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Bienenfreundliche Äcker ohne Gentechnik

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede Dr. Kirsten Tackmann, TOP 32 a & b, 6. Juni 2013, zu Protokoll

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kennzeichnung von Honig mit Gentech-Pollen sicherstellen

– Schutz der Imkerei vor GVO-Verunreinigungen gewährleisten, Drucksachen 17/12839, 17/13273

 

b)Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Imkerei vor der Agro-Gentechnik schützen, Drucksachen 17/9985, 17/11057

DIE LINKE will die Bienen schützen, z. B. weil ihre Bestäubungsleistung für gute Ernten wichtig ist. Doch leider werden sie vielfältig bedroht: Durch Blühpflanzenarmut in der modernen Agrarlandschaft, durch Pflanzenschutzmittel, durch Krankheiten oder auch durch gentechnisch veränderte Pflanzen. Wir können und sollten also nicht einfach so weiter machen, sondern müssen was ändern.

 

Gerade weil Honig eines der gesündesten Lebensmittel ist, muss die Unvereinbarkeit von Agro-Gentechnik und der gentechnikfreien Imkerei ernst genommen werden. Riskant sind dabei zwei Effekte. Zum einen werden Bienen durch gentechnisch veränderte Pflanzen, die zu ihrem Schutz insektenschädliche Substanzen produzieren, beeinträchtigt. Zum anderen wird Honig durch den Eintrag von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen entwertet.

 

Deshalb wird der Schutz der gentechnikfreien Imkerei und Landwirtschaft vor transgenen Pflanzen bereits seit Jahren von Bauern-, Umwelt- und Verbraucherorganisationen sowie kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefordert. Falls kein Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen erreicht werden kann, sollen wenigstens bienensichere Abstände zwischen Bienenstöcken und Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen von bis zu zehn Kilometern eingehalten werden. So weit können Bienen fliegen, um Pollen zu sammeln. Ein solcher Abstand müsste in der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung geregelt werden. Das Risiko für wildlebende Insekten reduziert das übrigens nicht, aus dieser Sicht wäre auch das kein guter Kompromiss. Und das Standortregister muss für mehr Bienenschutz weiterentwickelt werden. In diesem Register sind alle Gentechflächen dokumentiert, egal ob es sich um kommerziellen Anbau oder um Freisetzungsversuche handelt.

 

Am 27. März 2012 urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass Imkerinnen und Imker keinen Anspruch auf Schutzmaßnahmen gegen die Verunreinigung ihres Honigs durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen haben. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass Verunreinigungen des Honigs durch Pollen des gentechnisch veränderten Mais‘ MON810 aber dazu führen, dass dieser Honig nicht mehr verkauft werden darf. Vorausgegangen war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser stellte am 6. September 2011 fest, dass die Verkehrsfähigkeit des Honigs durch die MON810-Pollen-Verunreinigungen beeinträchtigt wird. Im Klartext: Schutz für die Imkerei gibt es nicht, aber der Honig muss als Müll entsorgt werden!

 

Deshalb fordert DIE LINKE in ihrem Antrag auf Bundestagsdrucksache 17/9985, dass die Imkerei wirksamer vor Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Pollen geschützt werden muss. Dafür soll die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gentechnikgesetzes vorlegen. Das wäre ein wichtiger, wenn auch längst nicht der einzige notwendige Baustein zu einer bienenfreundlicheren Landwirtschaft.

 

Doch die Bundesregierung hat für Bienen höchstens Aktionismus übrig. So zum Beispiel die neue „Bienen-App“, die Ministerin Aigner kürzlich in Berlin vorstellte. Das mag vielleicht die eine oder den anderen für die Bienen sensibilisieren - und das ist auch nicht unwichtig. Aber Bienenschutz auf dem Smartphone nutzt gar nix, wenn er nicht auch auf dem Acker stattfindet. Die ökologischen Vorrangflächen als Teil einer neuen EU-Agrarpolitik ab 2014, die auch zu mehr Blühflächen genutzt werden können, wurden lange aus dem Aigner-Ministerium bekämpft. Dem zeitweisen Verbot besonders bienengefährlicher Pestizide hat die Bundesregierung erst nach enormem, öffentlichem Druck in Brüssel zugestimmt.

 

Dabei gibt es viel und Dringendes zu tun. Ohne umfangreiche Änderungen im nationalen und europäischen Gentechnikrecht gibt es keinen besseren Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher, die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei.

