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Bund muss sich angemessen an den Kosten der Unterkunft beteiligen

Rede von Katrin Kunert,

71. Sitzung des Deutschen Bundestages, am Donnerstag, dem 11. November 2010

TOP 30
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 17/3631 -


Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der uns vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung legt die Bundesbeteiligung an den Wohnkosten für Haushalte von ALG-II-Beziehenden für das Jahr 2011 fest. Der Beteiligungssatz des Bundes soll für das Jahr 2011 für Baden-Württemberg auf 28,5%, für Rheinland-Pfalz auf 34,5% und für die übrigen Länder auf 24,5% festgesetzt werden. Damit liegt die Bundesbeteiligung 2011 bundesdurchschnittlich bei 25,1%.

Die Höhe der Bundesbeteiligung muss seit dem Jahr 2008 auf Grundlage der An-passungsformel nach § 46 Abs. 7 SGB II jährlich angepasst werden, sofern die Ver-änderung der jahresdurchschnittlichen Zahl der Bedarfsgemeinschaften mehr als 0,5% beträgt. Da sich die jahresdurchschnittliche Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Zeitraum von Juli 2008 bis Juni 2009 um 2,2% erhöht hat, ist eine gesetzliche Anpassung der Bundesbeteiligung für das Jahr 2011 erforderlich.

Soweit zum Sachverhalt. Es ist schon beeindruckend, wie beratungsresistent die Bundesregierung in Sachen Kosten der Unterkunft gegenüber der nunmehr seit mehreren Jahren anhaltenden massiven Kritik der Kommunen und Länder ist. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Bundesregierung daran festhält, sich nicht angemessen an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft für ALG-II-Beziehende zu beteiligen. DIE LINKE will die Bundesregierung nicht ungeschoren davon kommen zu lassen. Daher haben wir auch beantragt, den Gesetzesentwurf nicht stillschweigend durchgehen zu lassen.

Auch wenn sich die Bundesbeteiligung für das Jahr 2011 um bundesdurchschnittlich 1,5% erhöhen soll, entspricht diese bei weitem nicht dem eigentlich zu zahlenden Anteil des Bundes. Würden die realen Ausgaben für Kosten der Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt werden, müsste sich der Bund im Jahr 2010 mit 35,8% und im Jahr 2011 mit 37,7% beteiligen. Das hat der Landkreistag auf der Grundlage langfristiger Betrachtungen des realen Kostenverlaufs errechnet.

Der Bund ist nach wie vor nicht bereit, sich angemessen an der Finanzierung der Wohnkosten für Hartz IV-Beziehende zu beteiligen. Seit Jahren zieht er sich aus der Finanzierung der Wohnkosten zurück. Betrug der Bundesanteil im Jahr 2007 noch 4,36 Milliarden Euro (31,8 Prozent), so sollte er für das Jahr 2010 nur noch 3,7 Milliarden Euro (23,6 Prozent) betragen. Der Bundesrat hatte sich dagegen ausgesprochen und am 18. Dezember 2009 den Vermittlungsausschuss angerufen. Eine Einigung wurde bis dato nicht erreicht.

Ich habe das Scheitern des Sechsten Gesetzes zur Änderung des SGB II über die Kosten der Unterkunft im Bundesrat ausdrücklich begrüßt. Mit der Ablehnung wird die Isolierung der Bundesregierung in dieser Frage offensichtlich. All diejenigen, die mit den sozialen Problemen direkt konfrontiert sind, schätzen schon lange ein, dass die Politik der Bundesregierung die Probleme verschärft statt sie zu lösen.

Aber all das scheint die Bundesregierung nicht zu stören, ansonsten hätte sie heute dem Bundestag einen anderen Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des SGB II zur Regelung des Bundesanteils vorgelegt.

Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich die Realität sozialer Spaltung zur Kenntnis nehmen und ihre Politik darauf ausrichten. Der Bundesanteil an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft muss deutlich erhöht werden. Der Bund darf sich nicht länger zu Lasten der Kommunen und der Hartz IV-Beziehenden sanieren. Die Kommunen brauchen endlich eine solide Finanzausstattung, damit die Einwohnerinnen und Einwohner ein würdevolles Leben führen können, wozu auch eine menschenwürdige Wohnung gehört.

Ich fordere die Bundesregierung auf, ihren Gesetzesentwurf zurückzuziehen und dem Bundestag umgehend einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. In dem neuen Gesetzesentwurf ist erstens die Anpassungsformel dahingehend zu ändern, dass die Berechnung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung in § 46 Absatz 7 SGB II auf der Basis der tatsächlichen Ausgaben für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 SGB II erfolgt. Zweitens ist auf der Grundlage dieser veränderten Formel eine Neuberechnung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung für die Jahre 2010 und 2011 vorzunehmen.