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Biodiversität in der Forschung

Rede von Lutz Heilmann,

Die Biodiversität in der Forschung hat unterschiedliche, aber zentrale Aspekte. Zum einen beklagen Wissenschaffler zu wenig Grundlagenforschung, zum anderen fehlen jedoch effektive Schnittstellen zwischen Forschung und Politik, um Forschungsergebnisse und Zwischenberichte an die interessierte Öffentlichkeit weiter zu geben. Im Vordergrund des Schutzes der Biodiversität steht der Vorteilsausgleich laut der Biodiversätskonvention, CBD. Hier haben sich die Vertragsstaaten im Mai darüber 2008 darüber verständigt zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz 2010 konkrete Regelungen zu beschließen. Hiervon würde dann auch die Forschung profitieren.

Guten Tag meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Einladung. Ich freue mich sehr, bei Ihnen heute zu Gast sein zu dürfen und mit Ihnen über das Thema Biodiversität in der Forschung sprechen zu können. In der vergangenen Woche gab es zum Parlamentarischen Abend der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Biodiversität in der Forschung bereits einen sehr interessanten Auftakt zu diesem Thema und ich hoffe, heute im Austausch mit Ihnen noch mehr darüber erfahren zu können.

Vorab daher zunächst einige Fakten, die MIR bekannt sind.

- Das Thema Biodiversität ist in der Forschung noch ein relativ junges Feld.
- Es hat in Deutschland verstärkt durch die von der Bundesregierung im November 2007 vorgelegten Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt und durch die 9. Vertragsstaatenkonferenz zur CBD im Mai dieses Jahres öffentliche Aufmerksamkeit bekommen.
- Keine Forschung ohne Geld! Für die Forschung zur Biodiversität sind vor allem Langzeitstudien wichtig und diese bedürfen einer soliden Finanzierung. Gerade dies ist aber größtenteils völlig offen und das betrifft insbesondere die Förderung aus öffentlicher Hand.
- Wie auf dem Parlamentarischen Abend der Deutschen Forschungsgemeinschaft gesagt worden ist, gibt es vor allem zu wenig Grundlagenforschung. Daher auch die nachvollziehbare Forderung von der Wissenschaftsseite, die Grundlagenforschung in die Biodiversitätsstrategie mit einzubinden.
- Und zuletzt: bis heute sind die meisten Arten auf der Welt unbekannt, die Schätzung beläuft sich auf 3-100 Millionen Arten bei gleichzeitiger 100-1000-facher Aussterberate in unserer Zeit.

Ich möchte nun einige Punkte vertiefen:

1. Biodiversität und Klimawandel

Sehr geehrte Damen und Herren, vor knapp zwei Wochen fand der 29. Naturschutztag in Karlsruhe unter dem Motto „Stimmt das Klima? Naturschutz im Umbruch“ statt. Das heißt, der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung für den Naturschutz und als solche muss sie auch ernst genommen werden. Dies ist in der Politik allerdings noch nicht ganz angekommen und das ist sehr bedauerlich.

Biodiversitätsschutz und Klimaschutz, das bedeutet, dass wir konkret wissen müssen, wie Arten zum Beispiel wandern, unter welchen Bedingungen sie überhaupt wandern können: Stichwort Zerschneidung und vernetzte Naturräume.

So sollen Grünbrücken im Vergleich zu den Gesamtkosten für Straßenbauvorhaben Peanuts sein, eine Million sei dazu im Verhältnis nichts. Grünbrücken dagegen bei bestehenden Strassen zu bauen, ist jedoch um ein Vielfaches schwerer, da hierzu keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Wie ernst ist es demnach dem Gesetzgeber, den Naturschutz fit für den Klimawandel zu machen? Fraglich ist auch, ob alle Arten mitwandern können, welche klimatischen Veränderungen ihnen bevor stehen, gerade auch für Pflanzen, die sich wesentlich langsamer anpassen können als Tierarten, oder ob wir es akzeptieren müssen, dass einige Arten verschwinden werden. Hier sehe ich eine Herausforderung für die Forschung.

2. Biodiversitätsnutzung, Vorteilsausgleich/ ABS-Regime

Der Vorteilsausgleich, das sogenannte ABS-Regime, steht seit der 9. Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Mai dieses Jahres verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit. Und es ist ein Feld, in dem sehr unterschiedliche Interessen vertreten werden. Außer Frage steht hierbei, dass ein wirksames ABS-Regime entwickelt werden muss, dass den Zugang zu genetischen Ressourcen und deren Nutzung einschlägig regelt.

