwurf nur ein „Rahmengesetz“ sein soll, vermissen wir deutliche qualitative Verbesserungen.
Aus diesem Grund hat meine Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die zentralen Forderungen der LINKEN zusammenfasst.

Ich möchte auf 3 Bereiche eingehen:

Zunächst zur sozialen Absicherung der Jugendlichen.

Wir wollen, dass wirklich alle Jugendlichen, die sich für einen Jugendfreiwilligendienst interessieren, diese Möglichkeit nutzen können. Aber dazu ist das durchschnittliche Taschengeld einfach nicht ausreichend!

Es ist sehr bedauerlich, dass SIE die Kritik ehemaliger Freiwilliger nicht berücksichtigen, die in der Studie zum FSJ und FÖJ geäußert wurde.

Nach fast 20 Jahren deutscher Einheit ist es ebenso unverständlich, dass die maximale Taschengeldhöhe im Osten niedriger ist als im Westen.

[Laut Gesetzentwurf darf die Maximalhöhe 6 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (5300 € West; 4500 € Ost) nicht überschreiten. Die Beitragsbemessungsgrenze für Ost und West ist aber unterschiedlich hoch.]

Erklären Sie doch mal einem Jugendlichen aus Magdeburg, warum er als mögliches Taschengeld nur 270 Euro bekommen kann, aber ein junger Mensch aus Fulda 318 Euro.
Hier hätten Sie wieder mal die Gelegenheit gehabt, für eine Angleichung Ost / West zu sorgen!

Und Herr Dr. Kues, dies ist auch nicht nur eine „gefühlte Differenz“, wie Sie kürzlich meinten!
48 Euro sind schon sehr real!

Weiter fehlt eine umfassende Sozialversicherungspflicht für alle Jugendfreiwilligendienste.

Der zweite Bereich umfasst die Mitbestimmung.

Wir hätten erwartet, dass gerade die Sozialdemokratie auf diesen Punkt mehr Wert legt!

In Paragraf 10 des Gesetzentwurfs wird von - ich zitiere - „keinem Arbeitsverhältnis im engeren Sinne“ ausgegangen. Es bleibt also unklar, um welche Art Arbeitsverhältnis es sich handelt und welche Rechte die jungen Leute haben.

Diese Klausel ist ein Einfallstor und bedeutet übersetzt: Es gelten keine Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz.

DIE LINKE fordert aber genau diese Mitbestimmungsrechte für Jugendliche. Sie sind einfach unverzichtbar!

Diesen Punkt vergessen aber auch die Grünen in ihrem Antrag - und bei der FDP muss man danach gar nicht erst suchen.

Der dritte Aspekt betrifft die Verdrängung regulärer Beschäftigung.

Jugendfreiwilligendienste dürfen nicht als Warteschleife für fehlende betriebliche Ausbildungsplätze missbraucht werden. Sie dürfen weder reguläre Arbeitsplätze ersetzen, noch zur Ausdehnung des Niedriglohnsektors führen.

Freiwilliges Engagement darf nicht mehr und mehr zum Notnagel beim Abbau des Sozialstaates werden. Schauen Sie doch nur in den Pflegebereich! Da ist es schon Normalität!

Freiwilligendienste und bürgerschaftliches Engagement dürfen nicht all das übernehmen, was die öffentliche Hand nicht mehr finanzieren kann oder will. Deshalb ist die Bundesregierung aufgefordert, in Richtung öffentlich finanzierter Beschäftigung aktiv zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei der Ausgestaltung der Jugendfreiwilligendienste müssen bildungspolitische und sozialpolitische Ziele gleichermaßen berücksichtigt werden. Leider wird der vorliegende Gesetzentwurf dieser Forderung nicht gerecht!

Schade für die vielen jungen engagierten Menschen. Sie hätten spürbare Verbesserungen verdient.

Vielen Dank.