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Bremse ziehen und gleichzeitig Gas geben

Rede von Gesine Lötzsch,

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Karl Diller hat es vorhin beschrieben: Im September 2008 war die Welt für Minister Steinbrück noch in Ordnung. Eine Krise gab es irgendwo im bösen Amerika. Die Linke wurde für ihre guten Vorschläge als populistisch
beschimpft. Und nun? Herr Diller, auch wenn es heute Ihre letzte Rede ist und auch ich Ihnen für die Zukunft selbstverständlich alles Gute wünsche, so wären ein paar Überlegungen zu dem Beitrag, den die Bundesrepublik
Deutschland und die Europäische Union zu dieser Krise geleistet haben, angemessen gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es wäre heute an der Zeit gewesen, in ein paar Worten die Zulassung von zerstörerischen Finanzmarktprodukten, die Zulassung von Hedgefonds und die mangelnde Bankenaufsicht selbstkritisch anzusprechen. Mit der Auffassung, dass alles aus dem bösen Amerika kommt, macht man es sich zu einfach.
(Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Das hat er mit euch
gemeinsam! - Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Eben
nicht!)
- Gleich komme ich zu Ihnen, Herr Koppelin.
CDU und FDP liefern sich trotz dieser beispiellosen Finanzkrise einen verantwortungslosen Wettbewerb um die größten Steuergeschenke an Banken, Unternehmen und Besserverdienende. Die FDP fordert eine
Steuerentlastung von über 30 Milliarden Euro und die CDU von etwa 15 Milliarden Euro. Damit haben sich diese beiden Parteien endgültig von einer seriösen Haushaltspolitik verabschiedet.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Schlimme ist, dass Sie, Herr Kollege Kampeter, es als
haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU besser wissen. Sie wissen nämlich, dass es so nicht geht.
Ihre Finanzpolitik wird auch nicht dadurch seriöser, dass Sie jetzt den fatalen Beschluss für eine Schuldenbremse gefasst haben. Man würde bei jeder Fahrschulprüfung durchfallen, wenn man die Bremse ziehen und
gleichzeitig Gas geben würde. Aber der Finanzminister muss Gas geben, ob er will oder nicht. In diesem Jahr muss er insgesamt rund 50 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Hinzu kommen die Schattenhaushalte wie
Bankenrettungsfonds und kommunales Investitionsprogramm. Insgesamt sind es ungefähr 80 Milliarden Euro neue Schulden. Im nächsten Jahr, im Jahr 2010, werden es 90 Milliarden Euro Schulden sein, die dann die neue Regierung aufnehmen muss.
In Anbetracht dieser unglaublichen Schuldenberge hätte ich gern von CDU/CSU und FDP gewusst, wie sie eigentlich die weiteren Steuersenkungen finanzieren wollen.
(Frank Spieth (DIE LINKE): Durch
Mehrwertsteuererhöhung!)
Weder Frau Merkel noch Herr Westerwelle haben auf diese entscheidende Frage öffentlich eine Antwort gegeben. Aber darauf haben die Bürger einen
Anspruch.

(Beifall bei der LINKEN - Frank Spieth (DIE LINKE): Sie
werden die Mehrwertsteuer erhöhen!)
Ich kann nur an das Jahr 2005 erinnern. Ich befürchte - das sollten sich alle Bürger vor Augen führen -, dass hier wieder mit gezinkten Karten gespielt wird. Im Jahr 2005 hat die SPD im Wahlkampf gegen die sogenannte Merkelsteuer gewettert. Die CDU forderte nämlich 2 Prozent
mehr Mehrwertsteuer. Die SPD wollte aber gar keine
Mehrwertsteuererhöhung. Herausgekommen, Sie erinnern sich, sind 3 Prozent Mehrwertsteuererhöhung. Das war ein klarer Wahlbetrug.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jörn Wunderlich
(DIE LINKE): Das machen sie wieder!)
Herr Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung forderte bereits einen Mehrwertsteuersatz von 25 Prozent. Ich sage Ihnen
voraus: Wenn es dazu kommen sollte, was wir alle nicht hoffen, dass CDU/CSU und FDP in diesem Haus die Mehrheit bilden, dann wird es weitere Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende geben und die Mehrwertsteuer wird auf unsoziale 25 Prozent erhöht. Darauf muss
sich jeder einstellen, der meint, bei der Bundestagswahl seine Stimme Schwarz oder Gelb zu geben. Das wäre die falsche Wahl.
(Beifall bei der LINKEN - Ernst Burgbacher (FDP): So
ein Unsinn!)
Auch die Linke fordert Steuersenkungen,
(Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Erhöhungen!)
aber für kleine und mittlere Einkommen. Wir sagen aber auch, an welcher Stelle wir die Steuern anheben wollen. Diejenigen, die sich in den letzten 20 Jahren eine goldene Nase verdient haben, müssen mit höheren Steuern
rechnen. Das ist nicht nur eine Forderung der Linken, sondern auch eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts. Das hat nämlich den Gesetzgeber verpflichtet, die Vermögensteuer spätestens bis zum
31. Dezember 1996 neu zu regeln. Jetzt haben wir das Jahr 2009. Dieser
Termin ist also fast 13 Jahre verstrichen. Das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ein Skandal!)
Wir Linke fordern eine gerechte Vermögensbesteuerung in unserem Land. Hätten wir eine Vermögensteuer wie in Großbritannien, dann hätten wir im Jahr 90 Milliarden Euro mehr im Staatssäckel. (Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)
Hätten wir eine Börsenumsatzsteuer wie in Großbritannien, hätten wir zusätzlich 70 Milliarden Euro mehr im Staatssäckel.
(Joachim Poß (SPD): Großbritannien hat eine
Neuverschuldung von 12 Prozent!)
Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, dass Großbritannien, unser Verbündeter, herumspinnt und eine Macke hat. So kann man nicht argumentieren, und so kann man mit Verbündeten nicht umgehen.
(Beifall bei der LINKEN - Otto Fricke (FDP): Die sind
überwiegend pleite!)
Ich kann nur eines sagen: Wer bei der Wahl Schwarz-Gelb eine
Mehrheit verschafft, wird einige Tage später dafür zahlen müssen. Wir als Linke werden diesen Nachtragshaushalt ablehnen, (Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Er soll erst einmal beraten werden!)
weil wir deutlich machen möchten, wer die gigantischen Schulden zu bezahlen hat. Wir wollen verantwortungslose Bankmanager und Politiker, die uns diese Krise eingebrockt haben, zur Kasse bitten und nicht die Bürgerinnen und Bürger. Das ist der falsche Weg. Wir stehen für eine soziale
Politik. Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)