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Bevölkerungsrückgang macht umfassende Reform des Bundesverkehrswegeplans nötig

Rede von Lutz Heilmann,

Zum Bericht des Beirates für nachhaltige Entwicklung wies Lutz Heilmann darauf hin, dass durch extremen Bevölkerungsrückgang in einigen Regionen die Verkehrsplanung komplett auf den Prüfstand gestellt werden müsse. Zudem sei die Bundesverkehrswegeplanung auch wegen des Klimawandels dringend zu reformieren. So gehe der letzte Plan, der 2003 von rot-grün verabschiedet wurde, im Verkehr bis 2015 von 11 Prozent mehr aus - in Bali wird derzeit über 40% weniger bis 2020 verhandelt wird.

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Scheuer, ein kritischer Seitenhieb muss heute sein.

(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das habe
ich von Ihnen erwartet!)

Die Kanzlerin vergisst bei der Nachhaltigkeitsdebatte leider immer die soziale Dimension der nachhaltigen Entwicklung. Sonst würde sie nicht so um den Mindestlohn und andere soziale Themen feilschen und keine Umverteilungspolitik betreiben, die wenig nachhaltig ist.

(Dr. Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Jetzt berichtet
er wieder vom XII. Parteitag der SED!)

Ich finde es richtig, dass es heute die zweite Debatte über den Bericht gibt und dass damit das zuständige Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung noch
einmal die Möglichkeit erhält, den vorgelegten Bericht intensiv zu prüfen und bei seiner Arbeit zu berücksichtigen.

Diese Bereitschaft war bislang nicht so deutlich erkennbar.

Deswegen haben wir uns im Beirat auf den gemeinsamen Entschließungsantrag geeinigt. Wir haben uns zusammengerauft. Ich finde es beeindruckend, dass sich alle Fraktionen geeinigt haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Ich möchte mich bei den Kollegen der Koalitionsfraktionen für die gute Zusammenarbeit ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)

Was bedeutet der demografische Wandel? Erstens altert
die Bevölkerung. Dass die Menschen immer älter
werden, ist natürlich kein Problem. Im Gegenteil: Ich
freue mich, dass meine Großmutter 86 Jahre alt ist und
sich bester Gesundheit erfreut.

Zweitens geht die Bevölkerungszahl zurück, weil immer weniger Kinder geboren werden. Das ist ein Problem, wobei ich vor allem an die vielen Menschen denke, die keinen Job haben und sich nur mühsam über
Wasser halten können. Andere wursteln sich mit Praktika und prekären Beschäftigungen durch.

Wenn diese Menschen über Familienplanung nachdenken, dann überlegen sie sich genau, ob sie Kinder bekommen.

Drittens gibt es eine Bevölkerungswanderung. Was
das heißt, können Sie in Ostdeutschland sehen. 20, 30
oder sogar noch mehr Prozent der Bevölkerung sind seit
der Wende aus vielen Regionen dort abgewandert.

Besonders problematisch ist, dass vor allem junge Menschen, insbesondere junge Frauen, abwandern.

Warum? Sie sehen dort keine Perspektive für sich. Das ist das große Versäumnis der Nachwendepolitik. Darauf werden wir, DIE LINKE, Sie immer wieder hinweisen, auch wenn Sie es nicht mehr hören wollen. Wir werden erst dann damit aufhören, wenn sich die Perspektiven in Ostdeutschland deutlich verbessert haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Was bedeutet ein Rückgang der Bevölkerung für die Infrastrukturen? Lassen Sie mich dazu die Bundesverkehrswege als Beispiel herausgreifen.

Der Beirat schreibt:

"Infrastrukturvorhaben, die absehbar nicht ausgelastet sein werden und nicht Teil eines regional abgestimmten
demographiewirksamen Entwicklungsplans sind, müssen in ihrer Planung dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden, …"

Für nicht ausgelastete Straßen gibt es genügend Beispiele.

Ich lade Sie einmal herzlich ein, die A 20 östlich von Rostock zu befahren. Dort sieht man zwar blühende Landschaften, insbesondere Wildwiesen auf erschlossenen Gewerbegebieten, aber wenig Fahrzeuge auf der Autobahn.

Natürlich kann die Konsequenz nicht sein, den Bau und Ausbau von Verkehrswegen im Osten einzustellen.

Wir können aber auch nicht einfach die Landschaft weiter mit Autobahnen zupflastern. Wo wenige Menschen wohnen, reichen gut ausgebaute Bundesstraßen völlig aus. Auch angesichts der Geldknappheit ist es sinnvoller, das Netz der Bundesstraßen auszubauen. Das verbessert die Mobilität von wesentlich mehr Menschen, als wenn nur Autobahnen gebaut werden. Dass Autobahnen die Wirtschaft ankurbeln, ist nichts als ein Märchen.

Andererseits geht es nicht nur um den Straßenverkehr.

Es geht vielmehr darum, endlich eine verkehrsträgerübergreifende Planung hinzubekommen. Allen Beteuerungen der Regierung zum Trotz ist die sogenannte Bundesverkehrswegeplanung dieses eben nicht. Sie prüft einfach die Meldungen für Straßen, Schienen und Wasserstraßen, und diese bekommen dann den Stempel, der besagt, ob sie notwendig oder nicht notwendig sind. Das führte dazu, dass bisher alle Bundesverkehrswegepläne unterfinanziert waren und sind und dass nebeneinander Straßen, Schienen und Wasserstraßen gebaut werden.

Das hat auch dazu geführt, dass der aktuelle Bundesverkehrswegeplan offiziell angibt, dass die Kohlendioxidemissionen, die durch den Verkehr entstehen, um 11 Prozent ansteigen.

Das alles geschieht in Zeiten des Klimawandels. Zurzeit finden auf Bali Klimaverhandlungen statt. Deutschland muss sich dort dazu verpflichten, seine Kohlendioxidemissionen erheblich zu reduzieren. Dazu passt kein Bundesverkehrswegeplan, der bis 2015 11 Prozent mehr CO2-Emissionen zulässt. So weit müssten auch die Rechenkünste im Verkehrsministerium reichen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Heilmann, Sie müssen bitte zum Schluss
kommen.

Lutz Heilmann (DIE LINKE):

Ja, ich komme zum Schluss.

Das Ministerium muss handeln. Es müssen Umweltziele und Mobilitätsziele definiert werden. Deshalb brauchen wir eine Bundesmobilitätsplanung. Nehmen Sie sich den Bericht des Beirats zu Herzen und berücksichtigen Sie ihn in der nächsten Bundesverkehrswegeplanung!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.