Darüber hinaus ist auch klar, dass das nur über umfangreiche Verhandlungen und zwar mit allen Beteiligten und Betroffenen geschehen kann. Das haben wir auch in unserem Antrag zur Biodiversitätskonferenz im Mai gefordert. Für uns LINKE ist es nicht hinnehmbar, dass große Firmen und Konzerne sich der genetischen Ressourcen in den Ländern und Regionen der Vorkommen bedienen, um damit hier Gewinne zu erwirtschaften und nichts in die Länder zurückfließen lassen, in welcher Form auch immer.

Wir dürfen zudem aus unserer Perspektive dabei nicht vergessen, dass wir nicht nur in der Industrie und Industrietechnologie ein führendes Land sind, sondern dies auch in der Forschung sind. Das bedeutet, insbesondere bei der Entwicklung eines gerechten Vorteilsausgleiches muss auch dieses Gefälle berücksichtigt werden. Am Anfang steht daher der Respekt gegenüber den artenreichen Ländern und Regionen auf der Welt und ihren Bewohnern. Und die Akzeptanz, dass es einen unterschiedlichen Umgang damit gibt. Wollen bestimmte indigene Gruppen ihre Ressourcen nicht zur Verfügung stellen oder daraus moderne Stoffe für die Pharma-, Kosmetik- und Agrar-Industrie entwickeln lassen, ist das zu akzeptieren. Auf diesem Gebiet gibt es noch sehr viel zu tun.

Die Leibniz-Gemeinschaft hat einige Aspekte zur Biodiversität sowohl in ihrer Einladung als auch in dem Fragenkatalog aufgezeigt. Was mir hier jedoch etwas fehlt, ist der Gedanke der Biodiversitätsgerechtigkeit. Wer soll und darf von den Erkenntnissen profitieren, die sich aus der Forschung ergeben? Für wen soll geforscht werden, wer wird einen Nutzen haben und wer nicht? Es ist die Frage, ob es hier nicht Leitlinien der Forschung geben könnte, in denen dieser Blickwinkel mit erfasst werden kann.

In dem Thesenpapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Parlamentarischen Abend, den sie vergangene Woche veranstaltet hat, steht, dass die ungeklärte Umsetzung der Bestimmungen der CBD in punkto ABS auch die nicht-kommerzielle akademische Forschung in vielen Ländern behindert. Hier würde mich interessieren, inwieweit hier eine Behinderung statt findet und worin Ihrer Ansicht nach die Ursachen dafür liegen. Mitunter ist auch nicht immer leicht ersichtlich, welche Forschung nicht-kommerziell ist oder nicht und wo akademische Forschung von Drittmitteln abhängig gemacht wird, die eventuell offen oder versteckt kommerzielle Hintergründe haben. Hier ist meiner Meinung nach zunächst Klarheit und Transparenz ein wichtiges Gebot.

3. Biodiversitätsmonitoring

Ich denke, dass der Aufbau eines flächendeckenden und standardisierten Biodiversitätsmonitorings zu den unverzichtbaren Aufgaben im Artenschutz gehört. Es ist meines Erachtens von der Bundesregierung jedoch noch nicht wirklich begriffen worden, dass dies von einer gewissen Dringlichkeit ist.

Wir wissen nicht, was wir genau auf diesem Planeten an Biodiversität haben, welche ökosystemaren Zusammenhänge bestehen und wir wissen daher auch nicht, was wir alles verlieren können und mit welchen ökologischen Folgeschäden wir zu rechnen haben. Auch deswegen beschäftigen wir uns damit und wollen Lösungen finden, wie wir mit dieser Unklarheit lang- und mittelfristig umgehen wollen und können.

Ich möchte mich für die Entstehung eines Monitorings einsetzen und werde dies auch im Bundestag fordern. Wenn man versucht, den Wert der Biodiversität zu monetarisieren, sollte man sozusagen auch die Monetarisierung der Naturschutz- und Umweltbehörden ins Auge fassen. Denn da mangelt es zuerst. So kommt der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Sondergutachten vom Februar 2007 ja zu dem alarmierenden Schluss, dass die Kapazitäten im hauptamtlichen Naturschutz sogar noch stärker verringert wurden als in den Umweltverwaltungen insgesamt. Unterbesetzte und zwangsläufig überforderte Behörden können aber weder die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie bewältigen, noch den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden.

Worauf es somit ganz wesentlich ankommt, sind finanzielle Mittel und personelle Ressourcen. Es reicht nicht nur aus, wissen zu wollen, wie viele Arten vorhanden sind, damit man sich ihre Nutzbarkeit erhält, sondern man muss dann auch die Mittel bereit stellen, um einerseits die Beobachtung und die Erforschung zu ermöglichen und andererseits aber auch den Erhalt der Artenvielfalt gewährleisten zu können. Hier ist es möglich sich ein Beispiel an der Schweiz zu nehmen, die bereits ein Biodiversitätsmonitoring hat.

