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Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EU Bodenschutzrahmenrichtlinien voranbringen

Rede von Kirsten Tackmann,

Drucksache 17/3855 Rede zu Protokoll

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die LINKE teilt das Anliegen des Antrags der Grünen, den Bodenschutz politisch zu stärken.

Boden ist eine der wesentlichen, existenziellen Grundlagen der Menschheit. Das Eigentum an Boden und die Verfügbarkeit darüber war in allen menschlichen Gesellschaften eine der sensibelsten Fragen. Und wir dürfen nicht vergessen: Boden ist – zumindest in den Industriestaaten - nicht vermehrbar. Im globalen Süden gehen traditionelle, regional angepasste Nutzungs- und Bewässerungssysteme verloren, Boden fällt in Kriegsgebieten oder wegen fehlender technischer Ressourcen brach. Der Klimawandel beginnt, diese Situation zu verschärfen. Es gibt dramatische Ausweitungstendenzen der Wüsten. Die „Ausbeute“ aus der Bodennutzung, die Ernte, ist zwar steigerbar, wie die Industriestaaten in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt haben. Es stellt sich aber immer drängender die Frage: zu welchem Preis?

Verglichen mit dieser zentralen Bedeutung des Bodens und der Problemlage gehen wir immer noch recht sorglos mit dem Boden um. Das zu ändern ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Bodenschutz muss ein elementarer Politikbereich sein! Es gibt also gute Gründe, für eine Bodenschutzrahmenrichtlinie auf EU – Ebene.

Dass in Deutschland formal gesehen auf diesem Gebiet schon viel erreicht wurde, ändert daran nichts. Richtig ist, dass sich das deutsche Bodenschutzrecht im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen kann. Unter den politischen Kriterien für Nachhaltigkeit hat der Schutz der Böden einen besonderen Wert!

Doch wie sieht die Realität als konkretes Ergebnis der Bodenschutzpolitik aus?

Es ist alles andere als eine heile Welt. Auch in Deutschland sind wir weit davon entfernt, die gesteckten Ziele im Bodenschutz zu erreichen.

Ich möchte aus der Vielzahl von Problemen ein sehr zentrales Thema herausgreifen.

Der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Straßenbau ist in Deutschland nach wie vor skandalös hoch. Laut Indikatoren-Bericht 2010 zur Nachhaltigkeit des Statistischen Bundesamts beträgt er 104 ha pro Tag. Das sind 100 Fußballfelder täglich. Und dass, obwohl die Bevölkerung schrumpft. Der Beirat zum Bodenschutz im Umweltbundesamt hat vor Kurzem angesichts dieser Sachlage drastische Forderungen gestellt: eine schnelle Reduzierung des Flächenverbrauchs auf 30 ha, mittel- und langfristig auf null Hektar pro Tag. Wir diskutieren über solche Forderungen schon sehr lange. Es muss endlich etwas passierten. Aus Sicht der LINKEN können wir nur noch über den Weg dorthin diskutieren, aber nicht mehr über das Ziel!

Mit rund der Hälfte der Fläche Deutschlands ist die Landwirtschaft ein wichtiger Bodennutzer. Damit hat die Landwirtschaft auch hohe Mitverantwortung. Bodenschutz in der direkten landwirtschaftlichen Erzeugung ist dabei relativ einfach und im Grunde unumstritten. Keine Bäuerin oder kein Bauer kann Interesse daran haben, dass es in der Bewirtschaftung von Böden zu Erosion und zur Minderung der Bodenfruchtbarkeit kommt. Auch die Steigerung des Humusgehalts im Boden ist im ureigendsten Interesse der nachhaltigen landwirtschaftlichen Erzeugung und dient dabei sogar noch dem Klimaschutz. Zumindest bei bäuerlicher Bewirtschaftung ist dieses Verständnis weit verbreitet, wenn auch die Rahmenbedingungen eines marktradikalen Agrar-Leitbildes ihnen die Spielräume zum Handeln immer mehr verengt. Umso mehr muss aber gelten: kein Bauernland in Spekulantenhände! Sonst wird die Durchsetzung des Bodenschutzes noch schwieriger.
Die politischen Ziele sind klar, über die Mittel kann man sicherlich diskutieren.

Die Landwirtschaft ist einerseits Opfer des hohen Flächenverbrauchs, aber sie trägt auch kräftig dazu bei. Und die Frage ist durchaus berechtigt: müssen Neubauten für Ställe, Silos oder Biogasanlagen auf noch unversiegelten Flächen im Außenbereich gebaut werden? Wir haben in Deutschland bereits Stallkapazitäten für rund 13 Millionen Rinder, 27 Millionen Schweine und knapp 130 Millionen Stück Geflügel. Nahezu überall deckt die Erzeugung mehr als den einheimischen Bedarf. Zudem konzentriert sich die Tierhaltung immer mehr in bestimmten Regionen, zum Beispiel in Niedersachsen oder NRW. Verstärkt werden dort Flächen für Stallneubauten beansprucht und zusätzlich Boden durch hohes regionales Gülleaufkommen belastet. In Ostdeutschland dagegen decken die Viehdichten dagegen oft nicht den regionalen Bedarf an Wirtschaftsdünger. Standortgerechte Tierhaltungsdichten gehören also zu einem Bodenschutz-Management.

Manchmal wird aber heute auf dem Altar des Weltmarktes allzu leichtfertig das landwirtschaftliche Privileg des Bauens im Außenbereich überstrapaziert.

Dabei stehen die vielen geplanten Großanlagen für Millionen Hähnchen, Hundertausende Schweine oder tausende Ziegen zu Recht besonders in der Kritik. Kein Wunder, dass unterdessen die Privilegierung der Landwirtschaft nach § 35 Baugesetzbuch in Frage gestellt wird! Wir LINKE sind zwar nach wie vor der Meinung, dass das Problem anders als über das Baurecht geregelt werden muss, aber am Ende verspielt die Agrarwirtschaft selbst dieses Privileg durch überzogene, in der Gesellschaft nicht akzeptierte Vorhaben!

Wer das Thema Bodenschutz ernst nimmt, muss jetzt radikal umdenken. Das heißt: bei jeder Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen die Notwendigkeit konsequent hinterfragen und alternativ Entsiegelungsoptionen ernsthaft prüfen. Natürlich müssen veraltete Stallanlagen irgendwann ersetzt werden, aber warum immer als Neubau auf unversiegelten Flächen?

Fazit: der Flächenverbrauch muss radikal reduziert werden.

Bodenschutz geht uns alle an. Neben der politischen Stärkung auf europäischer Ebene gehört eine konsequente Umsetzung des Bodenschutzes im eigenen Land!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.