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Birgit Menz: Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz: Chance vertan

Rede von Birgit Menz,

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Mit dem Entwurf zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes wurde seitens der Bundesregierung der Versuch unternommen, unter anderem – ich zitiere – „die Grundlagen für einen umfassenderen Schutz der Natur in Nord- und Ostsee sowie für die beschleunigte Errichtung eines Biotopverbundes an Land“ zu legen.

Nun hört sich diese Absicht sehr gut an, und es ist auch dringend geboten; denn vor allem der ökologische Zustand von Nord- und Ostsee ist mehr als bedenklich. Gründe dafür gibt es viele: Überfischung, Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung durch Schleppnetzfischerei oder Rohstoffabbau. Aber auch Lärmverschmutzung durch zunehmenden Schiffsverkehr und militärische Übungen gefährden nicht nur den ökologischen Zustand der Gewässer, sondern auch die darin lebenden Arten wie zum Beispiel den Ostseeschweinswal, von dem es nur noch 450 Exemplare gibt.

Mit der Novellierung hätte die Chance bestanden, insbesondere beim nationalen Meeresschutz ein paar Schritte voranzukommen. Aber seit Jahren sind in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee Meeresschutzgebiete im Rahmen von Natura 2000 ausgewiesen, ohne dass bisher ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Es darf dort munter weiter gefischt sowie Sand- und Kiesabbau betrieben werden – und das in einem ausgewiesenen Schutzgebiet.

Das aktuelle europäische Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten in der AWZ dauert an und ist nur ein Beleg für die unzureichende Meeresschutzpolitik, die die Bundesregierung auf nationaler Ebene in den letzten Jahren betrieben hat. Die Vermutung liegt nahe, dass die deutschen Prioritäten bezüglich der Meerespolitik nicht etwa beim Schutz von Meeresumwelt oder der Artenvielfalt liegen, sondern anders geartet sein müssen. Wie sonst würde sich die noch im Entwurf enthaltene Einvernehmensregelung bezüglich der Ausgestaltung der AWZ-Verordnungen erklären? Diese Regelung hätte einen effektiven Meeresschutz verhindert, da sie den einzelnen Ministerien die Möglichkeit gegeben hätte, die für den Meeresschutz dienlichen Verordnungen aufgrund anderer, meist wirtschaftlicher Interessen zu blockieren. So etwas darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen verbindliche Regelungen, die die Gebiete in Nord- und Ostsee auch effektiv schützen und ihnen Zeit zur Erholung geben, damit diese auch für folgende Generationen erhalten bleiben. Solche Regelungen gibt es derzeit aber nicht.

Doch nicht nur zu Wasser erfolgt der Schutz von Natur und Tier schleppend, auch an Land kommt die Bundesregierung nicht in Schwung. Exemplarisch steht dabei die Schaffung – man müsste eigentlich sagen: die Nichtschaffung – eines Biotopverbundes an Land. Ziel eines solchen Verbundes ist es unter anderem, heimische Arten und Artengemeinschaften sowie deren Lebensräume nachhaltig zu schützen.

Seit dem Jahr 2002, also seit sage und schreibe 15 Jahren, ist dessen Realisierung vorrangig Aufgabe der Länder, welche bisher jedoch nicht ausreichend umgesetzt werden konnte, da es bisher weder Fristen noch Anreize oder andere Mechanismen gibt, die eine Umsetzung beschleunigen würden. Was macht die Bundesregierung? Sie legt eine Frist für das Jahr 2027 fest, welche überhaupt nicht im Einklang mit den Zieljahren anderer Biodiversitätsziele steht.

Noch schlimmer macht es der Änderungsantrag der Großen Koalition mit der Forderung, sich, wenn überhaupt, erst in der nächsten Legislaturperiode mit einer Frist zu beschäftigen.

Bitte führen Sie sich vor Augen: Wir erleben gerade das größte Artensterben seit dem Zeitalter der Dinosaurier. Die Rote Liste der Weltnaturschutzunion weist derzeit etwa 24 000 Tier- und Pflanzenarten aus, die vom Aussterben akut bedroht sind. Auch in Deutschland können wir beobachten, dass immer weniger Tier- und Pflanzenarten Raum zum Leben haben.

Die schnellstmögliche Umsetzung eines Biotopverbundes ist daher dringend notwendig, um dem auch hierzulande stattfindenden Artensterben entgegenzuwirken. Dem vorliegenden Gesetzentwurf können wir nicht zustimmen. Er ist in dieser Form ein Schlag ins Gesicht engagierter Naturschützer.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)