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Bundestag muss auch während der Regierungsbildung seinen Aufgaben nachkommen

Rede von Petra Sitte,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Im Kern streiten wir uns immer noch darüber, dass der Bundestag auch in der Phase der Bildung von Koalitionen und Regierungen verhandlungsfähig sein muss. Die Koalitionsverhandlungen dauern an. Die SPD muss ihre Mitgliederbefragung über die Bühne bekommen und dergleichen mehr.

(Christine Lambrecht (SPD): Wir wollen sie befragen!)

Im Wesentlichen geht es aber darum, dass der Bundestag auch in dieser Phase seinen Aufgaben nachkommen muss.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Was machen wir denn hier?)

Das ist zum einen Gesetzgebung, und das ist zum anderen natürlich Regierungskontrolle. Auch eine geschäftsführend amtierende Bundesregierung will kontrolliert werden. Frau Bundeskanzlerin hatte ja in der ersten Sitzung ausdrücklich zugestimmt. Wir sind uns ausnahmsweise in diesem Punkt einig.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sauber! Beifall!)

Nun ist allerdings die Frage der Umsetzung strittig. Das haben wir eben schon gemerkt. Herr Grosse-Brömer hat da ein bisschen was durcheinandergeworfen. Es gab schon einen Antrag der Linken. Wir hatten darin beantragt, die Ausschüsse einzusetzen, die im Grundgesetz als ständige Ausschüsse vorgesehen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hatten darin außerdem beantragt, die Ausschüsse einzusetzen, die nach dem Haushaltsgesetz und nach der Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehen sind. Das sind unter anderem der Petitionsausschuss, der Auswärtige Ausschuss, der Verteidigungsausschuss und der Europaausschuss. Die Einsetzung von Innen-, Rechts- und Finanzausschuss hatten wir ebenfalls beantragt, weil diese Ausschüsse seit mindestens der dritten Legislaturperiode in genau diesem Zuschnitt existieren und weil sie damit als quasi ständige Ausschüsse die Neubildung der Regierung und auch die Neubildung der Ausschüsse im Bundestag überdauert hätten. Deshalb ist der Antrag rechtskonform.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun wird seitens der SPD und der Union die Einsetzung eines Hauptausschusses beantragt. Wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn Sie sich bemühen, dass der Bundestag arbeitsfähig wird, aber es muss rechtskonform geschehen. Dieser Hauptausschuss, so wie Sie ihn in Ihrem Einsetzungsantrag vorsehen, ist grundgesetzwidrig. Deshalb werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erstens. Er taucht weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Bundestages auf.

Zweitens. Er ist singulär. Unsere Geschäftsordnung und das Grundgesetz sehen ausdrücklich vor, dass ständige Ausschüsse ‑ Mehrzahl wohlgemerkt ‑ einzusetzen sind.

Drittens. Er ist aber auch kein Sonderausschuss, weil er sich nicht um einzelne Fragen kümmert, wie es die Geschäftsordnung vorsieht. An den Hauptausschuss sollen vielmehr viele Gesetzesvorlagen und Anträge überwiesen werden. Wir sehen das ja schon an der heutigen Tagesordnung.

Viertens. Es ist auch kein ständiger Ausschuss, denn er soll mit der endgültigen Konstituierung der Ausschüsse wieder aufgelöst werden. Das haben Sie ja bereits gesagt.

Das sind schon einmal vier Gründe, um dem Antrag auf Einsetzung dieses Ausschusses nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fünftens. Besonders gravierend ist für uns allerdings, dass dem Hauptausschuss Aufgaben zugewiesen werden, die ihm gemäß Grundgesetz gar keinen Spielraum lassen. Verteidigungsfragen sind im Verteidigungsausschuss zu behandeln. Haushaltsfragen sind im Haushaltsausschuss zu behandeln und nicht in einem Hauptausschuss.

Sechstens. Der Hauptausschuss verstößt allerdings auch ‑ meine Kollegin hatte vorhin schon einen entsprechenden Einwurf gemacht ‑ gegen die Ausübung des freien Mandats. Nach § 57 der Geschäftsordnung steht jedem Abgeordneten eine Mitarbeit in mindestens einem Ausschuss zu. Das Grundgesetz spricht hierbei von gleichen Rechten und Pflichten. Wenn aber gemäß Ihrem Einsetzungsverfahren nur 15 Prozent der Abgeordneten mitwirken können, dann bleiben 85 Prozent außen vor.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Für zwei Wochen!)

Nach unserem Antrag wären immerhin 592 Abgeordnete in die Situation gekommen, hier mitzuwirken.

Dies sind zwei weitere Gründe für die Ablehnung des Antrags.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun stellen die Bündnisgrünen einen Antrag, der so aussieht, als könnte er rechtskonform sein. Sie beantragen nämlich nichts anderes, als alle Ausschüsse der 17. Wahlperiode einzusetzen. Das Problem ist,

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Rechtswidrig!)

dass auch dies keine ständigen Ausschüsse sind. Die Grünen sagen ja selbst, dass sie sich selbst auflösen sollen, sobald der endgültige Zuschnitt der Ausschüsse feststeht. Aufgrund dieses Punktes ist auch dieser Antrag nicht rechtskonform.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dieser Antrag hat mich auch deshalb ein wenig gewundert, weil in der Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer vonseiten der Grünen gesagt wurde: Die Gesetzentwürfe des Bundesrates sollten wir im Hauptausschuss beraten. Okay, Sie müssen klären, welcher Widerspruch sich hier zeigt.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sehr gut!)

Fakt ist: Hätten Sie in der letzten Bundestagssitzung unserem Antrag zugestimmt, dann wäre der Bundestag längst arbeitsfähig, und er wäre es demokratisch und rechtskonform.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)