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BAföG endlich reformieren, Hochschulen öffnen!

Rede von Nicole Gohlke,

Herr / Frau PräsidentIn, Kolleginnen und Kollegen,

der letzte Bildungsbericht hat erneut gezeigt: der Bildungsstatus der Eltern hat nicht nur einen enormen Einfluss darauf, ob ein Kind ein Gymnasium besuchen wird. Auch die Chance, überhaupt eine Studienberechtigung zu erwerben und ein Studium zu beginnen, hängen davon ab. Von 100 Kindern, deren Eltern einen akademischen Abschluss vorweisen können, nahmen im Jahr 2009 77 ein Studium auf, während es bei Kindern, deren Eltern einen Hauptschulabschluss haben, nur 13 waren. Und der Bericht zeigt noch etwas Erschreckendes: Auch wenn Jugendliche eine Studienberechtigung erworben haben, variiert die Wahrscheinlichkeit zu studieren mit dem Bildungsstatus der Eltern - und das bei gleicher schulischer Leistung! Jetzt werden die Vertreter von Union und FDP gleich wieder entgegen: „Ja, aber wir haben ein durchlässiges Bildungssystem. Man kann auch über die berufliche Bildung zur Hochschule kommen.“ Aber auch hierzu macht der Bildungsbericht eine eindeutige Aussage: Die tatsächliche Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschule ist trotz der schon eingeleiteten Maßnahmen zur Öffnung des Hochschulzugangs noch sehr begrenzt.

 

Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie es Ihnen angesichts dieser Befunde geht. Mich stimmen sie traurig und wütend zugleich. Traurig, weil vielen jungen Menschen der Weg zur Hochschule verwehrt bleibt. Bildung ist für DIE LINKE ein Menschenrecht, und dazu gehört auch der Zugang zu sogenannter „höherer Bildung“. Wütend stimmen mich diese Ergebnisse deshalb, weil sie vermeidbar sind. Seit Jahren macht DIE LINKE bildungs- und hochschulpolitische Vorschläge, um endlich Chancengleichheit herzustellen.

Eine Maßnahme, um junge Menschen aus sogenannten bildungsfernen Familien zu einem Hochschulstudium zu ermutigen, ist eine umfassende Reform des BAföGs. In der Gesetzesbegründung von 1971 wurde der Anspruch formuliert, durch das BAföG  „soziale Unterschiede […] auszugleichen und durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengleichheit der jungen Menschen hinzuwirken“. Auch wenn das BAföG diesem Anspruch nie ganz gerecht wurde, ist es heute umso notwendiger, zukünftigen Studierenden die Angst davor zu nehmen, aus finanziellen Gründen nicht studieren zu können.

DIE LINKE fordert, die BAföG-Sätze umgehend um mindestens 10% zu erhöhen.  Außerdem - und das ist insbesondere für Studierende aus Elternhäusern, die über wenig Geld verfügen wichtig: das BAföG muss wieder als Vollzuschuss gewährt werden. Nichts hält junge Menschen mehr von der Aufnahme eines Studiums ab als die Angst vor Verschuldung! Und wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler der Oberstufe endlich wieder BAföG beziehen können – denn die soziale Auslese, die das deutsche Bildungssystem dramatisch durchzieht, beginnt in der Schule. Und das muss endlich durchbrochen werden!

Wir als LINKE denken noch weiter: wenn man den Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 „Das Menschenrecht auf Bildung“ wirklich ernst nimmt, dann muss das BAföG dauerhaft elternunabhängig gewährt werden. Egal, ob die Eltern arm oder reich sind! Im Übrigen verbieten sich vor diesem Hintergrund Studiengebühren sämtlicher Art von alleine!

 

Neben einer umfassenden BAföG-Reform ist die soziale Öffnung der Hochschulen unbedingt notwendig, wenn wir in Zukunft nicht mehr in den verschiedenen Bildungsstudien die eingangs zitierten erschütternden Befunde lesen wollen. Ziel ist, die Durchlässigkeit im Studium zu erhöhen, anstatt immer neue Hürden einzuziehen. Wenn wir mehr junge Menschen aus Elternhäusern ohne akademischen Hintergrund an die Hochschulen holen wollen, muss es möglich sein, ein Studium auch ohne allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife aufnehmen zu können. Daher fordern wir als LINKE: auch mit einer beruflichen Qualifikation soll man studieren können! Zur sozialen Öffnung der Hochschulen gehört auch, allen Bachelorabsolventinnen und –absolventen, die ein Masterstudium absolvieren möchten, auch die Gelegenheit dazu zu geben. Daher fordert DIE LINKE das Recht auf ein Masterstudium gesetzlich festzuschreiben.

 

All diese Forderungen laufen allerdings in Leere, wenn nicht ausreichend Studienplätze vorhanden sind. Trotz der geplanten Aufstockung des Hochschulpakts bietet dieser keine nachhaltigen Antworten auf den Studienplatzmangel und der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen. DIE LINKE streitet weiterhin für ein bedarfsgerechtes Angebot an Studienplätzen und damit auch einer angemessenen Ausstattung der Grundfinanzierung der Hochschulen!

Dazu muss endlich das mit den Stimmen von Union, FDP und SPD beschlossene Kooperationsverbot im Bildungsbereich abgeschafft werden, um so eine Ko-Finanzierung  durch den Bund zu ermöglichen. Dem Wettbewerbsföderalismus muss endlich ein Ende gesetzt werden! Wir wollen ihn durch eine Kultur der Kooperation ablösen, die sich an der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse und Bildungschancen in allen Bundesländern orientiert.

 

Diese Rede geht zu Protokoll.