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Bildungsstreik ernst nehmen: mehr Geld für Bildung!

Rede von Agnes Alpers,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Lehrerin muss ich natürlich auf den Bildungsstreik in meiner Heimstadt Bremen eingehen. Das Motto lautet: Gute Bildung für alle, und zwar sofort. So wie bei uns in Bremen streiken zurzeit Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten von Greifswald bis München. Sie fordern eine Finanzierung für Bildung, die ihre Lern- und Ausbildungsbedingungen sofort und nachhaltig verbessert, und zwar für alle. Bildung darf nicht von der sozialen Herkunft und vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.
Auf dem gestrigen Bildungsgipfel wurde nun vereinbart, bis 2015 zusätzlich 13 Milliarden Euro in sechs Jahren in Bildung zu investieren. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man bedenkt, dass im letzten Jahr auf dem Bildungsgipfel noch von einem Gesamtbedarf in Höhe von 60 Milliarden Euro pro Jahr gesprochen wurde, um bis 2015 das Ziel, 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung auszugeben, zu erreichen. Um Ihre mickrigen 13 Milliarden Euro zu erreichen, sollen jetzt auch noch Pensionsansprüche von Lehrerinnen und Lehrern sowie Professorinnen und Professoren und sogar Kitabeiträge der Eltern einberechnet werden. Meine Damen und Herren von der Union, Ihr Parteifreund, der sächsische Kultusminister Roland Wöller sagt - wie ich finde: treffend -: „Das sind Taschenspielertricks.“
Im Bremer Bildungsstreik spielen aber nicht nur Studentinnen und Studenten sowie Schülerinnen und Schüler eine Rolle. Vielmehr solidarisieren sie sich auch mit Auszubildenden und Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben oder sich in Übergangsmaßnahmen befinden. Ziel des Bildungsgipfels vor einem Jahr war, viele Maßnahmen auf Bundesebene voranzutreiben. Sie wollten beispielsweise Kampagnen starten, um Ausbildungsplätze für alle zu schaffen. Übergangsmaßnahmen sollten als Ausbildungszeit angerechnet werden. Aber außer Spesen nichts gewesen! Da hilft es auch nicht, wenn die Bildungsministerin in ihrer Antrittsrede erneut davon spricht, dass die berufliche Bildung das Flaggschiff unseres Bildungssystems ist. Statt etwas für die jungen Leute zu tun, haben Sie lieber Mikado gespielt: Wer etwas bewegt, hat verloren.
Frau Schavan und meine Damen und Herren von der Union, können Sie sich eigentlich vorstellen, was dies mit jungen Leuten macht? Ich habe die Mutlosigkeit und die Verzweiflung bei meiner Arbeit kennengelernt. Es muss Ihnen doch zu denken geben, dass die OECD seit Jahren beklagt, dass Deutschland seine Bildungschancen nach sozialer Herkunft verteilt. Besonders hart sind die Bedingungen für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die Arbeitnehmerkammer Bremen weist in ihrem Armutsbericht 2008 nach, dass diese Jugendlichen bei gleichem Leistungsniveau eine deutlich geringere Chance auf einen Ausbildungsplatz haben.
Frau Schavan, mit dieser Bildungspolitik treiben Sie die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Renate Köcher schieb gestern in der FAZ, dass nur 31 Prozent der Menschen aus sozial benachteiligten Schichten „an die Möglichkeit glauben, durch Leistung die eigene Lage zu verbessern“. Das ist ein Alarmsignal. Investieren Sie endlich mindestens 13 Milliarden Euro pro Jahr! 13 Milliarden auf sechs Jahre verteilt, das ist doch nur ein durchsichtiges Angebot an die Länder, damit sie morgen dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zustimmen. Vielen Dank.