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Barrierefreies Filmangebot: Zwingende staatliche Verpflichtung!

Rede von Kathrin Senger-Schäfer,

Rede zur 2./3. Lesung des Koalitionsantrags "Barrierefreies Filmangebot umfassend ausweiten – Mehr Angebote für Hör- und Sehbehinderte" (17/7709) und des  Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Sofortprogramm zur Ausweitung des barrierefreien Filmangebots auflegen" (17/8355) - Rede zu Protokoll -

„Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag spricht sich einhellig für die Verbesserung des barrierefreien Filmangebots aus. Ganz allgemein zeigen beide Anträge, sowohl derjenige der Koalition als auch der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass es auf dem Feld der kulturellen Teilhabe und Gleichbehandlung von Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderung Handlungsbedarf gibt.

Meine Fraktion hat im Ausschuss für Kultur und Medien der Protokollerklärung zugestimmt, wonach die Filmförderungsanstalt (FFA), der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) sowie die Rundfunkanstalten aufgefordert sind, ihre Förderrichtlinien bzw. die Produktions- und Sendemaßgaben dahingehend auszurichten, dass das Angebot an barrierefreien Filmen ausgeweitet wird. Es herrscht hier Konsens, dass der Einsatz für die Ausstattung von Film- und Fernsehwerken mit Audiodeskription, Untertitelung und Gebärdensprache in Zukunft selbstverständlich sein muss.

Dann allerdings endet für uns auch schon die Übereinstimmung, denn wenn man sich die eingebrachten Anträge genauer ansieht, gibt es doch erhebliche Misstöne, die im Detail der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung nicht gerecht werden.

So begrüßenswert die gestiegene Verantwortung der Koalition für das Problembewusstsein gegenüber dem barrierefreien Film ist, so enttäuschend ist die inhaltliche Ausrichtung des Antrags. Die Forderungen sind rein appellativ und beschränken sich faktisch auf Prüfempfehlungen. Anstatt Barrierefreiheit in Film und Rundfunk als gesamtstaatliche Aufgabe und als Verfassungsgebot zu begreifen, wird einerseits der Maßnahmebedarf in die Zukunft delegiert und andererseits sogar einer Refinanzierung der Investitionen in die barrierefreie Ausstattung durch Marktmechanismen das Wort geredet, wohl wissend, dass die soziale Benachteiligung von Bürgerinnen und Bürgern mit Hör- und Sehbehinderung bei jenen bereits per se beträchtliche finanzielle Ressourcen bindet. Durch die neue Rundfunkabgabe mit der Abschaffung des Nachteilsausgleichs wird außerdem eine behindertenungerechte Rundfunkpolitik sanktioniert, durch die eine Aufforderung zur Verpflichtung der Rundfunkanstalten, für ein verbessertes barrierefreies Rundfunkprogramm zu sorgen, als reine Heuchelei wirkt. Anreize zur deutlichen Erweiterung des barrierefreien Filmangebots können aber nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE nicht ökonomischer, sondern nur politischer Natur sein.

Im Gegensatz zum Koalitionsantrag finden sich im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zumindest zwei konkrete Handlungsvorschläge, nämlich das Vorhaben der Sofortprogrammfinanzierung sowie die Kriteriendefinition, die in die richtige Richtung zielen. Ob sich allerdings dadurch die grundlegenden Defizite im Bereich des barrierefreien Filmangebots nachhaltig beheben lassen, ist zu bezweifeln. Auch in diesem Antrag fehlt der Willen, Barrierefreiheit in Film und Rundfunk als gesamtstaatliche Aufgabe zu begreifen. Darüber hinaus erscheinen die angestrebte Höhe der jährlichen Mittelausschüttung als willkürlich und die Gegenfinanzierung als ungeklärt.

Ebenso wie bei der Koalition sind hier gleichfalls eher diffuse Marktchancen für barrierefreie Filme erwähnt, die sich nicht mit der sozialen Stellung von Menschen mit Hör- und Sehbehinderung vertragen. Aus der Haushaltsabgabe der Rundfunkgebühren eine Erleichterung der Finanzierung des barrierefreien Programmangebots der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu erwarten, ist illusionär, da aus den Mehreinnahmen vorzugsweise vermutlich eher Strukturanpassungen und teure Rechteerwerbungen finanziert werden, wie es bereits heute gängige Praxis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist.

Zum Schluss möchte ich auch noch darauf hinweisen, was mein Kollege Dr. Ilja Seifert in der Ersten Lesung gesagt hat. Er betont zurecht, dass Bundestag und Bundesregierung bei der Bereitstellung barrierefreier Angebote an Kultur und Information beispielhaft vorangehen müssen. Dies sollte auf allen gesellschaftlichen Feldern grundsätzlich zwingende Verpflichtung werden. Ein Rückgriff auf den Markt, in welcher Form auch immer, ist hier besonders Fehl am Platz.

Aus den genannten Gründen lehnen wir den Antrag der Koalition ab und enthalten uns bei dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.