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Bekämpfung von Armut braucht fairen Handel und kohärente Politik

Rede von Hüseyin Aydin,

Die Ernährungslage in der Welt ist unhaltbar für viel zu viele Menschen. Die Regierungen der Industrieländer tragen eine große Verantwortung an dieser Situation. Lassen Sie mich die Situation noch einmal kurz skizzieren:

Auf dem Welternährungsgipfel 1996 in Rom versprachen die Regierungen, den Hunger auf der Welt bis 2015 zu halbieren. Die Halbzeitbilanz in diesem Jahr ist niederschmetternd. Die Zahl der Hungernden ist auf über 923 Millionen Menschen angestiegen. Das tägliche Einkommen der meisten afrikanischen Männer und Frauen liegt unter 1 Euro. Für ein europäisches Rind hingegen wird 2,50 Euro pro Tag an Subventionen ausgegeben. Die Industriestaaten subventionieren ihre Landwirtschaft mit jährlich rund 268 Milliarden Euro - rund viermal soviel, wie sie für Entwicklungshilfe ausgeben. Diese Zahlen geben die Unmenschlichkeit dieses Welthandelssystems wieder.

Die Ministerin Wieczorek-Zeul weist selbst darauf hin: „Alle Programme zur Einlösung des Rechts auf Nahrung werden nichts ändern, wenn es uns nicht gelingt, die Strukturen im Welthandel gerechter zu gestalten.“ In ihrem Antrag listen die Regierungsparteien die vielfältigen Gründe für die zunehmende Armut und den Hunger auf. Es wird betont, dass die Nahrungsmittelkrise vor allem eine Verteilungs- und Armutskrise ist. Es wird sogar auf die „vorschnelle Handelsliberalisierung ohne Schutzmöglichkeiten … einheimischer Produzenten“ hingewiesen. - Diese plötzliche Hellsichtigkeit ist erstaunlich!

Doch was folgern Sie daraus, Kolleginnen und Kollegen der CDU und SPD: Sie möchten dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise durch Agrartreibstoffe - an deren Produktionssteigerung die Bundesregierung durch die Quotenpolitik maßgeblich beteiligt ist - durch Zertifizierung entgegentreten. Eine Zertifizierung ist nicht nur aufgrund mangelnder institutioneller Infrastruktur kaum möglich, sie käme auch viel zu spät. Des Weiteren möchten Sie die „Potenziale der modernen Biotechnologie prüfen“, anstatt lokale und angepasste Anbaumöglichkeiten zu fördern. Auch werden die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen - EPAs - der EU mit den AKP-Staaten - Afrika, Karibik, Pazifik - nicht erwähnt. Diese sind armutsverschärfend und behindern jegliche regionale Marktintegration innerhalb Afrikas. Auch gehen Sie nicht auf die Spekulation von Nahrungsmitteln ein, die laut Weltbank ein Hauptgrund für die Verteuerung von Nahrungsmitteln war.

Zusammengefasst: Ihre Analyse ist in vielen Punkten zutreffend. Doch ziehen die Regierungsparteien - wie so oft - keine Schlussfolgerungen für ihr Handeln daraus. Ihre Forderungen kratzen nur an der Oberfläche der Ursachen des Hungers. Diesen Antrag lehnen wir ab.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt da mehr Kohärenz zwischen Analyse und Forderungen auf. Es werden vier zentrale Bereiche aufgelistet, in denen dringender Handlungsbedarf besteht:

Erstens. Der Forderung, das Recht auf Nahrung gemäß Art. 11 des Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte umzusetzen, stimmen wir vorbehaltlos zu.

Zweitens. Den Wortbruch der Kanzlerin bezüglich der niedrigen ODA-Quote haben wir mehrfach angesprochen. Ein Erreichen der 0,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Entwicklungshilfe bis 2015 halten wir für unbedingt notwendig.

Drittens. Der Forderung nach der Beendigung der systematischen Zerstörung der Ökosysteme und der Übernutzung der natürlichen Ressourcen wie Land, Wasser und Luft schließen wir uns an. Vor allem der Hinweis auf eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Einsatz von gentechnisch modifizierten Organismen und einer angepassten Forschung ist dabei unterstützenswert.

Viertens. Leider fällt dann die Frage nach der Demokratisierung der „ungerechten internationalen und nationalen Governancesysteme und Regelwerke“ weit hinter wünschenswerten Forderungen nach einer Handelspolitik zugunsten der Armen zurück. Auch hier werden die EPAs nicht problematisiert werden. Der Anbau von Agrotreibstoffen nach Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskriterien ist faktisch nicht durchsetzbar. Dass Bündnis 90/Die Grünen lediglich die Regulation von kurzfristigen Spekulationen mit Agrarrohstoffen fordern, ist enttäuschend.

Wir brauchen eine Politik der systematischen Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern. Wir brauchen eine Umverteilung von Land zugunsten der Landlosen und Kleinbäuerinnen und -bauern. Wir brauchen staatlich garantierte Arbeitsplätze mit angemessenen Löhnen. Wir brauchen die Streichung illegitimer Schulden. Wir brauchen eine faire und kohärente Handelspolitik zugunsten der Armen. Steueroasen müssen geschlossen werden, Spekulationen mit Nahrungsmitteln verboten und Banken staatlich reguliert werden. Viele wichtige Gründe der Nahrungsmittelkrise finden in dem Antrag der Grünen keine Erwähnung. Dennoch sind die enthaltenen Forderungen erste Schritte auf einem richtigen Weg, weshalb die Linke den Antrag unterstützt.