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Brigitte Freihold: Versöhnung braucht Vertrauen und Aufklärung – Für ein deutsch-polnisches Museum

Rede von Brigitte Freihold,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Die Linke begrüßt den Vorschlag der Koalitionsfraktionen, einen Erinnerungsort für die Opfer des deutschen Überfalls auf Polen und des beispiellosen Terrorregimes deutscher Besatzung in Polen während des Zweiten Weltkrieges zu errichten. Was die Ausgestaltung betrifft, bleibt der Antrag jedoch vage. Zudem ist es angesichts der Bedrohungen für unsere Demokratie schäbig, dass die Antragsteller erneut erinnerungspolitische Themen instrumentalisieren und mit der Linken nicht zusammenarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir legen deshalb einen eigenen konkreten Vorschlag für einen solchen Erinnerungsort vor, der politische Bildung, Gedenken, Aufklärung und Verantwortung in einem Museum verbindet.

Die deutsch-polnischen Beziehungen stecken in einer politischen Sackgasse. Es hilft nicht, die Probleme schönzureden oder zu glauben, Versöhnung wäre zum Spartarif möglich, ohne Widerspruch und gelebte Verantwortungsübernahme.

Das Desinteresse der Bundesregierung an der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag spricht Bände. Die Verantwortung für den Erhalt der Gedenkorte für die deutschen Verbrechen in Polen wird noch immer nicht in vollem Maße übernommen, obwohl insbesondere die Gedenkstätten der deutschen Vernichtungslager Treblinka und Belzec dringend Unterstützung benötigen. Deutsch-polnische Forschungsprojekte zum Schicksal der polnischen Roma in der „Aktion Reinhardt“ oder die Identifizierung jüdischer Massengräber werden nicht unterstützt. Diese Asymmetrie bei der Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit einem Polen-Denkmal wollte sich die Bundesregierung billig aus der Affäre ziehen, vor allem um Reparationen abzulehnen. Trotz Unterstützung durch namhafte Persönlichkeiten wurde das Projekt durch unprofessionelle Kommunikation, die innenpolitisch bestimmt, aber außenpolitisch Wirkung entfalten sollte, vor die Wand gefahren.

Einen Gedenkort macht man für und mit jemandem. Man redet mit den Betroffenen, vor allem den polnischen Opferverbänden und der Zivilgesellschaft unter Berücksichtigung der politischen, kulturellen sowie sprachlichen Identität.

Bei der Gelegenheit: Polnische Frauen zeigen gerade das diverse, progressive und freiheitliche Gesicht Polens bei ihren Protesten gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts, für die Trennung von Staat und Kirche und gegen Nationalismus und Antisemitismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Die hochbetagten Opfer der deutschen NS-Politik in Polen sind noch am Leben, wie zum Beispiel die Opfer der Zwangsgermanisierung oder die als Kinder in Ghettos ausgebeuteten Juden und Roma. Sie brauchen Anerkennung und Würde, auch durch Renten und Entschädigungen, die ihnen bisher verweigert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beziehungen zu unserem östlichen Nachbarn haben großes Potenzial für den Erhalt europäischer Werte und die Stärkung des Vertrauens in Europa, und sie dürfen nicht länger stiefmütterlich behandelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen deshalb ein deutsch-polnisches Doppelmuseum, partnerschaftlich gebaut, aber von Deutschland finanziert, jeweils die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen der anderen Seite erläuternd und näherbringend. Das wäre die längst überfällige Wertschätzung auf Augenhöhe.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das kostet natürlich Geld, das Sie offensichtlich für Polen nicht ausgeben möchten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)