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Bundesstiftung Magnus Hirschberg endlich verlässlich (institutionell) fördern

Rede von Harald Petzold,

Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Wenn wir über den Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für das Jahr 2016 reden, dann reden wir selbstverständlich über viele Zahlen, über Einnahmen, über Ausgaben, über Verpflichtungsermächtigungen - das ist eine Art Bürgschaft für Ausgaben, die in der Zukunft anfallen -, über Kredite, über Neuverschuldung oder keine Neuverschuldung sowie über Zinsen. Ich bin der Meinung, wir sollten in einem solchen Moment viel mehr darüber sprechen, was die Bundesrepublik Deutschland alles tut, damit Menschen zu ihrem Recht kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Kollegin Caren Lay hat hier für den Bereich des Verbraucherschutzes schon einiges gesagt. Ich kann ihr nur zustimmen: Die Große Koalition tut zu wenig für Verbraucherschutz. Die Linke ist damit nicht einverstanden.

Ich bin der Meinung, wir sollten darüber hinaus auch darüber sprechen, welche Sprache unser Recht hat. Denn viele Menschen verstehen schon aufgrund dieser Sprache gar nicht, was eigentlich ihr Recht ist, und kommen damit nicht zu ihrem Recht.

Wir sollten darüber sprechen, was diese Bundesrepublik dafür tut, dass sich Menschen ermutigt fühlen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Auch da passiert viel zu wenig. Wir haben Verfahren, die Menschen offensichtlich davon abhalten, einen Rechtsstreit zu führen, um zu ihrem Recht zu kommen. Ich kann Sie alle nur einladen, in meine Sprechstunden zu kommen. Dort würden Sie Schicksale im Zusammenhang mit der Rechtspolitik kennenlernen, bei denen es einem kalt über den Rücken läuft.

Wir sollten auch darüber sprechen, was die Bundesrepublik Deutschland tun müsste, damit in der Geschichte begangenes Unrecht aufgearbeitet wird und Menschen, die von diesem Unrecht betroffen waren oder sind, endlich zu ihrem Recht kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Um es vorwegzunehmen: Auch bei der Aufarbeitung und Beseitigung von Unrecht und von Menschenrechtsverletzungen tut die Große Koalition, tut diese Bundesregierung eindeutig zu wenig. Damit ist meine Fraktion absolut nicht einverstanden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will das am Beispiel der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld deutlich machen. Ich habe bereits in den Ausschusssitzungen darauf hingewiesen: Diese Stiftung basiert auf einem historischen Erbe, das Deutschland und insbesondere seine Hauptstadt Berlin einmal groß gemacht hat, nämlich auf der Tätigkeit, der Forschung und den Arbeiten des Berliner Arztes und Sexualforschers Magnus Hirschfeld, der 1918 eine Stiftung mit seinem Namen und 1919 das weltweit erste wissenschaftliche Zentrum für Sexualforschung errichtet hat und dessen Werk, dessen Forschungsergebnisse und dessen Leben von den Nazis zerstört worden sind. Sie zertrümmerten 1933 nicht nur sein Institut, sondern sie verbrannten auch seine Bücher und versuchten, sein Lebenswerk auszulöschen.

Sie verschärften 1933 den unsäglichen Strafrechtsparagrafen 175, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, und verhafteten, kerkerten ein und ermordeten Tausende von schwulen Männern, an die vor allen Dingen Lesben und Schwule in unserem Land alljährlich erinnern. Leider fand das Leid der Homosexuellen auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kein Ende. Die junge Bundesrepublik setzte diesen Paragrafen unverändert fort, und auch in der DDR wurde er - zwar in abgemilderter Form, aber immerhin - fortgesetzt und gesamtdeutsch erst 1994 außer Kraft gesetzt.

Dem Unrecht, das auf dem Paragrafen 175 basierte, widmet sich die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die im Jahr 2011 neu gegründet worden ist. Deren Arbeit besteht nicht nur in der Aufarbeitung des Unrechts und in der Wiedergutmachung, sondern auch darin, dass Homophobie aus unserer Gesellschaft verbannt wird. Ich könnte eine Liste von Projekten nennen, aber ich will exemplarisch das Projekt „Fußball für Vielfalt“ nennen, mit dem die Stiftung maßgeblich versucht, das Klima in unserem Land zu verändern und Homophobie zu beseitigen.

Ich kann dem Bundesjustizminister nur zustimmen, wenn er in seinem Grußwort für den Tätigkeitsbericht 2014 der Bundesstiftung schreibt:

Die Bundesstiftung trägt mit ihrer engagierten und vielfältigen Bildungs- und Forschungsarbeit entscheidend dazu bei, an die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in der Vergangenheit zu erinnern und aktuelle Benachteiligungen zu bekämpfen.

Aber was um alles in der Welt, Herr Justizminister, hält Sie dann davon ab, sich wenigstens Überlegungen zu öffnen, dass die Arbeit dieser Stiftung auf eine verlässlichere finanzielle Basis gestellt wird?

(Beifall bei der LINKEN)

Wer die Arbeit einer solchen Stiftung von den schwankenden Erträgen des Finanzmarktes abhängig macht, dem kann ich nur sagen: Ihm fehlt der politische Wille, die Arbeit der Stiftung auf eine verlässliche Basis zu stellen. Damit wird sich die Linke nicht einverstanden erklären. Wir fordern erneut die institutionelle Förderung der Stiftung.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)