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Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet

Rede von Jörn Wunderlich,

Wer den Dschungel der Kinderpornografie roden will, muss die Bäume fällen und nicht nur das Unterholz auslichten. Er muss muss effektiv gegen die Produzenten vorgehen. Das hat die Bundesregierung seit Jahren versäumt und daran ändert sich auch mit den beschlossenen Eckpunkten nichts. Die meisten Experten halten die vorgeschlagenen Maßnahmen für wirkungslos. Sie sind selbst für technische Laien leicht zu umgehen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir von Kinderpornografie, sexuellem Missbrauch oder sexueller Ausbeutung von Kindern sprechen, dann reden wir von schrecklichen Verbrechen an Kindern, die tiefe Narben an Körper und Seele hinterlassen und mitunter auch zum Tod führen. Gegen Kinderpornografie in den neuen Medien - sprich: Internet - muss entschieden vorgegangen werden. Auf dem Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in Rio de Janeiro im November letzten Jahres haben wir als Vertreter der Kinderkommission mit den Regierungsdelegationen zusammengesessen und besprochen, dass international zusammengearbeitet werden muss, auf nationaler Ebene aber die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um effektiv gegen sexuellen Missbrauch vorgehen zu können. Das, was machbar ist, sollte unverzüglich umgesetzt werden.

Nun ist natürlich die Frage, was in Deutschland national umsetzbar ist. Was ist in Bezug auf Kinderpornografie überhaupt in den letzten Jahren geschehen? So gut wie nichts. Hinsichtlich mit den Internetprovidern abzuschließender Verträge - das ist das Kernstück der heutigen Debatte - wurden von verschiedener Seite verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, auch aus dem Justizministerium kamen entsprechende Bedenken. In den gestern im Kabinett verabschiedeten Eckpunkten hat sich die Regierung nun darauf verständigt,

zügig ein Gesetzgebungsverfahren zu initiieren, in dem ein verbindlicher rechtlicher Rahmen für die Erschwerung des Zugangs

geschaffen wird. In diesem erforderlichen Gesetz sollen auch die verfassungsrechtlichen Fragen einer Klärung zugeführt werden. Also gibt es doch zu Recht verfassungsrechtliche Bedenken?

Wie nun gestern auf der nationalen Folgekonferenz gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern zu erfahren war, betrifft die mit einigen Providern vertraglich vereinbarte Sperrung von Internetseiten Sperrungen auf DNS-Ebene. Laut Sachverständigen ist diese Sperre jedoch ein untaugliches Mittel. Zum einen soll diese Sperre leicht zu umgehen sein, zum anderen sollen Kinderpornos nicht frei im Netz verfügbar sein, sondern vor allem über sogenannte Nutzergruppen getauscht werden. Durch das Sperren werden die Seiten nicht aus dem Internet entfernt; die Kinderschänder sind dort weiter aktiv. Die Seiten müssen da heraus.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Den Opfern wird damit in keiner Weise geholfen. Die Polizei braucht mehr Personal und eine bessere technische Ausstattung, um an die Täter heranzukommen. Es reicht nicht aus, die Straße zu sperren, in der der Täter wohnt. Diese Kritik des Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter teilen wir.

Frau von der Leyen, was ist denn in den Jahren Ihrer Regierung passiert? Was ist aus den Initiativen der 15. Wahlperiode geworden? Was ist mit dem Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie, der am 20. Januar 2004 in Kraft getreten ist? Was ist mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe zur Kooperation im Kinderschutz im Ostseeraum?

Es werden ja immer wieder die Vergleiche mit dem Access Blocking in Skandinavien herangezogen. Diese Vergleiche hinken laut Aussagen der Sachverständigen. Zwar gibt es Zahlen über die geblockten Seitenaufrufe, es gibt aber überhaupt keine Zahlen darüber - deshalb kann man auch keine Rückschlüsse ziehen -, ob ein geblockter Nutzer sich anschließend anders den Weg zu der Website verschafft hat. Im Übrigen muss man auch sagen, dass die neulich öffentlich gewordenen geheimen Sperrlisten aus Dänemark zu 90 Prozent keine Seiten mit Kinderpornografie betrafen; deswegen muss man die entsprechenden Zahlen eventuell ein bisschen korrigieren. Am gestrigen Tage konnte ich auf der nationalen Folgekonferenz zu Rio mit Vertretern von UNICEF reden. Sie haben mir bestätigt, dass das, was in Skandinavien geschieht, zwar schön klingt, aber kaum Wirkung entfaltet, schon gar nicht im Kampf gegen Kinderpornografie.

Wann ist denn mit einem Gesetzentwurf zu rechnen, in dem dem Ansinnen Rechnung getragen wird und in dem wirksame Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch von Kindern aufgezeigt werden? Insoweit ist es schon klasse, dass in der EU-Kommission gestern zwei Vorschläge auf den Tisch kamen, welche gegen Menschenhandel und sexuellen Missbrauch Handlungsvorschläge aufzeigen. Diese werden gegenwärtig im EU-Ministerrat diskutiert; danach werden sie in nationales Recht umgesetzt - ich hoffe, schnell. Dann bleibt auch nicht das üble Geschmäckle von Zensur und Internetüberwachung, für das die Union ständig selber sorgt. In der gestrigen Pressemeldung von den Unionskollegen Börnsen und Dr. Krings wird nämlich klargestellt, dass es nicht um Kinderpornografie allein geht. Erst die Kinderpornografie, dann Rassismus, dann Gewaltverherrlichung - und dann? Terroristische Propaganda? Vielleicht Verstöße gegen Urheberrechtsgesetze? Und dann?

(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit so was!)

- Das finde ich auch. Was die CDU da plant, ist unverschämt. Es ist an der Zeit, endlich wirkungsvoll aktiv zu werden und die Strafverfolgungsbehörden entsprechend auszustatten, statt verpuffende Maßnahmen ohne Hilfe für die Opfer als Riesenerfolg zu feiern und zugleich Herrn Schäuble Tür und Tor zu öffnen. Wir sollten an die Opfer denken und nicht an die nächsten Wahlen.