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Biokraftstoffquotengesetz

Rede von Hans-Kurt Hill,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Biokraftstoffquotengesetz steckt mehr drin, als der Titel ahnen lässt.
(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Stimmt!)
Erstens. Per Gesetz wird hier eine neue Zulieferindustrie für Mineralölkonzerne geschaffen. Sie erdrosseln gleichzeitig eine ganze Branche, diejenigen, die reine Biokraftstoffe herstellen, und gefährden damit langfristig Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland. Herr Dr. Solms hat es eben auf den Punkt gebracht.
Ich beziehe mich hier auf eine Meldung des Biokraftstoffverbandes von dieser Woche. Biokraftstoffe sollen dem herkömmlichen Benzin und Diesel zu vorgeschriebenen Anteilen beigemischt werden, und das bei vollem Steuersatz. Was wird die Mineralölwirtschaft machen? Die Kollegin Eva Bulling-Schröter hat es eben gesagt. BP und Co. werden dort kaufen, wo es am billigsten ist, nämlich im Ausland, bzw. sie werden, Herr Schindler, unserer Landwirtschaft die Preise diktieren. Die Herstellung von Biosprit rechnet sich nur - ganz wie es sich unser Industrieminister, Herr Gabriel, vorstellt - in wenigen Großanlagen der Multis.
(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ist der Industrieminister?)
Um die Produktionskapazitäten auszulasten, werden die Energiepflanzen aus ganz Europa zusammengekarrt. Auch hier ist am billigsten, was in riesigen Monokulturen angebaut wird und mit 40-Tonnen-LKWs über die Autobahn gekarrt wird.
(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Demnächst 60-Tonner!)
- Oder auch mit 60-Tonnern. - Da freuen sich der Kollege Toll Collect und insbesondere unser Finanzminister.
Zweitens. Reine Biokraftstoffe, die echte Alternative zu fossilen Brennstoffen, werden aufs Abstellgleis geschoben. Was über die Zwangsquote hinaus auf den Biokraftstoffmarkt kommt, wird mit der Stufensteuer bestraft. Mit einer echten Förderung im Sinne der EU-Richtlinie für Biokraftstoffe hat das nichts zu tun.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine faire Steuerbegünstigung dagegen muss auch an den Effekten für Klima-, Umwelt- und Naturschutz sowie Versorgungssicherheit gemessen werden. Sie müssen schon Hellseher sein, meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wenn Sie zu wissen glauben, dass sich für das Jahr 2010 daraus eine Steuerentlastung von exakt 21,04 Cent je Liter ergeben wird.
Drittens. Der Effekt für den Klimaschutz ist gleich null. Nicht nur Monokulturen und lange Transportwege verschlechtern die Klimabilanz, bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Quotengesetz als eine Lex Volkswagen. Nach einer aktuellen Klimaschutzstudie, die der Europäische Verband für Verkehr und Umwelt gestern veröffentlicht hat, wurden VW und Audi auf die hinteren Plätze verwiesen. Unter den 20 meist verkauften Marken Europas belegen sie Platz 14 und 17. Grund sind die miesen CO2-Werte ihrer Autos. Die selbst gesteckten Ziele von VW werden um fast 50 Prozent verfehlt. Aber mit beigemischtem Biosprit kann man die Klimabilanz schönrechnen, indem auf dem Papier die CO2-Neutralität des Biomasseanteils abgezogen wird. VW liegt eben in Niedersachsen. Aber keine Sorge, wir lassen Ihnen das nicht durchgehen.
Viertens. Sie subventionieren die energieintensive Industrie mit klimafreundlichem Biosprit, Herr Schultz. Mit der Zwangsquote kommt Finanzminister Steinbrück auf rund 1,4 Milliarden Euro Steuereinnahmen.
(Beifall des Abg. Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD])
Das kann man dem Titel des Gesetzes wirklich nicht entnehmen. Und Sie stopfen damit die Einnahmeausfälle in gleicher Höhe, die durch massive Steuergeschenke an die Beton-, Zement- und Gipsindustrie zustande gekommen sind.
Fazit: Das Biokraftstoffquotengesetz ist ein Durchlaufposten zulasten des Klimaschutzes und der Beschäftigung. Das kann nicht die Lösung sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Immerhin hat die Regierungskoalition - das hat Herr Schindler eben ausgeführt - eingesehen, dass wir Nachhaltigkeitskriterien für Importbiosprit brauchen und dass die Industrie ihre Energiebilanz verbessern muss, wenn sie Steuervorteile nutzen will. Wir hoffen allerdings auf sinnvollere Regeln im Vergleich zu dem Gebäudeenergiepass.
Was wir aber insgesamt brauchen, sind faire Förderbedingungen für reinen Biosprit, alternative Mobilitäts- und Antriebskonzepte, nachhaltige Anbaumethoden, regionale Wirtschaftskreisläufe und Beschäftigung insbesondere im ländlichen Raum. Die Linke wird deshalb dem hier vorliegenden Entschließungsantrag des Bündnisses 90/Die Grünen zustimmen, auch wenn wir an verschiedenen Punkten etwas zu kritisieren haben. Tun Sie es auch, damit Klimaschutz Vorfahrt hat!
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)