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Birgit Menz: Mehr Schein als Sein

Rede von Birgit Menz,

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Katja Kipping hat es schon deutlich gemacht: Wir sehen die Strategie mehr als kritisch, und wir haben allen Grund dazu. Seit sich die Staats- und Regierungschefs bei den Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 auf nichts weniger als auf eine Transformation unserer Welt verständigt haben, ist nun über ein Jahr vergangen.

Dass die Aushandlung einer Strategie viel Zeit braucht und dass dabei jeder Kompromisse machen muss, ist klar. Aber Sie hatten seit 2015 Zeit, konkrete Politik zu machen, die zumindest erste Schritte in die richtige Richtung macht.

Aber was haben Sie in dieser Zeit getan? Sie haben einen Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ verabschiedet, mit dem die Bundesregierung weiter auf Freiwilligkeit setzt, statt endlich verbindliche Regeln für deutsche Unternehmen und Konzerne einzuführen, die sich an Landraub beteiligen oder durch Raubbau an der Natur die Existenzgrundlage lokaler und regionaler Ökonomien zerstören.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie halten weiter an Verhandlungen über neoliberale Konzernschutzabkommen fest, trotz massiver Proteste der Menschen gegen TTIP und CETA. Diese Aktivitäten, die dem Ziel der Agenda 2030 klar entgegenstehen, finden sich nun in der Strategie wieder, mit der Sie die Umsetzung der SDGs erreichen wollen. Verzeihen Sie, wenn uns da Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Strategie kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung schätzt die Herausforderung, vor der wir stehen, durchaus richtig ein. Es geht in der Tat darum, umfassende, beschleunigte Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten und voranzutreiben. Aber woran es dieser Strategie fehlt, ist eine kritische Ursachenanalyse, die die bisherige neoliberale Politik der Bundesrepublik und der EU als Teil des Problems versteht.

Diese Ursachenanalyse nachzuholen, fordert die Linke in ihrem Entschließungsantrag zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Denn nur auf der Grundlage einer ehrlichen Ursachenanalyse ist es möglich, sinnvolle Ziele zu setzen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Ziele auch wirklich zu erreichen.

Die Linke hat sich über den gesamten Post‑2015-Prozess immer wieder mit Anträgen dafür eingesetzt, die verfehlte Politik der Industrieländer, auch Deutschlands, in den Bereichen der Agrar-, Wirtschafts- und Handels­politik klar als Ursachen von Hunger, Armut und Ungleichheit zu benennen. Deutsche Politik muss Verantwortung dafür übernehmen, welche Auswirkungen unser Handeln für die Chancen auf eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung weltweit hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Nachhaltigkeitsstrategie muss diese internationale Verantwortung als Aufgabe aller Politikbereiche definieren. Die Linke hat dazu konkrete Forderungen vorgelegt: Nachhaltigkeitsklauseln statt Liberalisierungsverpflichtungen in Handelsabkommen, Besteuerung von Spitzeneinkommen und Vermögen, Aufbau von sozialen Sicherungssystemen und Mindestlöhnen, Transaktionsteuern, Verbot von Spekulationen mit Nahrungsmitteln, eine internationale Bekämpfung von Steuerflucht und -vermeidung, eine Kartellbehörde zur Entflechtung marktbeherrschender globaler Unternehmen, Abbau von Rüstungsetats und eine Umwidmung der freiwerdenden Mittel für die Entwicklungsfinanzierung, um nur ein paar Punkte zu nennen.

Sie haben sich entschieden, all diese strukturellen Fragen nicht in die Strategie einfließen zu lassen. Stattdessen diskutieren Sie, nur ein paar Monate nachdem Ihre Strategie zur Umsetzung der SDGs verabschiedet wurde, über eine drastische Erhöhung des Verteidigungshaushaltes.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Das zeigt: Sie sprechen von Transformation und globaler Verantwortung, aber eine entsprechende Politik machen Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch Ihre Politik wird dem Begriff „Transformation“ das gleiche Schicksal widerfahren wie dem der „Nachhaltigkeit“, nämlich dass er verbrannt wird, weil sich ihn alle aneignen wollen, ohne damit inhaltliche Konsequenzen zu verbinden. Aber Nachhaltigkeit verlangt die Systemfrage. Transformation anerkennen muss heißen, eine andere, eine sozial ökologische Politik zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)