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Bundestagsrede zur auswärtigen Kulturpolitik

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Auch ich habe bei diesen vielen Fragen und Antworten viel gelernt, auch über die Anfänge unserer auswärtigen Kulturpolitik. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass es noch 1975 eine große parlamentarische Debatte über die Neudefinition der auswärtigen Kulturpolitik gegeben hat. Die Kultur sollte die dritte Säule der Außenpolitik - so hieß es damals - sein. Nicht nur wirtschaftliche und politische Interessen Deutschlands seien nach außen zu vertreten, sondern gleichberechtigt eben auch kulturelle - in Form einer friedlichen, partnerschaftlichen Verständigung mit anderen Ländern, Völkern, Kulturen.

So weit - so fern. Denn mittlerweile stützt sich die deutsche Außenpolitik auf eine - um im Bild zu bleiben - vierte Säule, die militärische Säule. Damit hat sich aus meiner Sicht alles grundlegend verändert.

An einem Tag wie heute, an dem wir eine große Debatte über die Verlängerung der Militärmandate in Afghanistan hatten, kann ich nicht über die Neujustierung der auswärtigen Kulturpolitik reden, ohne auf Afghanistan und unsere militärische Außenpolitik einzugehen.

Was bedeutet ein Zuwachs des auswärtigen Kulturetats angesichts der Ausgaben für die militärische Außenpolitik, die die Regierung der Bevölkerung aufnötigt?
Und vor allem, was kann unsere auswärtige Kulturpolitik in einem Land, in dem wir Krieg führen, leisten? In Afghanistan werden Schulen gebaut, es wird Unterricht ermöglicht. Das ist gut. Aber unsere Militär-Einsätze und die unserer Verbündeten zerstören Schulen wieder und gerade Kinder und Jugendliche werden täglich getötet und verletzt.

Dialogkultur und interkulturelle Verständigung gelten als Ziele unserer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Ich frage Sie: Wie werden diese Ziele heute in Afghanistan erreicht?

Auch soll unsere auswärtige Kulturpolitik Kooperationsmöglichkeiten mit Mittlerorganisationen herstellen. Aber haben die Mittlerorganisationen in Afghanistan uns nicht gerade gebeten, sie im militärfreien Raum operieren zu lassen, weil sie sonst um das Leben ihrer Leute und die Akzeptanz ihrer Arbeit fürchten müssen.

Was also bewirkt unsere löbliche Investition in auswärtige Kulturpolitik tatsächlich?
Zunächst einen schönen Schein, um nicht zu sagen einen Propaganda-Vorhang, hinter dem ganz anderen politischen Interessen nachgegangen wird: Unserer Sicherheit, das haben wir heute Morgen mehrfach gehört, und geopolitischen Machtstrategien.
Und so werden dann beim zweiten Blick auch die Widersprüche deutlich zwischen dem, was wir als unsere auswärtigen Kulturaufgaben angeben:

Verständigung, Verantwortungsethik, Autonomie von Kunst und Bildung - ja Verhinderung von Konflikten… und dem, was sich tatsächlich abspielt: KRIEG

Die vierte Säule der auswärtigen Politik, die militärische, muss also weg! Solange sie Stützpfeiler unserer Außenpolitik ist und bleibt, kann kulturelle Arbeit und Unterstützung in einem Land wie Afghanistan nicht wirklich Gutes bewirken und vor allem die militärische Präsenz nicht rechtfertigen. Das habe ich in der Schule der alten Bundesrepublik gelernt:
Keine Schule, kein Krankenhaus, auch keine Mädchenbildung konnte die sowjetische Militärherrschaft rechtfertigen. Kein Politiker und kein Journalist hat damals solch einen Zusammenhang hergestellt. - Wieso dies 2007 bei uns Gang und Gäbe ist, ist mir unverständlich. Es käme einer besonderen Neujustierung der auswärtigen Kulturpolitik gleich, wenn sich dies ändern würde.

Ja, wir als die Fraktion DIE LINKE sind für eine Neujustierung der auswärtigen Kulturpolitik. Die Idee einer Enquete-Kommission unterstützen wir auch, insofern werden wir dem Antrag der Grünen zustimmen.
Aber für uns geht Neujustierung auswärtiger Kulturpolitik mit dem Verzicht auf militärische Mittel einher.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)