Wie es Herr Prof. Beck von der Universität Bayreuth sagt, ein Biodiversitätsmonitoring gibt es nicht zum Nulltarif und dem stimme ich zu. Die Politik muss sich damit anfreunden, dass Erhalt Geld kostet und mehr Geld kosten wird, wenn es um den Schutz der Artenvielfalt geht. Und das heißt, es muss Geld für den Aufbau eines Biodiversitätsmonitoring bereitgestellt werden.

4. Nun zu den Fragen des Fragebogens der Leibniz-Gemeinschaft

1. Von der Biodiversitätsforschung erwarte ich in erster Linie Informationen, die den aktuellen Stand des Wissens wieder geben, auch mit Unsicherheiten. Ich erwarte von ihr auch, dass sie Transparenz bietet, wozu und für wen bzw. welchen und für wessen Nutzen geforscht werden soll.

2. Ich habe derzeit nicht das Gefühl, hinreichend über den Stand der Forschung informiert zu sein - das muss aber nicht unbedingt an Ihnen liegen! Die Rolle eines Abgeordneten birgt nun einmal vielfältige Anforderungen. Auch vertrete ich für meine Fraktion neben dem Naturschutz eine breite Palette anderer Themen.

3. Ich finde Briefe, Rundschreiben und Informationsveranstaltungen sehr geeignet, um informiert zu werden. Halte aber auch persönliche Gespräche für wünschenswert.

4. Um meine Fragen in die Forschung mit einzubringen zu können, begrüße ich die heutige Gelegenheit.

Darüber hinaus steht für mich aber auch die Frage im Raum, wie man mit Forschung und vor allem mit Forschungsergebnissen und dem Wissenstransfer umgeht. Die Politik ist schnelllebig und diskontinuierlich. Auch die Verarbeitung von Wissen verläuft in der Politik sehr schnell - die Meinungsbildung auch. Wie kann also die Wissensvermittlung durch die Forschung erfolgen, die selbst einer zyklischen Betrachtungsweise unterliegt? Eine Anforderung der Politik an die Wissenschaft ist daher, dass zu allgemeinen Erkenntnissen eher kurze fact sheets verfasst und auch versendet werden. Ausführliche Studien kann ich leider nicht lesen und selbst meine MitarbeiterInnen finden dazu kaum Zeit. Auch neuste Erkenntnisse könnten über kurze und schnelle Wege vermittelt werden. Es ist der Politik oftmals einfach nicht bekannt, wie der jeweilige Stand der Forschung ist und man weiß auch nicht, wer forscht. Es gibt sicher viele Erkenntnisse, die aber oftmals nicht durchdringen. Gerade für kleine Fraktionen mit relativ wenig Personal hat das eine besondere Bedeutung. Daher sind 2-seitige Übersichten mit vertiefenden Infos gern gesehen. Haben Sie nur Mut, Ihre Erkenntnisse regelmäßig gebündelt den Mitgliedern des Umweltausschusses zu schicken. Viele werden es vielleicht nicht lesen, aber einige werden sehr dankbar sein! Ich auf jeden Fall.

5. Fazit

Ich möchte nun zum Schluss meiner Ausführungen kommen:
Das Fazit lautet für mich: es wird zu wenig für den Schutz der Artenvielfalt getan und es wird vor allem zu langsam gehandelt.

Allein das 2010- Ziel der CBD, den Artenverlust bis 2010 einzudämmen, ist aus jetziger Perspektive Ende 2008 kaum realistisch zu erwarten. Eine Ursache dafür ist, dass die CBD neben der Klimarahmenkonvention nicht die große Beachtung bekam, so dass selbst Deutschland seine Verpflichtung, eine Biodiversitätsstrategie vorzulegen, erst 2007 erfüllte, und damit fünfzehn Jahre verstreichen ließ.

In der Politik müssen wir darauf achten, dass sich die Debatte um die Biodiversität, ihren Erhalt und ihre Erforschung nicht auf ihre wirtschaftliche Bedeutung und einhergehend auf ihre Monetarisierung beschränkt. Natur hat eine größere, umfassendere Bedeutung als Geld.

Der Schutz der Artenvielfalt verpflichtet uns zunächst als Menschen gegenüber den Tieren und Pflanzen als solche und dass ihr Erhalt UNS etwas wert ist, dass nicht Geld meint. Das ist zudem auch mein Wunsch an die Wissenschaft und damit möchte ich schließen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!