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Bundeseinheitliche soziale und ökologische Standards gehören ins Vergaberecht

Rede von Ulla Lötzer,

- es gilt das gesprochene Wort -

Frau/Herr Präsident(in)
Kolleginnen und Kollegen,

in der 14. Legislaturperiode hatte der Bundestag ein Vergabegesetz verabschiedet, das Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen an die Zahlung von Tariflöhnen bindet. Dies wurde im Bundesrat blockiert, die Begründung: dies sei Ländersache.

8 Länder haben Vergabegesetze beschlossen - entstanden ist ein Flickenteppich mit unterschiedlichsten Regelungen: bei den einen gelten soziale Kriterien nur für die Bauindustrie, bei anderen für alle Branchen. Die einen richteten Kontrollstellen ein, die anderen nicht.

Es gibt Kommunen, die sozial und ökologisch verantwortlich einkaufen wollen. Die Städte Neuss und Düsseldorf z.B. kaufen keine Produkte mehr aus Kinderarbeit.

Der rot-rote Senat aus Berlin wollte alle Unternehmen verpflichten Tariflöhne einzuhalten oder mindestens 7.50 Euro in der Stunde zu zahlen.

Das Bundesverfassungsgericht hat zu dem Berliner Vergabegesetz ausdrücklich 2006 festgestellt:
- Tariftreueregelungen verhindern die Benachteiligung tariftreuer Unternehmen im Wettbewerb,
- sie wirken Lohndumping entgegen,
- sie dienen dem Erhalt wünschenswerter sozialer Standards
- und stabilisieren damit die Tarifautonomie.

Alles Gründe, mit einer bundesweiten Regelung für fairen Wettbewerb und Rechtssicherheit zu sorgen und gleiche Bedingungen für alle zu garantieren.

Und 30 000 Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen vergeben jährlich Aufträge im Volumen von 360 Mrd. Euro. Eine bedeutsame Marktmacht, mit der Sie mit diesem Gesetz Normen für soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen setzen können. Sie haben es mit dem Entwurf in der Hand ob Beschäftigte im Auftrag der öffentlichen Hand zu Dumpinglöhnen Müll abfahren, die Räume putzen oder für Sicherheit sorgen.

Sie haben es in der Hand, ob der Anteil von 0,5% Ökostrom in den Behörden erhöht wird und damit etwas für den Klimaschutz getan wird, oder nicht. Und sie haben es in der Hand, ob Produkte gekauft werden, die von Kindern in Steinbrüchen Indiens bearbeitet wurden, oder nicht. Demgegenüber ist Ihr Entwurf beschämend.

Sie legen keine verpflichtende Kriterien fest, sondern schieben diese Verantwortung auf die Kommunen und Länder ab. Diese sollen das auftragsbezogen regeln können. Das einzig positive ist ihre Förderung kommunaler Unternehmen und kommunaler Zusammenarbeit, wie auch die Mittelstandsklausel.

Wir fordern sie deshalb auf, die Förderung von betrieblicher Ausbildung und Langzeitarbeitslosen, die ökologische Beschaffung, den fairen Handel und Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen verbindlich in das Vergabegesetz aufzunehmen.

Kommen wir zur Tarifautonomie. Ja, der europäische Gerichtshof hat nur allgemeinverbindliche Tarifverträge und einen gesetzlichen Mindestlohn als Kriterium für die Auftragsvergabe anerkannt.

Ein Urteil in einer Serie von Urteilen, mit denen der europäische Gerichtshof die sozialen und demokratischen Grundrechte, wie das Streikrecht und die Tarifvertragsfreiheit niedriger bewertet als die Binnenmarktfreiheit eines Unternehmens mit Dumpinglöhnen Aufträge zu bekommen. Ein Skandal, Herr Glos.

Was machen Sie dagegen? Als erstes endlich ein gesetzlicher Mindestlohn fällig. Stattdessen verstecken sich jetzt mit ihrer Vorlage im Vergabegesetz hinter dem europäischen Gerichtshof.

Das Urteil des europäischen Gerichtshofs zwingt Sie auch nicht, die Tariftreue fallen zu lassen.
Auf nationaler Ebene können sie die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Sie, Herr Glos, schätzen die Tarifautonomie nur als Argument zur Verhinderung gesetzlicher Mindestlöhne. Wenn es aber darum geht, sie zu schützen, rührt sich bei Ihnen kein Finger.

Beim europäischen Parlament regt sich Widerstand. Die fordern den Schutz der Tarifvertragsfreiheit in der Entsenderichtlinie. Unterstützen Sie dieses Anliegen im europäischen Rat.

Der europäische Gewerkschaftsbund tritt für eine soziale Fortschrittsklausel in Form eines Protokolls zu den europäischen Verträgen ein, mit dem der Vorrang der Grundrechte und Grundwerte vor den Binnenmarktfreiheiten der Unternehmen abgesichert wird.

Werden sie in Brüssel in diesem Sinne vorstellig.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gehört ins Vergaberecht und die europäischen Verträge.