 

Als Sofortmaßnahme wollen wir den Schutz der Imkerei wirksam verbessern. Wir halten es für richtig, dass Honig nicht verkauft werden darf, wenn er Pollen von transgenen Pflanzen enthält, die keine Lebensmittelzulassung haben. Paradox und nicht hinnehmbar ist, dass gleichzeitig kein Rechtsanspruch auf den Schutz vor solchen Verunreinigungen besteht. Deshalb muss das durch den Gesetzgeber unverzüglich geändert werden. Eine besondere Sorgfaltspflicht muss neben dem Verursacherprinzip auch den Vorsorgegedanken bei der Risikotechnologie Agro-Gentechnik stärken. Doch das Handeln der Koalition sieht ganz anders aus: Unions-Kollege Lehmer betonte in der ersten Lesung unseres Antrages, dass Sicherheitsabstände zu Bienenkörben nicht so groß sein dürfen, dass Gentechnikanbau verhindert wird. Statt eines konsequenten Reinheitsgebots für Honig fordert er also, nicht als Lebensmittel zugelassene Gentech-Bestandteile im Honig einfach zu tolerieren, das heißt eigentlich zu ignorieren. Der Schutz der Interessen der Gentech-Konzerne ist der Koalition offensichtlich wichtiger als der Schutz der Bienen und des Honigs.

 

SPD und Grüne fordern in ihrem Antrag, den Änderungsvorschlag der EU-Kommission zur Honigrichtlinie abzulehnen. Mit diesem reagiert die EU-Kommission auf das bienen- und imkerfreundliche EuGH-Urteil. Aber statt der Intention dieses Urteils zu folgen sucht sie nach einer Lösung im Interesse der Agroindustrie. Der Bundesrat dagegen stellte sich hinter die Imkerverbände und hat im vergangenen November ihre wesentlichen Kritikpunkte am Vorschlag der EU-Kommission aufgegriffen. Er hat die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine eindeutige Klarstellung der rechtlichen Bewertung von Pollen im Honig einzusetzen, die der verbraucher- und bienenfreundlichen Intention des Honig-Urteils folgt. Das ist auch für DIE LINKE entscheidend: die Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen mehrheitlich Agro-Gentechnik ab und wollen sie nicht in Lebensmitteln. Der Schutz der gentechnikfreien Imkerei ist also ein klarer gesellschaftlicher Auftrag an uns als Gesetzgeber.

 

Die Argumentation des EuGH-Urteils, Pollen wäre eine Zutat, ist umstritten. Das wäre nur schlüssig, wenn Pollen durch Handlungen der Imkerin oder des Imkers eingetragen würde. Es gibt solche Arbeitsgänge, aber natürlich wird Pollen auch durch Bienen eingetragen und ist damit ein natürlicher Bestandteil des Honigs. Aber unabhängig von diesem Streitpunkt unterstützen wir als LINKE die politische Intention des EuGH. Eine Änderung der Honigrichtlinie halten wir für nötig, aber eben nicht im Interessen der Gentechnikindustrie, sondern der Gesellschaft. Der Kommissions-Vorschlag hätte zur Folge, dass mit gv-Pollen kontaminierter Honig nicht als solcher gekennzeichnet werden muss. Das ist definitiv nicht im Sinne eines vorsorgenden Verbraucherschutzes. Für Verbraucherinnen und Verbraucher muss klar erkennbar sein, ob ein Honig GVO-Pollen enthält oder nicht. An der Nulltoleranz gegenüber in der EU nicht-zugelassenen GVO muss festgehalten werden, erst Recht bei Lebensmitteln wie Honig.

Wir wollen das tolle Naturprodukt frei von Gentech-Pollen.

Darüber hinaus fordert DIE LINKE aber generell eine bienenfreundlichere Agrarpolitik. Auf die Agro-Gentechnik kann dabei völlig verzichtet werden. Sie ist teuer und riskant. Außerdem wollen acht von zehn Verbraucherinnen und Verbrauchern sie nicht haben, wie regelmäßige Umfragen immer wieder belegen. Das hat selbst die Agroindustrie verstanden. Anfang des Jahres verlegte die BASF ihre Genforschung in die USA. Vergangene Woche kündigte Monsanto an, kein Gentech-Lobbying mehr in der EU machen zu wollen. Es sei kontraproduktiv, gegen Windmühlen zu kämpfen, so eine Konzernsprecherin. Da hat der Konzern mal Recht. Allerdings muss er beweisen, dass er es ernst meint, und alle Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen zurückziehen, egal ob für Anbau oder Handel. Alles andere ist nur Propaganda und das werden wir Monsanto nicht durchgehen lassen.